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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Erster Abschnitt. Geschichtliches.
liegenden Schiffe in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1877
machten. Zwei der Boote gebrauchten diesmal, und zwar zum
ersten Mal in diesem Kriege, Whiteheadtorpedos. Auf Schußentfernung
angelangt, ohne bemerkt zu werden, wurden die Torpedos lanzirt.

Ein Erfolg trat nicht ein, obgleich ein Torpedo in der Nähe
des türkischen Schiffes "Avni-Illah" explodirte. Der zweite Torpedo
war auf Strand gelaufen und wurde von den Türken gefunden.
Von dem explodirten Torpedo fand sich ebenfalls ein Theil am
Strande.

Bemerkenswerth ist es, daß die Boote, während sie sich zurück-
zogen, beinahe ihr eigenes Stammschiff, den "Constantin", der ihnen
gefolgt war, angegriffen hätten.

Der Mißerfolg kann nicht überraschen, wenn man bedenkt, daß
eine Erfahrung in der Behandlung der Whiteheadtorpedos noch nicht
vorhanden und daß die Montirung der Ausstoßrohre eine höchst
primitive war. Auf dem Boote "Tschesme" war das Lanzirrohr
unter dem Kiel befestigt worden. Das zweite Ausstoß- oder Lanzir-
rohr war auf einem Floße aufgestellt, welches von dem Boote
"Sinope" geschleppt wurde.

Bei den türkischen Schiffen befand sich auch die "Mamudieh",
welche die Flagge des Admirals Hobart Pascha führte.

Batum (dritter Fall). In der Nacht vom 25. zum 26. Januar
1878 erfolgte in diesem Kriege der letzte Angriff der Boote des
"Constantin" auf die in Batum liegende türkische Flotte. Den
Booten "Tschesme" und "Sinope" gelang es, mit zwei Whitehead-
torpedos einen türkischen Aviso zum Sinken zu bringen. Dieses
ist mithin der erste Fall, in dem sich der Whiteheadtorpedo
im Kriege bewährt hat
.

Die nächsten Kriegsereignisse, bei denen der Torpedo eine Rolle
gespielt hat, fanden an der Westküste Südamerikas statt.

Im chilenisch-peruanischen Kriege 1879 bis 1881 wurden von
den Peruanern verschiedene Arten von Torpedos und Torpedobooten
nordamerikanischer Konstruktion gebraucht, da die Zufuhr europäischen
Kriegsmaterials von den Chilenen verhindert wurde. Ja sogar die
infernalische Maschine trat wieder in Erscheinung. Am 3. Juli 1880
ließen die Peruaner auf der Rhede von Callao ein Küstenfahrzeug
treiben, dessen Ladung aus Lebensmitteln bestand, aber auch eine

Erſter Abſchnitt. Geſchichtliches.
liegenden Schiffe in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1877
machten. Zwei der Boote gebrauchten diesmal, und zwar zum
erſten Mal in dieſem Kriege, Whiteheadtorpedos. Auf Schußentfernung
angelangt, ohne bemerkt zu werden, wurden die Torpedos lanzirt.

Ein Erfolg trat nicht ein, obgleich ein Torpedo in der Nähe
des türkiſchen Schiffes „Avni-Illah“ explodirte. Der zweite Torpedo
war auf Strand gelaufen und wurde von den Türken gefunden.
Von dem explodirten Torpedo fand ſich ebenfalls ein Theil am
Strande.

Bemerkenswerth iſt es, daß die Boote, während ſie ſich zurück-
zogen, beinahe ihr eigenes Stammſchiff, den „Conſtantin“, der ihnen
gefolgt war, angegriffen hätten.

Der Mißerfolg kann nicht überraſchen, wenn man bedenkt, daß
eine Erfahrung in der Behandlung der Whiteheadtorpedos noch nicht
vorhanden und daß die Montirung der Ausſtoßrohre eine höchſt
primitive war. Auf dem Boote „Tſchesmé“ war das Lanzirrohr
unter dem Kiel befeſtigt worden. Das zweite Ausſtoß- oder Lanzir-
rohr war auf einem Floße aufgeſtellt, welches von dem Boote
„Sinope“ geſchleppt wurde.

Bei den türkiſchen Schiffen befand ſich auch die „Mamudieh“,
welche die Flagge des Admirals Hobart Paſcha führte.

Batum (dritter Fall). In der Nacht vom 25. zum 26. Januar
1878 erfolgte in dieſem Kriege der letzte Angriff der Boote des
„Conſtantin“ auf die in Batum liegende türkiſche Flotte. Den
Booten „Tſchesmé“ und „Sinope“ gelang es, mit zwei Whitehead-
torpedos einen türkiſchen Aviſo zum Sinken zu bringen. Dieſes
iſt mithin der erſte Fall, in dem ſich der Whiteheadtorpedo
im Kriege bewährt hat
.

Die nächſten Kriegsereigniſſe, bei denen der Torpedo eine Rolle
geſpielt hat, fanden an der Weſtküſte Südamerikas ſtatt.

Im chileniſch-peruaniſchen Kriege 1879 bis 1881 wurden von
den Peruanern verſchiedene Arten von Torpedos und Torpedobooten
nordamerikaniſcher Konſtruktion gebraucht, da die Zufuhr europäiſchen
Kriegsmaterials von den Chilenen verhindert wurde. Ja ſogar die
infernaliſche Maſchine trat wieder in Erſcheinung. Am 3. Juli 1880
ließen die Peruaner auf der Rhede von Callao ein Küſtenfahrzeug
treiben, deſſen Ladung aus Lebensmitteln beſtand, aber auch eine

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[18/0032] Erſter Abſchnitt. Geſchichtliches. liegenden Schiffe in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1877 machten. Zwei der Boote gebrauchten diesmal, und zwar zum erſten Mal in dieſem Kriege, Whiteheadtorpedos. Auf Schußentfernung angelangt, ohne bemerkt zu werden, wurden die Torpedos lanzirt. Ein Erfolg trat nicht ein, obgleich ein Torpedo in der Nähe des türkiſchen Schiffes „Avni-Illah“ explodirte. Der zweite Torpedo war auf Strand gelaufen und wurde von den Türken gefunden. Von dem explodirten Torpedo fand ſich ebenfalls ein Theil am Strande. Bemerkenswerth iſt es, daß die Boote, während ſie ſich zurück- zogen, beinahe ihr eigenes Stammſchiff, den „Conſtantin“, der ihnen gefolgt war, angegriffen hätten. Der Mißerfolg kann nicht überraſchen, wenn man bedenkt, daß eine Erfahrung in der Behandlung der Whiteheadtorpedos noch nicht vorhanden und daß die Montirung der Ausſtoßrohre eine höchſt primitive war. Auf dem Boote „Tſchesmé“ war das Lanzirrohr unter dem Kiel befeſtigt worden. Das zweite Ausſtoß- oder Lanzir- rohr war auf einem Floße aufgeſtellt, welches von dem Boote „Sinope“ geſchleppt wurde. Bei den türkiſchen Schiffen befand ſich auch die „Mamudieh“, welche die Flagge des Admirals Hobart Paſcha führte. Batum (dritter Fall). In der Nacht vom 25. zum 26. Januar 1878 erfolgte in dieſem Kriege der letzte Angriff der Boote des „Conſtantin“ auf die in Batum liegende türkiſche Flotte. Den Booten „Tſchesmé“ und „Sinope“ gelang es, mit zwei Whitehead- torpedos einen türkiſchen Aviſo zum Sinken zu bringen. Dieſes iſt mithin der erſte Fall, in dem ſich der Whiteheadtorpedo im Kriege bewährt hat. Die nächſten Kriegsereigniſſe, bei denen der Torpedo eine Rolle geſpielt hat, fanden an der Weſtküſte Südamerikas ſtatt. Im chileniſch-peruaniſchen Kriege 1879 bis 1881 wurden von den Peruanern verſchiedene Arten von Torpedos und Torpedobooten nordamerikaniſcher Konſtruktion gebraucht, da die Zufuhr europäiſchen Kriegsmaterials von den Chilenen verhindert wurde. Ja ſogar die infernaliſche Maſchine trat wieder in Erſcheinung. Am 3. Juli 1880 ließen die Peruaner auf der Rhede von Callao ein Küſtenfahrzeug treiben, deſſen Ladung aus Lebensmitteln beſtand, aber auch eine

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/32>, abgerufen am 16.04.2024.