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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Kräfte der Menschen.
Resultate gibt, wesshalb sich demnach die Kraftformel für einen jeden ähnlichen Fall be-
nützen lässt; d. h. so oft das Gewicht gegeben ist, welches das Militär zu tragen hat,
kann man die Weite des Weges, welcher damit zurückgelegt wird, finden, und so oft
im Gegentheile der tägliche Marsch gegeben ist, kann man berechnen, welches Gewicht
ein Soldat während desselben zu tragen im Stande ist.

§. 23.

Eine weitere Bestätigung unserer aufgestellten Kraftformel zeigt sich bei einer in
der Feldwirthschaft sehr bekannten Erfahrung. Man weiss nämlich, dass ein fleissiger
Säemann täglich eine Fläche von 15 Nied. Oesterr. Metzen (zu 533 1/3 Quadratklafter)
oder 5 Nied. Oesterr. Joch Kornfeld besäen kann. Hiebei bewirft der Säemann bei jedem
Gange ein Beet von 4 Fuss Breite; er muss daher, um eine Quadratklafter zu besäen,
einen Weg von 11/2 Längenklaftern zurücklegen. Für die ganze Fläche von 5 Joch oder
8000 Quadratklafter beträgt sonach der Weg, welchen der Säemann in einem Tage zu durch-
schreiten hat, 12000 Kurrentklafter oder 72000 Fuss.

Das Säen findet in den kürzern Tagen der Monathe März, September und Oktober
statt; die Aussaat beginnt gewöhnlich früh um 8 Uhr, dauert ununterbrochen bis 12 Uhr
Mittags, und dann von 2 bis 6 Uhr Abends; die wirkliche Arbeit beträgt daher z = 8
Stunden, und sonach ist der Weg in einer Sekunde [Formel 1] Fuss, welches also die
Geschwindigkeit seyn wird, womit der Säemann zu gehen pflegt. Derselbe trägt 1/4 Metze
Saatkorn, das, seiner bessern Qualität wegen als das gewöhnliche Korn, 20 Lb wiegt,
das Säetuch hat beiläufig 2 Lb Gewicht, er trägt daher insgesammt 22 Lb.

Wird nun diess in die Kraftformel substituirt, so ist: [Formel 2] ,
woraus sich die mittlere Kraft der zum Säen verwendeten Arbeitsleute, k = 22 Lb er-
gibt. Man kann jedoch diese mittlere Kraft auf 25 bis 30 Pfund anschlagen, weil bei
unserer Berechnung der Umstand nicht berücksichtigt ist, dass der Säemann in einem
frisch geackerten Felde schreitet, und daher weit mehr ermüdet, als ginge er auf einer
harten Strasse. Demnach stimmt auch die angeführte, in der Oekonomie bekannte Ar-
beitsleistung mit der Berechnung der Kraft nach unserer Formel überein.

§. 24.

Es ist zu bedauern, dass die Erfahrungen, welche in Bezug auf die Kräfte der Men-
schen in den meisten mechanischen Schriften angeführt sind, nicht diejenige Vollstän-
digkeit besitzen, welche zum Vergleiche mit unserer Kraftformel nöthig ist. Gewöhnlich
wird bei solchen Erfahrungen nur die Geschwindigkeit, nicht aber auch die
wirkliche Arbeitszeit angegeben, und selbst die wirklich verrichtete Arbeit ist
häufig nur unvollständig angeführt; wir können daher auch nur die wenigsten, bisher
in Schriften angegebenen Erfahrungen unserer Kraftformel genau entgegenhalten. Fol-
gende Angaben über die Kräfte der Menschen verdienen hier eine besondere Berücksich-
tigung: *)

*) Die Berechnung der Kraft der Arbeiter aus folgenden in mechanischen Schriften angeführten Erfah-
rungen setzt bereits die Kenntnisse des Hebels, der schiefen Fläche u. s. w. voraus; die Begrün-

Kräfte der Menschen.
Resultate gibt, wesshalb sich demnach die Kraftformel für einen jeden ähnlichen Fall be-
nützen lässt; d. h. so oft das Gewicht gegeben ist, welches das Militär zu tragen hat,
kann man die Weite des Weges, welcher damit zurückgelegt wird, finden, und so oft
im Gegentheile der tägliche Marsch gegeben ist, kann man berechnen, welches Gewicht
ein Soldat während desselben zu tragen im Stande ist.

§. 23.

Eine weitere Bestätigung unserer aufgestellten Kraftformel zeigt sich bei einer in
der Feldwirthschaft sehr bekannten Erfahrung. Man weiss nämlich, dass ein fleissiger
Säemann täglich eine Fläche von 15 Nied. Oesterr. Metzen (zu 533⅓ Quadratklafter)
oder 5 Nied. Oesterr. Joch Kornfeld besäen kann. Hiebei bewirft der Säemann bei jedem
Gange ein Beet von 4 Fuss Breite; er muss daher, um eine Quadratklafter zu besäen,
einen Weg von 1½ Längenklaftern zurücklegen. Für die ganze Fläche von 5 Joch oder
8000 Quadratklafter beträgt sonach der Weg, welchen der Säemann in einem Tage zu durch-
schreiten hat, 12000 Kurrentklafter oder 72000 Fuss.

Das Säen findet in den kürzern Tagen der Monathe März, September und Oktober
statt; die Aussaat beginnt gewöhnlich früh um 8 Uhr, dauert ununterbrochen bis 12 Uhr
Mittags, und dann von 2 bis 6 Uhr Abends; die wirkliche Arbeit beträgt daher z = 8
Stunden, und sonach ist der Weg in einer Sekunde [Formel 1] Fuss, welches also die
Geschwindigkeit seyn wird, womit der Säemann zu gehen pflegt. Derselbe trägt ¼ Metze
Saatkorn, das, seiner bessern Qualität wegen als das gewöhnliche Korn, 20 ℔ wiegt,
das Säetuch hat beiläufig 2 ℔ Gewicht, er trägt daher insgesammt 22 ℔.

Wird nun diess in die Kraftformel substituirt, so ist: [Formel 2] ,
woraus sich die mittlere Kraft der zum Säen verwendeten Arbeitsleute, k = 22 ℔ er-
gibt. Man kann jedoch diese mittlere Kraft auf 25 bis 30 Pfund anschlagen, weil bei
unserer Berechnung der Umstand nicht berücksichtigt ist, dass der Säemann in einem
frisch geackerten Felde schreitet, und daher weit mehr ermüdet, als ginge er auf einer
harten Strasse. Demnach stimmt auch die angeführte, in der Oekonomie bekannte Ar-
beitsleistung mit der Berechnung der Kraft nach unserer Formel überein.

§. 24.

Es ist zu bedauern, dass die Erfahrungen, welche in Bezug auf die Kräfte der Men-
schen in den meisten mechanischen Schriften angeführt sind, nicht diejenige Vollstän-
digkeit besitzen, welche zum Vergleiche mit unserer Kraftformel nöthig ist. Gewöhnlich
wird bei solchen Erfahrungen nur die Geschwindigkeit, nicht aber auch die
wirkliche Arbeitszeit angegeben, und selbst die wirklich verrichtete Arbeit ist
häufig nur unvollständig angeführt; wir können daher auch nur die wenigsten, bisher
in Schriften angegebenen Erfahrungen unserer Kraftformel genau entgegenhalten. Fol-
gende Angaben über die Kräfte der Menschen verdienen hier eine besondere Berücksich-
tigung: *)

*) Die Berechnung der Kraft der Arbeiter aus folgenden in mechanischen Schriften angeführten Erfah-
rungen setzt bereits die Kenntnisse des Hebels, der schiefen Fläche u. s. w. voraus; die Begrün-
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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/54>, abgerufen am 29.03.2024.