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Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mochte, läutete es dort zur Kirche, und er blieb stehen, stützte sich auf seinen Stecken und lauschte aufmerksam den vollen Glockentönen, die gar wundersam zu ihm herüberschallten.

Das Läuten war lange vorüber, und noch immer stand er dort und blickte träumerisch hinaus auf die Bergeshänge. Sein Geist war daheim bei den Seinen, in dem kleinen, freundlichen Dorfe am Taunusgebirge, bei seiner Mutter, bei seinen Schwestern, und es schien fast, als ob sich eine Thräne in sein Auge drängen wollte. Sein leichtes, fröhliches Herz aber ließ die trüben und schwermüthigen Gedanken nicht aufkommen. Nur den Hut nahm er ab und grüßte mit einem herzlichen Lächeln der Richtung zu, in der er die Heimath wußte, und dann fester seinen derben Stock fassend, schritt er munter die Straße entlang, der begonnenen Bahn folgend.

Die Sonne brannte indessen ziemlich warm auf den breiten, eintönigen Fahrweg nieder, auf dem der Staub in dicker Kruste lag, und unser Wanderer hatte sich schon eine Zeitlang nach rechts und links umgeschaut, ob er nirgend einen bequemeren Fußpfad entdecken könne. Rechts zweigte allerdings einmal ein Weg ab, der ihm aber keine Besserung versprach und auch zu weit aus seiner Richtung führte; er behielt also den alten noch eine Zeitlang bei, bis er endlich an ein klares Bergwasser kam, an dem er die Trümmer einer alten, steinernen Brücke erkennen konnte. Drüben hin lief ein Rasenweg, der in den Grund hineinführte, doch mit keinem bestimm-

mochte, läutete es dort zur Kirche, und er blieb stehen, stützte sich auf seinen Stecken und lauschte aufmerksam den vollen Glockentönen, die gar wundersam zu ihm herüberschallten.

Das Läuten war lange vorüber, und noch immer stand er dort und blickte träumerisch hinaus auf die Bergeshänge. Sein Geist war daheim bei den Seinen, in dem kleinen, freundlichen Dorfe am Taunusgebirge, bei seiner Mutter, bei seinen Schwestern, und es schien fast, als ob sich eine Thräne in sein Auge drängen wollte. Sein leichtes, fröhliches Herz aber ließ die trüben und schwermüthigen Gedanken nicht aufkommen. Nur den Hut nahm er ab und grüßte mit einem herzlichen Lächeln der Richtung zu, in der er die Heimath wußte, und dann fester seinen derben Stock fassend, schritt er munter die Straße entlang, der begonnenen Bahn folgend.

Die Sonne brannte indessen ziemlich warm auf den breiten, eintönigen Fahrweg nieder, auf dem der Staub in dicker Kruste lag, und unser Wanderer hatte sich schon eine Zeitlang nach rechts und links umgeschaut, ob er nirgend einen bequemeren Fußpfad entdecken könne. Rechts zweigte allerdings einmal ein Weg ab, der ihm aber keine Besserung versprach und auch zu weit aus seiner Richtung führte; er behielt also den alten noch eine Zeitlang bei, bis er endlich an ein klares Bergwasser kam, an dem er die Trümmer einer alten, steinernen Brücke erkennen konnte. Drüben hin lief ein Rasenweg, der in den Grund hineinführte, doch mit keinem bestimm-

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[0008] mochte, läutete es dort zur Kirche, und er blieb stehen, stützte sich auf seinen Stecken und lauschte aufmerksam den vollen Glockentönen, die gar wundersam zu ihm herüberschallten. Das Läuten war lange vorüber, und noch immer stand er dort und blickte träumerisch hinaus auf die Bergeshänge. Sein Geist war daheim bei den Seinen, in dem kleinen, freundlichen Dorfe am Taunusgebirge, bei seiner Mutter, bei seinen Schwestern, und es schien fast, als ob sich eine Thräne in sein Auge drängen wollte. Sein leichtes, fröhliches Herz aber ließ die trüben und schwermüthigen Gedanken nicht aufkommen. Nur den Hut nahm er ab und grüßte mit einem herzlichen Lächeln der Richtung zu, in der er die Heimath wußte, und dann fester seinen derben Stock fassend, schritt er munter die Straße entlang, der begonnenen Bahn folgend. Die Sonne brannte indessen ziemlich warm auf den breiten, eintönigen Fahrweg nieder, auf dem der Staub in dicker Kruste lag, und unser Wanderer hatte sich schon eine Zeitlang nach rechts und links umgeschaut, ob er nirgend einen bequemeren Fußpfad entdecken könne. Rechts zweigte allerdings einmal ein Weg ab, der ihm aber keine Besserung versprach und auch zu weit aus seiner Richtung führte; er behielt also den alten noch eine Zeitlang bei, bis er endlich an ein klares Bergwasser kam, an dem er die Trümmer einer alten, steinernen Brücke erkennen konnte. Drüben hin lief ein Rasenweg, der in den Grund hineinführte, doch mit keinem bestimm-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:22:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:22:05Z)

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Zitationshilfe: Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstaecker_germelshausen_1910/8>, abgerufen am 25.04.2024.