Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G**
zu sehr um mich. Mir fehlt zur Erleicht-
rung meines Elendes nichts, als die Nachricht
von euch und meinem lieben Freunde R**
Erlauben es eure Umstände: so überschickt
mir einen Wechsel, ob ich vielleicht dadurch
meine Zürückkunft bewerkstelligen kann. Jch
bin seit meinem Arreste von allem entblößt ge-
wesen. Jch habe alle Beschwerlichkeiten aus-
gestanden, die einem Gefangenen auf einem
Wege von mehr als hundert Meilen begegnen
können. Eben der kümmerliche Proviant,
der noch etliche hundert gemeine Mitgefange-
ne gesättiget hat, ist die ganze Zeit über gut
genug für mich gewesen. Die Erbitterung
der Russen gegen die Schwedische Nation, hat
uns das Elend, gefangen zu seyn, am beschwer-
lichsten gemacht. Sie nennen ihre Sorglo-
sigkeit gegen uns, ihre Unempfindlichkeit ge-
gen unsere Klagen, eine gerechte Vergeltung
für das barbarische Bezeigen, womit unser
König, wie sie sagen, den gefangnen Russen
begegnen ließ. Das Schrecklichste, was wir,
nachdem wir über die Pohlnischen Grenzen wa-
ren, erfahren haben, ist der Mangel an fri-
schem Wasser gewesen, weil wir oft um die
Moräste zu umgehn, einen Umweg durch san-
digte Gegenden nehmen mußten.

Mein
A 5

Graͤfinn von G**
zu ſehr um mich. Mir fehlt zur Erleicht-
rung meines Elendes nichts, als die Nachricht
von euch und meinem lieben Freunde R**
Erlauben es eure Umſtaͤnde: ſo uͤberſchickt
mir einen Wechſel, ob ich vielleicht dadurch
meine Zuͤruͤckkunft bewerkſtelligen kann. Jch
bin ſeit meinem Arreſte von allem entbloͤßt ge-
weſen. Jch habe alle Beſchwerlichkeiten aus-
geſtanden, die einem Gefangenen auf einem
Wege von mehr als hundert Meilen begegnen
koͤnnen. Eben der kuͤmmerliche Proviant,
der noch etliche hundert gemeine Mitgefange-
ne geſaͤttiget hat, iſt die ganze Zeit uͤber gut
genug fuͤr mich geweſen. Die Erbitterung
der Ruſſen gegen die Schwediſche Nation, hat
uns das Elend, gefangen zu ſeyn, am beſchwer-
lichſten gemacht. Sie nennen ihre Sorglo-
ſigkeit gegen uns, ihre Unempfindlichkeit ge-
gen unſere Klagen, eine gerechte Vergeltung
fuͤr das barbariſche Bezeigen, womit unſer
Koͤnig, wie ſie ſagen, den gefangnen Ruſſen
begegnen ließ. Das Schrecklichſte, was wir,
nachdem wir uͤber die Pohlniſchen Grenzen wa-
ren, erfahren haben, iſt der Mangel an fri-
ſchem Waſſer geweſen, weil wir oft um die
Moraͤſte zu umgehn, einen Umweg durch ſan-
digte Gegenden nehmen mußten.

Mein
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0007" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gra&#x0364;finn von G**</hi></fw><lb/>
zu &#x017F;ehr um mich. Mir fehlt zur Erleicht-<lb/>
rung meines Elendes nichts, als die Nachricht<lb/>
von euch und meinem lieben Freunde R**<lb/>
Erlauben es eure Um&#x017F;ta&#x0364;nde: &#x017F;o u&#x0364;ber&#x017F;chickt<lb/>
mir einen Wech&#x017F;el, ob ich vielleicht dadurch<lb/>
meine Zu&#x0364;ru&#x0364;ckkunft bewerk&#x017F;telligen kann. Jch<lb/>
bin &#x017F;eit meinem Arre&#x017F;te von allem entblo&#x0364;ßt ge-<lb/>
we&#x017F;en. Jch habe alle Be&#x017F;chwerlichkeiten aus-<lb/>
ge&#x017F;tanden, die einem Gefangenen auf einem<lb/>
Wege von mehr als hundert Meilen begegnen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Eben der ku&#x0364;mmerliche Proviant,<lb/>
der noch etliche hundert gemeine Mitgefange-<lb/>
ne ge&#x017F;a&#x0364;ttiget hat, i&#x017F;t die ganze Zeit u&#x0364;ber gut<lb/>
genug fu&#x0364;r mich gewe&#x017F;en. Die Erbitterung<lb/>
der Ru&#x017F;&#x017F;en gegen die Schwedi&#x017F;che Nation, hat<lb/>
uns das Elend, gefangen zu &#x017F;eyn, am be&#x017F;chwer-<lb/>
lich&#x017F;ten gemacht. Sie nennen ihre Sorglo-<lb/>
&#x017F;igkeit gegen uns, ihre Unempfindlichkeit ge-<lb/>
gen un&#x017F;ere Klagen, eine gerechte Vergeltung<lb/>
fu&#x0364;r das barbari&#x017F;che Bezeigen, womit un&#x017F;er<lb/>
Ko&#x0364;nig, wie &#x017F;ie &#x017F;agen, den gefangnen Ru&#x017F;&#x017F;en<lb/>
begegnen ließ. Das Schrecklich&#x017F;te, was wir,<lb/>
nachdem wir u&#x0364;ber die Pohlni&#x017F;chen Grenzen wa-<lb/>
ren, erfahren haben, i&#x017F;t der Mangel an fri-<lb/>
&#x017F;chem Wa&#x017F;&#x017F;er gewe&#x017F;en, weil wir oft um die<lb/>
Mora&#x0364;&#x017F;te zu umgehn, einen Umweg durch &#x017F;an-<lb/>
digte Gegenden nehmen mußten.</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">A 5</fw>
      <fw place="bottom" type="catch">Mein</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0007] Graͤfinn von G** zu ſehr um mich. Mir fehlt zur Erleicht- rung meines Elendes nichts, als die Nachricht von euch und meinem lieben Freunde R** Erlauben es eure Umſtaͤnde: ſo uͤberſchickt mir einen Wechſel, ob ich vielleicht dadurch meine Zuͤruͤckkunft bewerkſtelligen kann. Jch bin ſeit meinem Arreſte von allem entbloͤßt ge- weſen. Jch habe alle Beſchwerlichkeiten aus- geſtanden, die einem Gefangenen auf einem Wege von mehr als hundert Meilen begegnen koͤnnen. Eben der kuͤmmerliche Proviant, der noch etliche hundert gemeine Mitgefange- ne geſaͤttiget hat, iſt die ganze Zeit uͤber gut genug fuͤr mich geweſen. Die Erbitterung der Ruſſen gegen die Schwediſche Nation, hat uns das Elend, gefangen zu ſeyn, am beſchwer- lichſten gemacht. Sie nennen ihre Sorglo- ſigkeit gegen uns, ihre Unempfindlichkeit ge- gen unſere Klagen, eine gerechte Vergeltung fuͤr das barbariſche Bezeigen, womit unſer Koͤnig, wie ſie ſagen, den gefangnen Ruſſen begegnen ließ. Das Schrecklichſte, was wir, nachdem wir uͤber die Pohlniſchen Grenzen wa- ren, erfahren haben, iſt der Mangel an fri- ſchem Waſſer geweſen, weil wir oft um die Moraͤſte zu umgehn, einen Umweg durch ſan- digte Gegenden nehmen mußten. Mein A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/7
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/7>, abgerufen am 25.04.2024.