Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gessert, Ferdinand: Ueber den Begriff und die Wichtigkeit der Schulzucht besonders für die Volksschulen. Münster, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

diesen gemeinschaftliche Sache machen, nicht allein
weil sie auch für den Zweck der Bildung verordnet
sind und etwas dafür thun, was sie selbst nicht
geben kann, sondern weil dieselben auch so wichtig
sind für ihre eigene Bestrebungen; da das Jnnere
eines Menschen nicht anders erzogen werden kann
als in Beschäftigung nach außen hin. Sie darf
also in die materielle Beschaffenheit des Unterrichts
gar nicht einreden, wie sehr sie dadurch gebunden
wird. Aber weil sie den Unterricht für die Erzie-
hung in Anspruch nehmen und als beschäftigendes
Mittel gebrauchen muß, so bedingt sie seine formelle
Beschaffenheit auf das allerstärkste. Sie kann näm-
lich verlangen, daß alle Arbeit in der Schule nie
anders angesehen werde denn als Uebung; d. h. ihre
Wahl darf nicht beruhen auf der unbedingten Güte
eines Gegenstandes, sondern nur darauf, wie wichtig
und angemessen er demjenigen sei, welcher damit be-
schäftiget werden soll; ihre Aufgabe darf nicht sein,
daß das Geschäft schnell ausgeführt werde, sondern
daß es in einer bestimmten Ordnung und mit bestän-
diger Besonnenheit geschehe; ihre Vollkommenheit
darf nicht darin gesetzt werden, daß ein Erzeugniß
von Werth geliefert ist, sondern in wie fern der Ver-
fertiger einen genügenden Beweis gegeben hat von
seiner Anstrengung in Beobachtung der ihm bekann-
ten Regeln. Man sieht hier, wie die verschiedenen
Ansichten von der Schule und noch mehr die von
der Wichtigkeit der Disciplin in ihrer Wahrheit oder
Halbheit sich zu erkennen geben, wenn man fragt,
ob man die Genossen einer Schule halten solle für

dieſen gemeinſchaftliche Sache machen, nicht allein
weil ſie auch fuͤr den Zweck der Bildung verordnet
ſind und etwas dafuͤr thun, was ſie ſelbſt nicht
geben kann, ſondern weil dieſelben auch ſo wichtig
ſind fuͤr ihre eigene Beſtrebungen; da das Jnnere
eines Menſchen nicht anders erzogen werden kann
als in Beſchaͤftigung nach außen hin. Sie darf
alſo in die materielle Beſchaffenheit des Unterrichts
gar nicht einreden, wie ſehr ſie dadurch gebunden
wird. Aber weil ſie den Unterricht fuͤr die Erzie-
hung in Anſpruch nehmen und als beſchaͤftigendes
Mittel gebrauchen muß, ſo bedingt ſie ſeine formelle
Beſchaffenheit auf das allerſtaͤrkſte. Sie kann naͤm-
lich verlangen, daß alle Arbeit in der Schule nie
anders angeſehen werde denn als Uebung; d. h. ihre
Wahl darf nicht beruhen auf der unbedingten Guͤte
eines Gegenſtandes, ſondern nur darauf, wie wichtig
und angemeſſen er demjenigen ſei, welcher damit be-
ſchaͤftiget werden ſoll; ihre Aufgabe darf nicht ſein,
daß das Geſchaͤft ſchnell ausgefuͤhrt werde, ſondern
daß es in einer beſtimmten Ordnung und mit beſtaͤn-
diger Beſonnenheit geſchehe; ihre Vollkommenheit
darf nicht darin geſetzt werden, daß ein Erzeugniß
von Werth geliefert iſt, ſondern in wie fern der Ver-
fertiger einen genuͤgenden Beweis gegeben hat von
ſeiner Anſtrengung in Beobachtung der ihm bekann-
ten Regeln. Man ſieht hier, wie die verſchiedenen
Anſichten von der Schule und noch mehr die von
der Wichtigkeit der Diſciplin in ihrer Wahrheit oder
Halbheit ſich zu erkennen geben, wenn man fragt,
ob man die Genoſſen einer Schule halten ſolle fuͤr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="26"/>
die&#x017F;en gemein&#x017F;chaftliche Sache machen, nicht allein<lb/>
weil &#x017F;ie auch fu&#x0364;r den Zweck der Bildung verordnet<lb/>
&#x017F;ind und etwas dafu&#x0364;r thun, was &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
geben kann, &#x017F;ondern weil die&#x017F;elben auch &#x017F;o wichtig<lb/>
&#x017F;ind fu&#x0364;r ihre eigene Be&#x017F;trebungen; da das Jnnere<lb/>
eines Men&#x017F;chen nicht anders erzogen werden kann<lb/>
als in Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung nach außen hin. Sie darf<lb/>
al&#x017F;o in die materielle Be&#x017F;chaffenheit des Unterrichts<lb/>
gar nicht einreden, wie &#x017F;ehr &#x017F;ie dadurch gebunden<lb/>
wird. Aber weil &#x017F;ie den Unterricht fu&#x0364;r die Erzie-<lb/>
hung in An&#x017F;pruch nehmen und als be&#x017F;cha&#x0364;ftigendes<lb/>
Mittel gebrauchen muß, &#x017F;o bedingt &#x017F;ie &#x017F;eine formelle<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit auf das aller&#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te. Sie kann na&#x0364;m-<lb/>
lich verlangen, daß alle Arbeit in der Schule nie<lb/>
anders ange&#x017F;ehen werde denn als Uebung; d. h. ihre<lb/>
Wahl darf nicht beruhen auf der unbedingten Gu&#x0364;te<lb/>
eines Gegen&#x017F;tandes, &#x017F;ondern nur darauf, wie wichtig<lb/>
und angeme&#x017F;&#x017F;en er demjenigen &#x017F;ei, welcher damit be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftiget werden &#x017F;oll; ihre Aufgabe darf nicht &#x017F;ein,<lb/>
daß das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft &#x017F;chnell ausgefu&#x0364;hrt werde, &#x017F;ondern<lb/>
daß es in einer be&#x017F;timmten Ordnung und mit be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
diger Be&#x017F;onnenheit ge&#x017F;chehe; ihre Vollkommenheit<lb/>
darf nicht darin ge&#x017F;etzt werden, daß ein Erzeugniß<lb/>
von Werth geliefert i&#x017F;t, &#x017F;ondern in wie fern der Ver-<lb/>
fertiger einen genu&#x0364;genden Beweis gegeben hat von<lb/>
&#x017F;einer An&#x017F;trengung in Beobachtung der ihm bekann-<lb/>
ten Regeln. Man &#x017F;ieht hier, wie die ver&#x017F;chiedenen<lb/>
An&#x017F;ichten von der Schule und noch mehr die von<lb/>
der Wichtigkeit der Di&#x017F;ciplin in ihrer Wahrheit oder<lb/>
Halbheit &#x017F;ich zu erkennen geben, wenn man fragt,<lb/>
ob man die Geno&#x017F;&#x017F;en einer Schule halten &#x017F;olle fu&#x0364;r<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0034] dieſen gemeinſchaftliche Sache machen, nicht allein weil ſie auch fuͤr den Zweck der Bildung verordnet ſind und etwas dafuͤr thun, was ſie ſelbſt nicht geben kann, ſondern weil dieſelben auch ſo wichtig ſind fuͤr ihre eigene Beſtrebungen; da das Jnnere eines Menſchen nicht anders erzogen werden kann als in Beſchaͤftigung nach außen hin. Sie darf alſo in die materielle Beſchaffenheit des Unterrichts gar nicht einreden, wie ſehr ſie dadurch gebunden wird. Aber weil ſie den Unterricht fuͤr die Erzie- hung in Anſpruch nehmen und als beſchaͤftigendes Mittel gebrauchen muß, ſo bedingt ſie ſeine formelle Beſchaffenheit auf das allerſtaͤrkſte. Sie kann naͤm- lich verlangen, daß alle Arbeit in der Schule nie anders angeſehen werde denn als Uebung; d. h. ihre Wahl darf nicht beruhen auf der unbedingten Guͤte eines Gegenſtandes, ſondern nur darauf, wie wichtig und angemeſſen er demjenigen ſei, welcher damit be- ſchaͤftiget werden ſoll; ihre Aufgabe darf nicht ſein, daß das Geſchaͤft ſchnell ausgefuͤhrt werde, ſondern daß es in einer beſtimmten Ordnung und mit beſtaͤn- diger Beſonnenheit geſchehe; ihre Vollkommenheit darf nicht darin geſetzt werden, daß ein Erzeugniß von Werth geliefert iſt, ſondern in wie fern der Ver- fertiger einen genuͤgenden Beweis gegeben hat von ſeiner Anſtrengung in Beobachtung der ihm bekann- ten Regeln. Man ſieht hier, wie die verſchiedenen Anſichten von der Schule und noch mehr die von der Wichtigkeit der Diſciplin in ihrer Wahrheit oder Halbheit ſich zu erkennen geben, wenn man fragt, ob man die Genoſſen einer Schule halten ſolle fuͤr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gessert_schulzucht_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gessert_schulzucht_1826/34
Zitationshilfe: Gessert, Ferdinand: Ueber den Begriff und die Wichtigkeit der Schulzucht besonders für die Volksschulen. Münster, 1826, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessert_schulzucht_1826/34>, abgerufen am 19.04.2024.