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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789.

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einen stärkern Gebrauch gemacht, so wie Aber-
glaube und Gewinnsucht einen starken Misbrauch;
so haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachsen-
der Menge theils besserer Mittel, ihn weit seltener
unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe
ganz vergessen.

Die Alten standen, vor der Entdeckung und
rechten Anwendung der vernünftigen physikalisch-
chymischen Gründe bey dem Arzeneywesen, und
aus einem besondern Misverstande, größtentheils in
den Gedanken, daß diese damahls, als eine ihrer nar-
kotischen, oder berauschenden, betäubenden, schmerz-
stillenden und unempfindlich machenden Eigenschaft
halber, gebräuchliche Arzeney eine sehr kühlende Na-
tur habe und daher eine erschlaffende und schlaf-
machende Wirkung erweise. Die neuern vernunft-
mäßiger handelnden Aerzte haben aus physikalisch-
chymischen und medicinisch-praktischen Gründen,
und den aus der natürlichen Grundmischung des Opii
und anderer ähnlichen narcotischen Mittel entsprin-
genden Eigenschaften und ihrer Wirkungsart, die
dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die
davon herkommenden und nach den verschiedenen
Zustande des menschlichen Körpers abwechselnde
Veränderungen oder Wirkungen in denselben deut-
licher und verständlicher geworden sind. Nur hat
man von den Kräften und Wirkungen der ganz fri-
schen Mandragorawurzeln, Blätter, Früchte und
Saamen anders zu urtheilen, als wenn sie bereits

durch
B 3

einen ſtaͤrkern Gebrauch gemacht, ſo wie Aber-
glaube und Gewinnſucht einen ſtarken Misbrauch;
ſo haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachſen-
der Menge theils beſſerer Mittel, ihn weit ſeltener
unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe
ganz vergeſſen.

Die Alten ſtanden, vor der Entdeckung und
rechten Anwendung der vernuͤnftigen phyſikaliſch-
chymiſchen Gruͤnde bey dem Arzeneyweſen, und
aus einem beſondern Misverſtande, groͤßtentheils in
den Gedanken, daß dieſe damahls, als eine ihrer nar-
kotiſchen, oder berauſchenden, betaͤubenden, ſchmerz-
ſtillenden und unempfindlich machenden Eigenſchaft
halber, gebraͤuchliche Arzeney eine ſehr kuͤhlende Na-
tur habe und daher eine erſchlaffende und ſchlaf-
machende Wirkung erweiſe. Die neuern vernunft-
maͤßiger handelnden Aerzte haben aus phyſikaliſch-
chymiſchen und mediciniſch-praktiſchen Gruͤnden,
und den aus der natuͤrlichen Grundmiſchung des Opii
und anderer aͤhnlichen narcotiſchen Mittel entſprin-
genden Eigenſchaften und ihrer Wirkungsart, die
dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die
davon herkommenden und nach den verſchiedenen
Zuſtande des menſchlichen Koͤrpers abwechſelnde
Veraͤnderungen oder Wirkungen in denſelben deut-
licher und verſtaͤndlicher geworden ſind. Nur hat
man von den Kraͤften und Wirkungen der ganz fri-
ſchen Mandragorawurzeln, Blaͤtter, Fruͤchte und
Saamen anders zu urtheilen, als wenn ſie bereits

durch
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[21/0031] einen ſtaͤrkern Gebrauch gemacht, ſo wie Aber- glaube und Gewinnſucht einen ſtarken Misbrauch; ſo haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachſen- der Menge theils beſſerer Mittel, ihn weit ſeltener unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe ganz vergeſſen. Die Alten ſtanden, vor der Entdeckung und rechten Anwendung der vernuͤnftigen phyſikaliſch- chymiſchen Gruͤnde bey dem Arzeneyweſen, und aus einem beſondern Misverſtande, groͤßtentheils in den Gedanken, daß dieſe damahls, als eine ihrer nar- kotiſchen, oder berauſchenden, betaͤubenden, ſchmerz- ſtillenden und unempfindlich machenden Eigenſchaft halber, gebraͤuchliche Arzeney eine ſehr kuͤhlende Na- tur habe und daher eine erſchlaffende und ſchlaf- machende Wirkung erweiſe. Die neuern vernunft- maͤßiger handelnden Aerzte haben aus phyſikaliſch- chymiſchen und mediciniſch-praktiſchen Gruͤnden, und den aus der natuͤrlichen Grundmiſchung des Opii und anderer aͤhnlichen narcotiſchen Mittel entſprin- genden Eigenſchaften und ihrer Wirkungsart, die dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die davon herkommenden und nach den verſchiedenen Zuſtande des menſchlichen Koͤrpers abwechſelnde Veraͤnderungen oder Wirkungen in denſelben deut- licher und verſtaͤndlicher geworden ſind. Nur hat man von den Kraͤften und Wirkungen der ganz fri- ſchen Mandragorawurzeln, Blaͤtter, Fruͤchte und Saamen anders zu urtheilen, als wenn ſie bereits durch B 3

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Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/31>, abgerufen am 29.03.2024.