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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Steinbahnen.
M N = E, so haben wir, wegen A E = v und B C = A, den Verlust F G = [Formel 1] ;Fig.
4.
Tab.
29.

folglich gibt uns die Proportion 2 g. t : Q = [Formel 2] , oder 2 g [Formel 3] .
Sonach ist der Widerstand, welcher den Pferden bei jeder Fuge zweier Steine begegnet,
oder die Zugkraft [Formel 4] .

Man sieht aus diesem Ausdrucke, dass die Zugkraft auf einem gepflasterten Wege
von denselben Umständen abhängig sey, als wenn bloss einzelne Steine im Wege liegen;
die Zugkraft wird nämlich gross:

1tens. Wenn das Gewicht der Ladung und des Wagens oder Q bedeutend wird.
2tens. Nimmt die Zugkraft wie das Quadrat der Geschwindigkeit, mit welcher gefahren
wird, zu.
3tens. Nimmt die Zugkraft mit dem Quadrate der Breite der Fuge zwischen zwei Stei-
nen, e2 zu.
4tens. Wird die Zugkraft vorzüglich vermindert, je grösser der Durchmesser des Rades
2 A ist, endlich
5tens. Wird die Zugkraft desto kleiner, je grösser die Entfernung E zweier Steine
von einander ist, d. h. je weniger Gruben oder Fugen zwischen den Steinen vor-
kommen.

Da hier die Zugkraft eigentlich im Quadrate des Verhältnisses der Breite der Vertie-
fungen zum Halbmesser des Rades wächst, so folgt, dass einige grosse oder tiefe Löcher
in der Strasse für die Zugkraft nachtheiliger als mehrere kleine sind, und dass man über-
haupt über dieselben Steine mit grossen Rädern leichter als mit kleinen fahre.

Eine gleiche Berechnung findet für den Fall statt, wenn ein Rad in eine Grube ein-
sinkt und auf der entgegenstehenden Seite eine feste oder steinigte Widerlage findet. In
diesem Falle ist nämlich der Widerstand auch um so grösser, je grösser die Breite der
Grube ist.

§. 535.

Auf den angeführten Grundsätzen beruht die Anlage der Steinbahnen, welche
man schon seit längerer Zeit in einigen italienischen Städten, vor mehreren Jahren in
Edinburgh und erst im Jahre 1829 in London von den ostindischen Docks bis zu
der Royal exchange in der City in einer Länge von beinahe 3 engl. Meilen ange-
legt hat. Diese Steinbahnen dienen für das schwere Fuhrwerk, welches die gewöhn-
liche Strasse theils zu sehr beschädigen, theils auch einen nicht unbedeutendenFig.
5.

Widerstand auf derselben erleiden würde; man hat daher in die gewöhnliche Strasse
zwei Reihen Quadersteine für die hingehenden, und zwei Reihen solcher Steine für
die zurückgehenden Wägen eingelegt; diese Steine sind 15 Zoll tief, wenigstens 2 Fuss
lang und 18 Zoll breit, sie sind auf gleiche Höhe mit der äussern Strasse versenkt und
liegen im Grunde auf sehr fest zusammengeschlagenen Schotter, so wie sie auch
an den zwei Seiten, wo sie mit der Strasse in Berührung kommen, vollkommen fest
verstampft werden; endlich werden zu den Steinen nur die härtesten Gattungen ge-
nommen.

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Steinbahnen.
M N = E, so haben wir, wegen A E = v und B C = A, den Verlust F G = [Formel 1] ;Fig.
4.
Tab.
29.

folglich gibt uns die Proportion 2 g. t : Q = [Formel 2] , oder 2 g [Formel 3] .
Sonach ist der Widerstand, welcher den Pferden bei jeder Fuge zweier Steine begegnet,
oder die Zugkraft [Formel 4] .

Man sieht aus diesem Ausdrucke, dass die Zugkraft auf einem gepflasterten Wege
von denselben Umständen abhängig sey, als wenn bloss einzelne Steine im Wege liegen;
die Zugkraft wird nämlich gross:

1tens. Wenn das Gewicht der Ladung und des Wagens oder Q bedeutend wird.
2tens. Nimmt die Zugkraft wie das Quadrat der Geschwindigkeit, mit welcher gefahren
wird, zu.
3tens. Nimmt die Zugkraft mit dem Quadrate der Breite der Fuge zwischen zwei Stei-
nen, e2 zu.
4tens. Wird die Zugkraft vorzüglich vermindert, je grösser der Durchmesser des Rades
2 A ist, endlich
5tens. Wird die Zugkraft desto kleiner, je grösser die Entfernung E zweier Steine
von einander ist, d. h. je weniger Gruben oder Fugen zwischen den Steinen vor-
kommen.

Da hier die Zugkraft eigentlich im Quadrate des Verhältnisses der Breite der Vertie-
fungen zum Halbmesser des Rades wächst, so folgt, dass einige grosse oder tiefe Löcher
in der Strasse für die Zugkraft nachtheiliger als mehrere kleine sind, und dass man über-
haupt über dieselben Steine mit grossen Rädern leichter als mit kleinen fahre.

Eine gleiche Berechnung findet für den Fall statt, wenn ein Rad in eine Grube ein-
sinkt und auf der entgegenstehenden Seite eine feste oder steinigte Widerlage findet. In
diesem Falle ist nämlich der Widerstand auch um so grösser, je grösser die Breite der
Grube ist.

§. 535.

Auf den angeführten Grundsätzen beruht die Anlage der Steinbahnen, welche
man schon seit längerer Zeit in einigen italienischen Städten, vor mehreren Jahren in
Edinburgh und erst im Jahre 1829 in London von den ostindischen Docks bis zu
der Royal exchange in der City in einer Länge von beinahe 3 engl. Meilen ange-
legt hat. Diese Steinbahnen dienen für das schwere Fuhrwerk, welches die gewöhn-
liche Strasse theils zu sehr beschädigen, theils auch einen nicht unbedeutendenFig.
5.

Widerstand auf derselben erleiden würde; man hat daher in die gewöhnliche Strasse
zwei Reihen Quadersteine für die hingehenden, und zwei Reihen solcher Steine für
die zurückgehenden Wägen eingelegt; diese Steine sind 15 Zoll tief, wenigstens 2 Fuss
lang und 18 Zoll breit, sie sind auf gleiche Höhe mit der äussern Strasse versenkt und
liegen im Grunde auf sehr fest zusammengeschlagenen Schotter, so wie sie auch
an den zwei Seiten, wo sie mit der Strasse in Berührung kommen, vollkommen fest
verstampft werden; endlich werden zu den Steinen nur die härtesten Gattungen ge-
nommen.

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[579/0611] Steinbahnen. M N = E, so haben wir, wegen A E = v und B C = A, den Verlust F G = [FORMEL]; folglich gibt uns die Proportion 2 g. t : Q = [FORMEL], oder 2 g [FORMEL]. Sonach ist der Widerstand, welcher den Pferden bei jeder Fuge zweier Steine begegnet, oder die Zugkraft [FORMEL]. Fig. 4. Tab. 29. Man sieht aus diesem Ausdrucke, dass die Zugkraft auf einem gepflasterten Wege von denselben Umständen abhängig sey, als wenn bloss einzelne Steine im Wege liegen; die Zugkraft wird nämlich gross: 1tens. Wenn das Gewicht der Ladung und des Wagens oder Q bedeutend wird. 2tens. Nimmt die Zugkraft wie das Quadrat der Geschwindigkeit, mit welcher gefahren wird, zu. 3tens. Nimmt die Zugkraft mit dem Quadrate der Breite der Fuge zwischen zwei Stei- nen, e2 zu. 4tens. Wird die Zugkraft vorzüglich vermindert, je grösser der Durchmesser des Rades 2 A ist, endlich 5tens. Wird die Zugkraft desto kleiner, je grösser die Entfernung E zweier Steine von einander ist, d. h. je weniger Gruben oder Fugen zwischen den Steinen vor- kommen. Da hier die Zugkraft eigentlich im Quadrate des Verhältnisses der Breite der Vertie- fungen zum Halbmesser des Rades wächst, so folgt, dass einige grosse oder tiefe Löcher in der Strasse für die Zugkraft nachtheiliger als mehrere kleine sind, und dass man über- haupt über dieselben Steine mit grossen Rädern leichter als mit kleinen fahre. Eine gleiche Berechnung findet für den Fall statt, wenn ein Rad in eine Grube ein- sinkt und auf der entgegenstehenden Seite eine feste oder steinigte Widerlage findet. In diesem Falle ist nämlich der Widerstand auch um so grösser, je grösser die Breite der Grube ist. §. 535. Auf den angeführten Grundsätzen beruht die Anlage der Steinbahnen, welche man schon seit längerer Zeit in einigen italienischen Städten, vor mehreren Jahren in Edinburgh und erst im Jahre 1829 in London von den ostindischen Docks bis zu der Royal exchange in der City in einer Länge von beinahe 3 engl. Meilen ange- legt hat. Diese Steinbahnen dienen für das schwere Fuhrwerk, welches die gewöhn- liche Strasse theils zu sehr beschädigen, theils auch einen nicht unbedeutenden Widerstand auf derselben erleiden würde; man hat daher in die gewöhnliche Strasse zwei Reihen Quadersteine für die hingehenden, und zwei Reihen solcher Steine für die zurückgehenden Wägen eingelegt; diese Steine sind 15 Zoll tief, wenigstens 2 Fuss lang und 18 Zoll breit, sie sind auf gleiche Höhe mit der äussern Strasse versenkt und liegen im Grunde auf sehr fest zusammengeschlagenen Schotter, so wie sie auch an den zwei Seiten, wo sie mit der Strasse in Berührung kommen, vollkommen fest verstampft werden; endlich werden zu den Steinen nur die härtesten Gattungen ge- nommen. Fig. 5. 73 *

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/611>, abgerufen am 29.03.2024.