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Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798.

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der Sache gemäß, daß ein solcher Rechtsstreit zwischen dem Lan-
desherrn und seinen Unterthanen auch nach den Gesetzen des Lan-
des zu entscheiden sey, da die im Staate angeordneten Gerichts-
höfe an die bürgerliche Ordnung und Vorschriften des Staats ge-
wiesen sind 34). Wenn ich behaupte, daß der Regent in seinen
Privatverhältnissen den bürgerlichen Gesetzen seines Staats un-
terworfen sey, so lassen sich eigentlich zwey Fälle gedenken. --
Es ist entweder von den Privathandlungen und Geschäften des
Fürsten selbst
, oder von Privathandlungen der Untertha-
nen
, welche sich auf den Fürsten, nach seiner Privatperson, be-
ziehen, die Rede. Im letztern Falle ist die Frage, ob die Unter-
thanen in ihren Handlungen und Geschäften mit dem Fürsten,
seiner Privatperson nach betrachtet, an die Gesetze des Staats
und gemeine Regeln des Privatrechts gebunden sind, vollends
keinem Zweifel ausgesetzt. Man setze also den Fall, daß ein Un-
terthan in seinem Testamente den Fürsten zum Erben eingesetzt
hätte, ohne die in den Gesetzen des Landes vorgeschriebene Form
beobachtet zu haben. Hier stünde dem aus solchen ohne die ge-
setzliche Form vorgenommenen, und also ungültigen Geschäfte des
Unterthans formirten Ansprüche des Fürsten auf Seiten der da-
bey interessirten Gegenparthey unstreitig ein ius quaesitum ex lege
entgegen, welches hier, wo es offenbar nur blos um Privat-
interesse
zu thun ist, vom Fürsten nicht einmal aus landes-
herrlicher Machtvollkommenheit, so gerade zu aufgehoben werden
könnte. Tritt also vollends der Fürst als Kläger auf, um seinen
Anspruch wider die Gegenparthey im Wege Rechtens zu verfol-
gen, so ist ja die Entscheidung dem ordentlichen Richter der Gegen-
parthey zu überlassen, der, in Ermangelung eines besondern,

zum
34) reinharth Observat. ad Christianaei Decision. Vol. I. Obs. 10.
Hiermit stimmt auch das neue Gesetzbuch für die Preußischen
Staaten in der Einleitung §. 87. überein, wo es heißt: Auch
Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Oberhaupte
des Staats und seinen Unterthanen sollen bey
den ordentlichen Gerichten, nach den Vorschrif-
ten der Gesetze, erörtert und entschieden wer-
den
.

der Sache gemaͤß, daß ein ſolcher Rechtsſtreit zwiſchen dem Lan-
desherrn und ſeinen Unterthanen auch nach den Geſetzen des Lan-
des zu entſcheiden ſey, da die im Staate angeordneten Gerichts-
hoͤfe an die buͤrgerliche Ordnung und Vorſchriften des Staats ge-
wieſen ſind 34). Wenn ich behaupte, daß der Regent in ſeinen
Privatverhaͤltniſſen den buͤrgerlichen Geſetzen ſeines Staats un-
terworfen ſey, ſo laſſen ſich eigentlich zwey Faͤlle gedenken. —
Es iſt entweder von den Privathandlungen und Geſchaͤften des
Fuͤrſten ſelbſt
, oder von Privathandlungen der Untertha-
nen
, welche ſich auf den Fuͤrſten, nach ſeiner Privatperſon, be-
ziehen, die Rede. Im letztern Falle iſt die Frage, ob die Unter-
thanen in ihren Handlungen und Geſchaͤften mit dem Fuͤrſten,
ſeiner Privatperſon nach betrachtet, an die Geſetze des Staats
und gemeine Regeln des Privatrechts gebunden ſind, vollends
keinem Zweifel ausgeſetzt. Man ſetze alſo den Fall, daß ein Un-
terthan in ſeinem Teſtamente den Fuͤrſten zum Erben eingeſetzt
haͤtte, ohne die in den Geſetzen des Landes vorgeſchriebene Form
beobachtet zu haben. Hier ſtuͤnde dem aus ſolchen ohne die ge-
ſetzliche Form vorgenommenen, und alſo unguͤltigen Geſchaͤfte des
Unterthans formirten Anſpruͤche des Fuͤrſten auf Seiten der da-
bey intereſſirten Gegenparthey unſtreitig ein ius quaeſitum ex lege
entgegen, welches hier, wo es offenbar nur blos um Privat-
intereſſe
zu thun iſt, vom Fuͤrſten nicht einmal aus landes-
herrlicher Machtvollkommenheit, ſo gerade zu aufgehoben werden
koͤnnte. Tritt alſo vollends der Fuͤrſt als Klaͤger auf, um ſeinen
Anſpruch wider die Gegenparthey im Wege Rechtens zu verfol-
gen, ſo iſt ja die Entſcheidung dem ordentlichen Richter der Gegen-
parthey zu uͤberlaſſen, der, in Ermangelung eines beſondern,

zum
34) reinharth Obſervat. ad Chriſtianaei Deciſion. Vol. I. Obſ. 10.
Hiermit ſtimmt auch das neue Geſetzbuch fuͤr die Preußiſchen
Staaten in der Einleitung §. 87. uͤberein, wo es heißt: Auch
Rechtsſtreitigkeiten zwiſchen dem Oberhaupte
des Staats und ſeinen Unterthanen ſollen bey
den ordentlichen Gerichten, nach den Vorſchrif-
ten der Geſetze, eroͤrtert und entſchieden wer-
den
.
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[70/0078] der Sache gemaͤß, daß ein ſolcher Rechtsſtreit zwiſchen dem Lan- desherrn und ſeinen Unterthanen auch nach den Geſetzen des Lan- des zu entſcheiden ſey, da die im Staate angeordneten Gerichts- hoͤfe an die buͤrgerliche Ordnung und Vorſchriften des Staats ge- wieſen ſind 34). Wenn ich behaupte, daß der Regent in ſeinen Privatverhaͤltniſſen den buͤrgerlichen Geſetzen ſeines Staats un- terworfen ſey, ſo laſſen ſich eigentlich zwey Faͤlle gedenken. — Es iſt entweder von den Privathandlungen und Geſchaͤften des Fuͤrſten ſelbſt, oder von Privathandlungen der Untertha- nen, welche ſich auf den Fuͤrſten, nach ſeiner Privatperſon, be- ziehen, die Rede. Im letztern Falle iſt die Frage, ob die Unter- thanen in ihren Handlungen und Geſchaͤften mit dem Fuͤrſten, ſeiner Privatperſon nach betrachtet, an die Geſetze des Staats und gemeine Regeln des Privatrechts gebunden ſind, vollends keinem Zweifel ausgeſetzt. Man ſetze alſo den Fall, daß ein Un- terthan in ſeinem Teſtamente den Fuͤrſten zum Erben eingeſetzt haͤtte, ohne die in den Geſetzen des Landes vorgeſchriebene Form beobachtet zu haben. Hier ſtuͤnde dem aus ſolchen ohne die ge- ſetzliche Form vorgenommenen, und alſo unguͤltigen Geſchaͤfte des Unterthans formirten Anſpruͤche des Fuͤrſten auf Seiten der da- bey intereſſirten Gegenparthey unſtreitig ein ius quaeſitum ex lege entgegen, welches hier, wo es offenbar nur blos um Privat- intereſſe zu thun iſt, vom Fuͤrſten nicht einmal aus landes- herrlicher Machtvollkommenheit, ſo gerade zu aufgehoben werden koͤnnte. Tritt alſo vollends der Fuͤrſt als Klaͤger auf, um ſeinen Anſpruch wider die Gegenparthey im Wege Rechtens zu verfol- gen, ſo iſt ja die Entſcheidung dem ordentlichen Richter der Gegen- parthey zu uͤberlaſſen, der, in Ermangelung eines beſondern, zum 34) reinharth Obſervat. ad Chriſtianaei Deciſion. Vol. I. Obſ. 10. Hiermit ſtimmt auch das neue Geſetzbuch fuͤr die Preußiſchen Staaten in der Einleitung §. 87. uͤberein, wo es heißt: Auch Rechtsſtreitigkeiten zwiſchen dem Oberhaupte des Staats und ſeinen Unterthanen ſollen bey den ordentlichen Gerichten, nach den Vorſchrif- ten der Geſetze, eroͤrtert und entſchieden wer- den.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01verbesserungen_1798/78>, abgerufen am 25.04.2024.