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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
daß etwas ipso iure geschehe, wenn es eine unmittel-
bare Würkung der Gesetze ist, ohne daß ein factum
hominis
hierzu erfordert wird. Z. B. so acquiriten
Kinder, welche bis an den Tod ihres Vaters in deßen
Gewalt geblieben, (sui liberi) nach dem Absterben des-
selben die väterliche Erbschaft ipso iure, auch ohne ihr
Wissen; denn die Gesetze selbst erklären sie für die Er-
ben ihres Vaters, ohne daß ihre Erklärung, oder sonst
eine Thathandlung derselben hiezu erfordert wird 5).

2) Heißt ius auch, was denen Gesetzen gemäs ist,
und die Rechte mit sich bringen; oder was mit denen
Gesetzen übereinstimmt, und daher entweder überall recht
und billig ist, oder doch wenigstens denen Bürgern ei-
nes gewißen Staats nützlich ist. Hierher gehören die
Worte Pauli in L. 11. D. h. t. Ius pluribus mo-
dis dicitur. Vno modo, cum id, quod semper ac-
quum ac bonum est,
ivs dicitur: ut est ius natur ale.
Altero modo, quod omnibus aut pluribus in quaque
civitate utile est: ut est ius civile.
In eben diesem
Verstande sagt man ferner, es sey etwas Rech-
tens:
z. B. es ist iuris, daß der Verkäufer dem Käu-
fer die Gewähr leiste.

3) Wird ius für ein nach denen Gesetzen zuste-
hendes Vermögen etwas zu thun genommen. Hier
nennt man es eine Befugnis, ein Recht, eine Ge-
rechtigkeit,
z. B. ius testandi, ius utendi fruendi,

ius
servat. iuris Lib. II. c. 13. Henr. Io. arnzenius in
Miscellaneor. libro
c. 13. p.
137. ganz unrichtig ist
diese Erklärung zwar nicht, allein sie erschöpft den Sinn
doch nicht ganz, wie ich an einem andern Ort gezeigt ha-
be. S. Opuscula iuridica. Fascic. I. p. 172.
5) S. Henr. cocceii disc. iurid. de co quod fitips[o]
iure
Heidelberg.
1678.
A 3

de Iuſtitia et Iure.
daß etwas ipſo iure geſchehe, wenn es eine unmittel-
bare Wuͤrkung der Geſetze iſt, ohne daß ein factum
hominis
hierzu erfordert wird. Z. B. ſo acquiriten
Kinder, welche bis an den Tod ihres Vaters in deßen
Gewalt geblieben, (ſui liberi) nach dem Abſterben deſ-
ſelben die vaͤterliche Erbſchaft ipſo iure, auch ohne ihr
Wiſſen; denn die Geſetze ſelbſt erklaͤren ſie fuͤr die Er-
ben ihres Vaters, ohne daß ihre Erklaͤrung, oder ſonſt
eine Thathandlung derſelben hiezu erfordert wird 5).

2) Heißt ius auch, was denen Geſetzen gemaͤs iſt,
und die Rechte mit ſich bringen; oder was mit denen
Geſetzen uͤbereinſtimmt, und daher entweder uͤberall recht
und billig iſt, oder doch wenigſtens denen Buͤrgern ei-
nes gewißen Staats nuͤtzlich iſt. Hierher gehoͤren die
Worte Pauli in L. 11. D. h. t. Ius pluribus mo-
dis dicitur. Vno modo, cum id, quod ſemper ac-
quum ac bonum eſt,
ivs dicitur: ut eſt ius natur ale.
Altero modo, quod omnibus aut pluribus in quaque
civitate utile eſt: ut eſt ius civile.
In eben dieſem
Verſtande ſagt man ferner, es ſey etwas Rech-
tens:
z. B. es iſt iuris, daß der Verkaͤufer dem Kaͤu-
fer die Gewaͤhr leiſte.

3) Wird ius fuͤr ein nach denen Geſetzen zuſte-
hendes Vermoͤgen etwas zu thun genommen. Hier
nennt man es eine Befugnis, ein Recht, eine Ge-
rechtigkeit,
z. B. ius teſtandi, ius utendi fruendi,

ius
ſervat. iuris Lib. II. c. 13. Henr. Io. arnzenius in
Miſcellaneor. libro
c. 13. p.
137. ganz unrichtig iſt
dieſe Erklaͤrung zwar nicht, allein ſie erſchoͤpft den Sinn
doch nicht ganz, wie ich an einem andern Ort gezeigt ha-
be. S. Opuſcula iuridica. Faſcic. I. p. 172.
5) S. Henr. cocceii diſc. iurid. de co quod fitipſ[o]
iure
Heidelberg.
1678.
A 3
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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/25>, abgerufen am 29.03.2024.