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Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798.

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Hauptgrund des Gesetzes von dem entfernteren oder
Nebengrunde 93).

S. 249. Z. 20. Man lese dafür, nach Nebengrunde 93) --
2) Man vermische nicht Gleichheit des gesetzlichen
Grundes
mit einer blosen Aehnlichkeit desselben, und
dehne die Verordnung des Gesetzes nicht auf Handlungen aus,
welche von dem Gegenstande desselben durchaus verschieden sind,
und zu einer ganz andern Classe von Geschäften gehören. Wenn
also z. B. das Gesetz verbietet, gewissen Personen Geld darzu-
leihen, so läßt sich mit Grunde nicht behaupten, daß auch der-
jenige gegen das Gesetz gehandelt habe, welcher ihnen kein Geld,
sondern Waaren crediret hat. Denn gesetzt, daß der Grund,
warum das erste verboten worden, auch bey dem letztern ein-
trete, so folgt doch daraus nur so viel, daß der Gesetzgeber das
Eine so gut, wie das Andere hätte verbieten können, nicht aber,
daß der Richter das gesetzliche Verbot auch auf den nicht verbo-
tenen Fall ausdehnen dürfe. Denn so lange man zugeben muß,
daß Geld anleihen, und Waaren auf Credit ver-
kaufen
, zwey ganz verschiedene Dinge sind, so lange kann auch
der Richter darum, weil jenes untersagt ist, noch nicht sofort
auch das letztere für unerlaubt erklären, wofern nicht erweislich
ist, daß die Partheyen, um das bürgerliche Verbot zu eludiren,
der Sache nur eine andere Wendung gegeben hätten. Z. B.
Wenn einer Person, der man kein Geld leihen darf, zu dem
Ende Waaren creditirt seyn sollten, damit sie sich durch deren
Verkauf baares Geld verschaffen können. In diesem Falle wäre
freylich der Handel unerlaubt und unverbindlich, allein nicht so-

wohl
auf einschränken lasse, wenn ein einzelner Vorfall dazu die
Veranlassung gegeben, ist oben vorgekommen.
93) Denn es kann ein Nebengrund des Gesetzes in einem vor-
kommenden Falle cessiren, ohne daß deswegen die Anwendung
des Gesetzes selbst wegfällt, wie voorda a. a. O. pag. 2. ge-
zeigt hat. Man sehe auch Webers Reflexionen vom heuti-
gen Gebrauch des röm. Rechts S. 66. und hofacker in Prin-
cip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I.
§. 157.
93) Denn es kann ein Nebengrund des Gesetzes in einem vor-
kommenden Falle cessiren, ohne daß deswegen die Anwendung
des Gesetzes selbst wegfällt, wie voorda a. a. O. pag. 2. ge-
zeigt hat. Man sehe auch Webers Reflexionen vom heuti-
gen Gebrauch des röm. Rechts S. 66. und hofacker in Prin-
cip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I.
§. 157.

Hauptgrund des Geſetzes von dem entfernteren oder
Nebengrunde 93).

S. 249. Z. 20. Man leſe dafuͤr, nach Nebengrunde 93)
2) Man vermiſche nicht Gleichheit des geſetzlichen
Grundes
mit einer bloſen Aehnlichkeit deſſelben, und
dehne die Verordnung des Geſetzes nicht auf Handlungen aus,
welche von dem Gegenſtande deſſelben durchaus verſchieden ſind,
und zu einer ganz andern Claſſe von Geſchaͤften gehoͤren. Wenn
alſo z. B. das Geſetz verbietet, gewiſſen Perſonen Geld darzu-
leihen, ſo laͤßt ſich mit Grunde nicht behaupten, daß auch der-
jenige gegen das Geſetz gehandelt habe, welcher ihnen kein Geld,
ſondern Waaren crediret hat. Denn geſetzt, daß der Grund,
warum das erſte verboten worden, auch bey dem letztern ein-
trete, ſo folgt doch daraus nur ſo viel, daß der Geſetzgeber das
Eine ſo gut, wie das Andere haͤtte verbieten koͤnnen, nicht aber,
daß der Richter das geſetzliche Verbot auch auf den nicht verbo-
tenen Fall ausdehnen duͤrfe. Denn ſo lange man zugeben muß,
daß Geld anleihen, und Waaren auf Credit ver-
kaufen
, zwey ganz verſchiedene Dinge ſind, ſo lange kann auch
der Richter darum, weil jenes unterſagt iſt, noch nicht ſofort
auch das letztere fuͤr unerlaubt erklaͤren, wofern nicht erweislich
iſt, daß die Partheyen, um das buͤrgerliche Verbot zu eludiren,
der Sache nur eine andere Wendung gegeben haͤtten. Z. B.
Wenn einer Perſon, der man kein Geld leihen darf, zu dem
Ende Waaren creditirt ſeyn ſollten, damit ſie ſich durch deren
Verkauf baares Geld verſchaffen koͤnnen. In dieſem Falle waͤre
freylich der Handel unerlaubt und unverbindlich, allein nicht ſo-

wohl
auf einſchraͤnken laſſe, wenn ein einzelner Vorfall dazu die
Veranlaſſung gegeben, iſt oben vorgekommen.
93) Denn es kann ein Nebengrund des Geſetzes in einem vor-
kommenden Falle ceſſiren, ohne daß deswegen die Anwendung
des Geſetzes ſelbſt wegfaͤllt, wie voorda a. a. O. pag. 2. ge-
zeigt hat. Man ſehe auch Webers Reflexionen vom heuti-
gen Gebrauch des roͤm. Rechts S. 66. und hofacker in Prin-
cip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I.
§. 157.
93) Denn es kann ein Nebengrund des Geſetzes in einem vor-
kommenden Falle ceſſiren, ohne daß deswegen die Anwendung
des Geſetzes ſelbſt wegfaͤllt, wie voorda a. a. O. pag. 2. ge-
zeigt hat. Man ſehe auch Webers Reflexionen vom heuti-
gen Gebrauch des roͤm. Rechts S. 66. und hofacker in Prin-
cip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I.
§. 157.
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[61/0069] Hauptgrund des Geſetzes von dem entfernteren oder Nebengrunde 93). S. 249. Z. 20. Man leſe dafuͤr, nach Nebengrunde 93) — 2) Man vermiſche nicht Gleichheit des geſetzlichen Grundes mit einer bloſen Aehnlichkeit deſſelben, und dehne die Verordnung des Geſetzes nicht auf Handlungen aus, welche von dem Gegenſtande deſſelben durchaus verſchieden ſind, und zu einer ganz andern Claſſe von Geſchaͤften gehoͤren. Wenn alſo z. B. das Geſetz verbietet, gewiſſen Perſonen Geld darzu- leihen, ſo laͤßt ſich mit Grunde nicht behaupten, daß auch der- jenige gegen das Geſetz gehandelt habe, welcher ihnen kein Geld, ſondern Waaren crediret hat. Denn geſetzt, daß der Grund, warum das erſte verboten worden, auch bey dem letztern ein- trete, ſo folgt doch daraus nur ſo viel, daß der Geſetzgeber das Eine ſo gut, wie das Andere haͤtte verbieten koͤnnen, nicht aber, daß der Richter das geſetzliche Verbot auch auf den nicht verbo- tenen Fall ausdehnen duͤrfe. Denn ſo lange man zugeben muß, daß Geld anleihen, und Waaren auf Credit ver- kaufen, zwey ganz verſchiedene Dinge ſind, ſo lange kann auch der Richter darum, weil jenes unterſagt iſt, noch nicht ſofort auch das letztere fuͤr unerlaubt erklaͤren, wofern nicht erweislich iſt, daß die Partheyen, um das buͤrgerliche Verbot zu eludiren, der Sache nur eine andere Wendung gegeben haͤtten. Z. B. Wenn einer Perſon, der man kein Geld leihen darf, zu dem Ende Waaren creditirt ſeyn ſollten, damit ſie ſich durch deren Verkauf baares Geld verſchaffen koͤnnen. In dieſem Falle waͤre freylich der Handel unerlaubt und unverbindlich, allein nicht ſo- wohl 92) 93) Denn es kann ein Nebengrund des Geſetzes in einem vor- kommenden Falle ceſſiren, ohne daß deswegen die Anwendung des Geſetzes ſelbſt wegfaͤllt, wie voorda a. a. O. pag. 2. ge- zeigt hat. Man ſehe auch Webers Reflexionen vom heuti- gen Gebrauch des roͤm. Rechts S. 66. und hofacker in Prin- cip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I. §. 157. 93) Denn es kann ein Nebengrund des Geſetzes in einem vor- kommenden Falle ceſſiren, ohne daß deswegen die Anwendung des Geſetzes ſelbſt wegfaͤllt, wie voorda a. a. O. pag. 2. ge- zeigt hat. Man ſehe auch Webers Reflexionen vom heuti- gen Gebrauch des roͤm. Rechts S. 66. und hofacker in Prin- cip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I. §. 157. 92) auf einſchraͤnken laſſe, wenn ein einzelner Vorfall dazu die Veranlaſſung gegeben, iſt oben vorgekommen.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Verbesserungen und Zusätze zum ersten Bande des Glückischen Kommentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1798, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01verbesserungen_1798/69>, abgerufen am 28.03.2024.