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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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Es mochten wohl zur Zeit der feindlichen Unter¬
drückung solche Pläne in einzelnen Köpfen aufgestie¬
gen, und ein Anfang zur Ausführung auch wohl ver¬
suchsweise geschehen seyn; nach einem alten Kunst¬
griff aber, in dem man, um die Unzulänglichkeit der
Mittel zu decken, einige sichtbare Momente perspekti¬
visch an ein im Hintergrunde vorausgesetztes Geheim¬
niß knüpft, um so durch die geglaubte Anwesenheit
eines Dunkeln, Unbeschränkten zu imponiren, moch¬
ten damal die Stärkeren den Dümmern die Fabel
einer völlig ausgebildeten Gesellschaft dieser Art ein¬
gebildet haben, um sie durch Furcht und den Reiz jener
optischen Täuschung aus ihrer trägen, feigen Schlaff¬
heit gegen die Franzosen aufzutreiben. Die Schwäche
gefiel sich damal im Gedanken einer solchen Hülfe
aus dem Verborgenen; der Feind war beunruhigt durch
die Sagen, die zu ihm gelangt; die Regierung selbst
schien nicht ungern den nutzbaren Glauben zu bemer¬
ken und zu theilen. Jetzt zur gelegenen Zeit errinnerte
man sich seiner, um ihn als Waffe gegen die Erfinder
selbst zu kehren. Argwohn scheint ein Uebel zu seyn,
das von der Stellung der Fürsten unzertrennlich ist,
eines von denen, das ihnen in der Ordnung der Dinge
zugefallen, um so manchen Vortheil, den sie vor den
übrigen Sterblichen voraus haben, wieder auszuglei¬
chen. "Wahrlich! sagt Baco von Verulam, unselig ist
jener Gemüthszustand, in dem du nur nach Wenigem
verlangst, aber Vieles befürchtest, und doch ist dies
größentheils der Fall der Könige, die auf die höchste
Stufe gestellt, nichts haben, das sie begehren können --
was ihren Geist träge macht--, aber im Gegentheil durch

mancherley

Es mochten wohl zur Zeit der feindlichen Unter¬
drückung ſolche Pläne in einzelnen Köpfen aufgeſtie¬
gen, und ein Anfang zur Ausführung auch wohl ver¬
ſuchsweiſe geſchehen ſeyn; nach einem alten Kunſt¬
griff aber, in dem man, um die Unzulänglichkeit der
Mittel zu decken, einige ſichtbare Momente perſpekti¬
viſch an ein im Hintergrunde vorausgeſetztes Geheim¬
niß knüpft, um ſo durch die geglaubte Anweſenheit
eines Dunkeln, Unbeſchränkten zu imponiren, moch¬
ten damal die Stärkeren den Dümmern die Fabel
einer völlig ausgebildeten Geſellſchaft dieſer Art ein¬
gebildet haben, um ſie durch Furcht und den Reiz jener
optiſchen Täuſchung aus ihrer trägen, feigen Schlaff¬
heit gegen die Franzoſen aufzutreiben. Die Schwäche
gefiel ſich damal im Gedanken einer ſolchen Hülfe
aus dem Verborgenen; der Feind war beunruhigt durch
die Sagen, die zu ihm gelangt; die Regierung ſelbſt
ſchien nicht ungern den nutzbaren Glauben zu bemer¬
ken und zu theilen. Jetzt zur gelegenen Zeit errinnerte
man ſich ſeiner, um ihn als Waffe gegen die Erfinder
ſelbſt zu kehren. Argwohn ſcheint ein Uebel zu ſeyn,
das von der Stellung der Fürſten unzertrennlich iſt,
eines von denen, das ihnen in der Ordnung der Dinge
zugefallen, um ſo manchen Vortheil, den ſie vor den
übrigen Sterblichen voraus haben, wieder auszuglei¬
chen. »Wahrlich! ſagt Baco von Verulam, unſelig iſt
jener Gemüthszuſtand, in dem du nur nach Wenigem
verlangſt, aber Vieles befürchteſt, und doch iſt dies
größentheils der Fall der Könige, die auf die höchſte
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was ihren Geiſt träge macht—, aber im Gegentheil durch

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[32/0040] Es mochten wohl zur Zeit der feindlichen Unter¬ drückung ſolche Pläne in einzelnen Köpfen aufgeſtie¬ gen, und ein Anfang zur Ausführung auch wohl ver¬ ſuchsweiſe geſchehen ſeyn; nach einem alten Kunſt¬ griff aber, in dem man, um die Unzulänglichkeit der Mittel zu decken, einige ſichtbare Momente perſpekti¬ viſch an ein im Hintergrunde vorausgeſetztes Geheim¬ niß knüpft, um ſo durch die geglaubte Anweſenheit eines Dunkeln, Unbeſchränkten zu imponiren, moch¬ ten damal die Stärkeren den Dümmern die Fabel einer völlig ausgebildeten Geſellſchaft dieſer Art ein¬ gebildet haben, um ſie durch Furcht und den Reiz jener optiſchen Täuſchung aus ihrer trägen, feigen Schlaff¬ heit gegen die Franzoſen aufzutreiben. Die Schwäche gefiel ſich damal im Gedanken einer ſolchen Hülfe aus dem Verborgenen; der Feind war beunruhigt durch die Sagen, die zu ihm gelangt; die Regierung ſelbſt ſchien nicht ungern den nutzbaren Glauben zu bemer¬ ken und zu theilen. Jetzt zur gelegenen Zeit errinnerte man ſich ſeiner, um ihn als Waffe gegen die Erfinder ſelbſt zu kehren. Argwohn ſcheint ein Uebel zu ſeyn, das von der Stellung der Fürſten unzertrennlich iſt, eines von denen, das ihnen in der Ordnung der Dinge zugefallen, um ſo manchen Vortheil, den ſie vor den übrigen Sterblichen voraus haben, wieder auszuglei¬ chen. »Wahrlich! ſagt Baco von Verulam, unſelig iſt jener Gemüthszuſtand, in dem du nur nach Wenigem verlangſt, aber Vieles befürchteſt, und doch iſt dies größentheils der Fall der Könige, die auf die höchſte Stufe geſtellt, nichts haben, das ſie begehren können — was ihren Geiſt träge macht—, aber im Gegentheil durch mancherley

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/40>, abgerufen am 29.03.2024.