Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

ein Unding gänzlich vernichtet war, so mußte diese
mit der nun beginnenden Ordnung in einen unheil¬
baren Zwiespalt sich gesetzt befinden; und indem jene
auf dem eingeschlagenen Wege nur durch Treulosig¬
keit, Unterjochung, Blut und Krieg zu erreichen blieb,
war die Verfassung nichts als eine Suspension des
Rechtes des Stärkeren, ein Gottesfriede auf unbe¬
stimmte Zeit ausgeläutet, nach deren Verlauf der
Rachen des Mächtigern sich wieder aufsperrt gegen
jeden Schwächern, und die Habsucht wieder umgeht
wie eine brüllende Löwin, und sucht wen sie ver¬
schlinge.

Darum muß das Ganze in ewiger Rüstung im
Frieden sich aufreiben, ohne daß es je im Kriege als
Solches sich geltend zu machen wüßte; und jeder Theil
muß wieder unmäßige Last tragen, als ob er ein
Ganzes wäre, ohne daß durch das geduldigste Aus¬
harren etwas Anders, als das gemeine Elend geför¬
dert werde. Da keine innere Bindkraft die Theile zu¬
sammenhält, so müssen diese nothwendig den äußeren
zersetzenden Kräften weichend, sich anschließen an die
zunächst sollicitirenden Interessen; und jeder Krieg
wird nothwendig ein Bürgerkrieg, das Land von
Freunden und Feinden aufgerieben, beym Frieden
aber jedesmal auf seine Kosten Großmuth ausgeübt,
und derselbe Allen bequeme Zustand mit Sorgfalt wie¬
der hergestellt.

Inzwischen hatte der Congreß diese Heilsordnung
beliebt; nachdem man verschiedene Pläne durchgegan¬
gen, von denen jeder Frühere sich vom Folgenden an
rathloser Hoffnungslosigkeit gern überbiethen ließ,

ein Unding gänzlich vernichtet war, ſo mußte dieſe
mit der nun beginnenden Ordnung in einen unheil¬
baren Zwieſpalt ſich geſetzt befinden; und indem jene
auf dem eingeſchlagenen Wege nur durch Treuloſig¬
keit, Unterjochung, Blut und Krieg zu erreichen blieb,
war die Verfaſſung nichts als eine Suspenſion des
Rechtes des Stärkeren, ein Gottesfriede auf unbe¬
ſtimmte Zeit ausgeläutet, nach deren Verlauf der
Rachen des Mächtigern ſich wieder aufſperrt gegen
jeden Schwächern, und die Habſucht wieder umgeht
wie eine brüllende Löwin, und ſucht wen ſie ver¬
ſchlinge.

Darum muß das Ganze in ewiger Rüſtung im
Frieden ſich aufreiben, ohne daß es je im Kriege als
Solches ſich geltend zu machen wüßte; und jeder Theil
muß wieder unmäßige Laſt tragen, als ob er ein
Ganzes wäre, ohne daß durch das geduldigſte Aus¬
harren etwas Anders, als das gemeine Elend geför¬
dert werde. Da keine innere Bindkraft die Theile zu¬
ſammenhält, ſo müſſen dieſe nothwendig den äußeren
zerſetzenden Kräften weichend, ſich anſchließen an die
zunächſt ſollicitirenden Intereſſen; und jeder Krieg
wird nothwendig ein Bürgerkrieg, das Land von
Freunden und Feinden aufgerieben, beym Frieden
aber jedesmal auf ſeine Koſten Großmuth ausgeübt,
und derſelbe Allen bequeme Zuſtand mit Sorgfalt wie¬
der hergeſtellt.

Inzwiſchen hatte der Congreß dieſe Heilsordnung
beliebt; nachdem man verſchiedene Pläne durchgegan¬
gen, von denen jeder Frühere ſich vom Folgenden an
rathloſer Hoffnungsloſigkeit gern überbiethen ließ,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0026" n="18"/>
ein Unding gänzlich vernichtet war, &#x017F;o mußte die&#x017F;e<lb/>
mit der nun beginnenden Ordnung in einen unheil¬<lb/>
baren Zwie&#x017F;palt &#x017F;ich ge&#x017F;etzt befinden; und indem jene<lb/>
auf dem einge&#x017F;chlagenen Wege nur durch Treulo&#x017F;ig¬<lb/>
keit, Unterjochung, Blut und Krieg zu erreichen blieb,<lb/>
war die Verfa&#x017F;&#x017F;ung nichts als eine Suspen&#x017F;ion des<lb/>
Rechtes des Stärkeren, ein Gottesfriede auf unbe¬<lb/>
&#x017F;timmte Zeit ausgeläutet, nach deren Verlauf der<lb/>
Rachen des Mächtigern &#x017F;ich wieder auf&#x017F;perrt gegen<lb/>
jeden Schwächern, und die Hab&#x017F;ucht wieder umgeht<lb/>
wie eine brüllende Löwin, und &#x017F;ucht wen &#x017F;ie ver¬<lb/>
&#x017F;chlinge.</p><lb/>
      <p>Darum muß das Ganze in ewiger Rü&#x017F;tung im<lb/>
Frieden &#x017F;ich aufreiben, ohne daß es je im Kriege als<lb/>
Solches &#x017F;ich geltend zu machen wüßte; und jeder Theil<lb/>
muß wieder unmäßige La&#x017F;t tragen, als ob er ein<lb/>
Ganzes wäre, ohne daß durch das geduldig&#x017F;te Aus¬<lb/>
harren etwas Anders, als das gemeine Elend geför¬<lb/>
dert werde. Da keine innere Bindkraft die Theile zu¬<lb/>
&#x017F;ammenhält, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e nothwendig den äußeren<lb/>
zer&#x017F;etzenden Kräften weichend, &#x017F;ich an&#x017F;chließen an die<lb/>
zunäch&#x017F;t &#x017F;ollicitirenden Intere&#x017F;&#x017F;en; und jeder Krieg<lb/>
wird nothwendig ein Bürgerkrieg, das Land von<lb/>
Freunden und Feinden aufgerieben, beym Frieden<lb/>
aber jedesmal auf &#x017F;eine Ko&#x017F;ten Großmuth ausgeübt,<lb/>
und der&#x017F;elbe Allen bequeme Zu&#x017F;tand mit Sorgfalt wie¬<lb/>
der herge&#x017F;tellt.</p><lb/>
      <p>Inzwi&#x017F;chen hatte der Congreß die&#x017F;e Heilsordnung<lb/>
beliebt; nachdem man ver&#x017F;chiedene Pläne durchgegan¬<lb/>
gen, von denen jeder Frühere &#x017F;ich vom Folgenden an<lb/>
rathlo&#x017F;er Hoffnungslo&#x017F;igkeit gern überbiethen ließ,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0026] ein Unding gänzlich vernichtet war, ſo mußte dieſe mit der nun beginnenden Ordnung in einen unheil¬ baren Zwieſpalt ſich geſetzt befinden; und indem jene auf dem eingeſchlagenen Wege nur durch Treuloſig¬ keit, Unterjochung, Blut und Krieg zu erreichen blieb, war die Verfaſſung nichts als eine Suspenſion des Rechtes des Stärkeren, ein Gottesfriede auf unbe¬ ſtimmte Zeit ausgeläutet, nach deren Verlauf der Rachen des Mächtigern ſich wieder aufſperrt gegen jeden Schwächern, und die Habſucht wieder umgeht wie eine brüllende Löwin, und ſucht wen ſie ver¬ ſchlinge. Darum muß das Ganze in ewiger Rüſtung im Frieden ſich aufreiben, ohne daß es je im Kriege als Solches ſich geltend zu machen wüßte; und jeder Theil muß wieder unmäßige Laſt tragen, als ob er ein Ganzes wäre, ohne daß durch das geduldigſte Aus¬ harren etwas Anders, als das gemeine Elend geför¬ dert werde. Da keine innere Bindkraft die Theile zu¬ ſammenhält, ſo müſſen dieſe nothwendig den äußeren zerſetzenden Kräften weichend, ſich anſchließen an die zunächſt ſollicitirenden Intereſſen; und jeder Krieg wird nothwendig ein Bürgerkrieg, das Land von Freunden und Feinden aufgerieben, beym Frieden aber jedesmal auf ſeine Koſten Großmuth ausgeübt, und derſelbe Allen bequeme Zuſtand mit Sorgfalt wie¬ der hergeſtellt. Inzwiſchen hatte der Congreß dieſe Heilsordnung beliebt; nachdem man verſchiedene Pläne durchgegan¬ gen, von denen jeder Frühere ſich vom Folgenden an rathloſer Hoffnungsloſigkeit gern überbiethen ließ,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/26
Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/26>, abgerufen am 18.04.2024.