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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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sie vielleicht zum Saatkorn einer bessern Zukunft wer¬
den; wenn nicht, mögen sie wie alles Frühere als
Appellation der bessern Gegenwart an die Nachwelt
gelten, und als Verwahrung ihres gesunden Verstan¬
des gegen böslichen Verdacht, der nur allzu sehr durch
die Ereignisse gerechtfertigt wird.


Wenn ein Uebel, das unter Einwirkung böser
Gestirne sich zuerst erzeugt, dann unter der Ungunst
der Umstände stetig wachsend sich mehr und mehr in¬
nerlich befestigt hat, bis es endlich zu gewaltthätigen
Ausbrüchen gelangt, wenn ein solches Unheil bis zum
Grunde erwogen werden soll; ob es vielleicht durch ein
gemeinsames Zusammenwirken sich zum Guten lenken
möge: dann wird die fruchtbarste Weise wohl jedes¬
mal diejenige seyn, die auf den Ursprung desselben
zurückgeht, da wo es aus vielen verborgenen Quellen
zuerst zusammenfloß und ihm dann durch alle Durch¬
gänge seiner Entwicklung folgt, bis dahin wo es zu
seiner völligen Ausbildung gelangt, und dann die ge¬
wonnene Einsicht gegen das verworrene Treiben setzt,
das gegenwärtig eine der Hauptquellen aller morali¬
schen und geselligen Uebel ist. Es läßt sich aber in sol¬
cher genetischen Weise nicht reden vom Unglück Teutsch¬
lands, ohne wenigstens zum Wiener Congreß zurück¬
zugehen, der zwar selbst wieder auf Verhältnisse, die
Jahrhunderte lang fortbestanden, sich zurückbezieht,
aber doch insofern er ein freyes Werk der Zeitgenos¬
sen ist, der Gegenwart und Zukunft verantwortlich
bleibt, die wohlwissend, daß er selbst die Geburt un¬

ſie vielleicht zum Saatkorn einer beſſern Zukunft wer¬
den; wenn nicht, mögen ſie wie alles Frühere als
Appellation der beſſern Gegenwart an die Nachwelt
gelten, und als Verwahrung ihres geſunden Verſtan¬
des gegen böslichen Verdacht, der nur allzu ſehr durch
die Ereigniſſe gerechtfertigt wird.


Wenn ein Uebel, das unter Einwirkung böſer
Geſtirne ſich zuerſt erzeugt, dann unter der Ungunſt
der Umſtände ſtetig wachſend ſich mehr und mehr in¬
nerlich befeſtigt hat, bis es endlich zu gewaltthätigen
Ausbrüchen gelangt, wenn ein ſolches Unheil bis zum
Grunde erwogen werden ſoll; ob es vielleicht durch ein
gemeinſames Zuſammenwirken ſich zum Guten lenken
möge: dann wird die fruchtbarſte Weiſe wohl jedes¬
mal diejenige ſeyn, die auf den Urſprung deſſelben
zurückgeht, da wo es aus vielen verborgenen Quellen
zuerſt zuſammenfloß und ihm dann durch alle Durch¬
gänge ſeiner Entwicklung folgt, bis dahin wo es zu
ſeiner völligen Ausbildung gelangt, und dann die ge¬
wonnene Einſicht gegen das verworrene Treiben ſetzt,
das gegenwärtig eine der Hauptquellen aller morali¬
ſchen und geſelligen Uebel iſt. Es läßt ſich aber in ſol¬
cher genetiſchen Weiſe nicht reden vom Unglück Teutſch¬
lands, ohne wenigſtens zum Wiener Congreß zurück¬
zugehen, der zwar ſelbſt wieder auf Verhältniſſe, die
Jahrhunderte lang fortbeſtanden, ſich zurückbezieht,
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[8/0016] ſie vielleicht zum Saatkorn einer beſſern Zukunft wer¬ den; wenn nicht, mögen ſie wie alles Frühere als Appellation der beſſern Gegenwart an die Nachwelt gelten, und als Verwahrung ihres geſunden Verſtan¬ des gegen böslichen Verdacht, der nur allzu ſehr durch die Ereigniſſe gerechtfertigt wird. Wenn ein Uebel, das unter Einwirkung böſer Geſtirne ſich zuerſt erzeugt, dann unter der Ungunſt der Umſtände ſtetig wachſend ſich mehr und mehr in¬ nerlich befeſtigt hat, bis es endlich zu gewaltthätigen Ausbrüchen gelangt, wenn ein ſolches Unheil bis zum Grunde erwogen werden ſoll; ob es vielleicht durch ein gemeinſames Zuſammenwirken ſich zum Guten lenken möge: dann wird die fruchtbarſte Weiſe wohl jedes¬ mal diejenige ſeyn, die auf den Urſprung deſſelben zurückgeht, da wo es aus vielen verborgenen Quellen zuerſt zuſammenfloß und ihm dann durch alle Durch¬ gänge ſeiner Entwicklung folgt, bis dahin wo es zu ſeiner völligen Ausbildung gelangt, und dann die ge¬ wonnene Einſicht gegen das verworrene Treiben ſetzt, das gegenwärtig eine der Hauptquellen aller morali¬ ſchen und geſelligen Uebel iſt. Es läßt ſich aber in ſol¬ cher genetiſchen Weiſe nicht reden vom Unglück Teutſch¬ lands, ohne wenigſtens zum Wiener Congreß zurück¬ zugehen, der zwar ſelbſt wieder auf Verhältniſſe, die Jahrhunderte lang fortbeſtanden, ſich zurückbezieht, aber doch inſofern er ein freyes Werk der Zeitgenoſ¬ ſen iſt, der Gegenwart und Zukunft verantwortlich bleibt, die wohlwiſſend, daß er ſelbſt die Geburt un¬

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/16>, abgerufen am 25.04.2024.