Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

nach einer ordentlichen Vorschrift erfunden, welche
künstlich geschnitzet und heimlich unter dem Namen
von Alraunen oder Alraunenwurzeln theuer genug
verkauft worden sind. So begreiflich es aber ist,
daß weder dergleichen Wurzelbilder vor natürliche
Mandragora, noch diese vor Dudaim selbst gehal-
ten werden können; so hat es doch noch Bochar-
dus
aus dem Rabbi Aben Esra, und Herbelot aus
dem Rabbi Menahem, beyzubringen gut gefunden,
und dabey der Dudaim oder der davor angenomme-
nen Mandragora ihren Standort bey dem Grabe
der Rahel angewiesen. Der berühmte jüdische
Geschichtschreiber Josephus führet unter dem Na-
men Baratas eine Pflanze von ganz besondern Ei-
genschaften an, nach welchen sie weder zur Dudaim
noch Mandragora gehören könnte, wenn sie je-
mahls in der Welt gewesen seyn sollte. Demohn-
geachtet ist sie doch zur Mandragora gemacht wor-
den, und hat deren Geschichte auf das alleraben-
theuerlichste verwirret und verunstaltet, daß unsere
Pflanze, wegen der ihr zugeschriebenen menschlichen
Gestalt ihrer Wurzel und denen ganz widersinnig
erdichteten widersprechenden Eigenschaften, völlig
unkenntlich geworden ist. In einer solchen Gestalt
hat man der Mandragora ihren Stand sogar unter
dem Galgen angewiesen, und dabey vorgegeben, sie
entstünde daselbst ex urina atque semine defluente fu-
rum suspensorum
. Alle diese erdichteten und übel
verbundenen Nachrichten sind noch vor dem 5ten

Jahr-

nach einer ordentlichen Vorſchrift erfunden, welche
kuͤnſtlich geſchnitzet und heimlich unter dem Namen
von Alraunen oder Alraunenwurzeln theuer genug
verkauft worden ſind. So begreiflich es aber iſt,
daß weder dergleichen Wurzelbilder vor natuͤrliche
Mandragora, noch dieſe vor Dudaim ſelbſt gehal-
ten werden koͤnnen; ſo hat es doch noch Bochar-
dus
aus dem Rabbi Aben Eſra, und Herbelot aus
dem Rabbi Menahem, beyzubringen gut gefunden,
und dabey der Dudaim oder der davor angenomme-
nen Mandragora ihren Standort bey dem Grabe
der Rahel angewieſen. Der beruͤhmte juͤdiſche
Geſchichtſchreiber Joſephus fuͤhret unter dem Na-
men Baratas eine Pflanze von ganz beſondern Ei-
genſchaften an, nach welchen ſie weder zur Dudaim
noch Mandragora gehoͤren koͤnnte, wenn ſie je-
mahls in der Welt geweſen ſeyn ſollte. Demohn-
geachtet iſt ſie doch zur Mandragora gemacht wor-
den, und hat deren Geſchichte auf das alleraben-
theuerlichſte verwirret und verunſtaltet, daß unſere
Pflanze, wegen der ihr zugeſchriebenen menſchlichen
Geſtalt ihrer Wurzel und denen ganz widerſinnig
erdichteten widerſprechenden Eigenſchaften, voͤllig
unkenntlich geworden iſt. In einer ſolchen Geſtalt
hat man der Mandragora ihren Stand ſogar unter
dem Galgen angewieſen, und dabey vorgegeben, ſie
entſtuͤnde daſelbſt ex urina atque ſemine defluente fu-
rum ſuſpenſorum
. Alle dieſe erdichteten und uͤbel
verbundenen Nachrichten ſind noch vor dem 5ten

Jahr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0039" n="29"/>
nach einer ordentlichen Vor&#x017F;chrift erfunden, welche<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlich ge&#x017F;chnitzet und heimlich unter dem Namen<lb/>
von Alraunen oder Alraunenwurzeln theuer genug<lb/>
verkauft worden &#x017F;ind. So begreiflich es aber i&#x017F;t,<lb/>
daß weder dergleichen Wurzelbilder vor natu&#x0364;rliche<lb/><hi rendition="#fr">Mandragora</hi>, noch die&#x017F;e vor <hi rendition="#fr">Dudaim</hi> &#x017F;elb&#x017F;t gehal-<lb/>
ten werden ko&#x0364;nnen; &#x017F;o hat es doch noch <hi rendition="#fr">Bochar-<lb/>
dus</hi> aus dem <hi rendition="#fr">Rabbi Aben E&#x017F;ra</hi>, und <hi rendition="#fr">Herbelot</hi> aus<lb/>
dem Rabbi <hi rendition="#fr">Menahem</hi>, beyzubringen gut gefunden,<lb/>
und dabey der <hi rendition="#fr">Dudaim</hi> oder der davor angenomme-<lb/>
nen <hi rendition="#fr">Mandragora</hi> ihren Standort bey dem Grabe<lb/>
der <hi rendition="#fr">Rahel</hi> angewie&#x017F;en. Der beru&#x0364;hmte ju&#x0364;di&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ephus</hi> fu&#x0364;hret unter dem Na-<lb/>
men <hi rendition="#fr">Baratas</hi> eine Pflanze von ganz be&#x017F;ondern Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaften an, nach welchen &#x017F;ie weder zur <hi rendition="#fr">Dudaim</hi><lb/>
noch <hi rendition="#fr">Mandragora</hi> geho&#x0364;ren ko&#x0364;nnte, wenn &#x017F;ie je-<lb/>
mahls in der Welt gewe&#x017F;en &#x017F;eyn &#x017F;ollte. Demohn-<lb/>
geachtet i&#x017F;t &#x017F;ie doch zur <hi rendition="#fr">Mandragora</hi> gemacht wor-<lb/>
den, und hat deren Ge&#x017F;chichte auf das alleraben-<lb/>
theuerlich&#x017F;te verwirret und verun&#x017F;taltet, daß un&#x017F;ere<lb/>
Pflanze, wegen der ihr zuge&#x017F;chriebenen men&#x017F;chlichen<lb/>
Ge&#x017F;talt ihrer Wurzel und denen ganz wider&#x017F;innig<lb/>
erdichteten wider&#x017F;prechenden Eigen&#x017F;chaften, vo&#x0364;llig<lb/>
unkenntlich geworden i&#x017F;t. In einer &#x017F;olchen Ge&#x017F;talt<lb/>
hat man der <hi rendition="#fr">Mandragora</hi> ihren Stand &#x017F;ogar unter<lb/>
dem Galgen angewie&#x017F;en, und dabey vorgegeben, &#x017F;ie<lb/>
ent&#x017F;tu&#x0364;nde da&#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ex urina atque &#x017F;emine defluente fu-<lb/>
rum &#x017F;u&#x017F;pen&#x017F;orum</hi></hi>. Alle die&#x017F;e erdichteten und u&#x0364;bel<lb/>
verbundenen Nachrichten &#x017F;ind noch vor dem 5ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jahr-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0039] nach einer ordentlichen Vorſchrift erfunden, welche kuͤnſtlich geſchnitzet und heimlich unter dem Namen von Alraunen oder Alraunenwurzeln theuer genug verkauft worden ſind. So begreiflich es aber iſt, daß weder dergleichen Wurzelbilder vor natuͤrliche Mandragora, noch dieſe vor Dudaim ſelbſt gehal- ten werden koͤnnen; ſo hat es doch noch Bochar- dus aus dem Rabbi Aben Eſra, und Herbelot aus dem Rabbi Menahem, beyzubringen gut gefunden, und dabey der Dudaim oder der davor angenomme- nen Mandragora ihren Standort bey dem Grabe der Rahel angewieſen. Der beruͤhmte juͤdiſche Geſchichtſchreiber Joſephus fuͤhret unter dem Na- men Baratas eine Pflanze von ganz beſondern Ei- genſchaften an, nach welchen ſie weder zur Dudaim noch Mandragora gehoͤren koͤnnte, wenn ſie je- mahls in der Welt geweſen ſeyn ſollte. Demohn- geachtet iſt ſie doch zur Mandragora gemacht wor- den, und hat deren Geſchichte auf das alleraben- theuerlichſte verwirret und verunſtaltet, daß unſere Pflanze, wegen der ihr zugeſchriebenen menſchlichen Geſtalt ihrer Wurzel und denen ganz widerſinnig erdichteten widerſprechenden Eigenſchaften, voͤllig unkenntlich geworden iſt. In einer ſolchen Geſtalt hat man der Mandragora ihren Stand ſogar unter dem Galgen angewieſen, und dabey vorgegeben, ſie entſtuͤnde daſelbſt ex urina atque ſemine defluente fu- rum ſuſpenſorum. Alle dieſe erdichteten und uͤbel verbundenen Nachrichten ſind noch vor dem 5ten Jahr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/39
Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/39>, abgerufen am 25.04.2024.