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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Jch bin gegen das Elend, das der Graf
in Rußland ausgestanden, zu em-
pfindlich, als daß ichs nach seiner
Länge erzählen und in eine gewisse
Ordnung bringen sollte. Allein ich brauche
auch diese betrübte Mühe nicht. Jch habe
ein halb Jahr nach seiner Zurückkunft noch
zween von denen Briefen erhalten, die er in
seiner Gefangenschaft an mich geschrieben.
Den einen hatte er an einen Geistlichen, auf
seinen Gütern in Liefland, addreßiret, der aber
nichts von meinem Auffenthalte erfahren kön-
nen. Den andern brachte mir ein Jude, wie
man in dem Verfolge der Erzählung sehen
wird. Diese Briefe enthalten den größten
Theil von dem, was ihm in Moskau und
Siberien begegnet ist. Jch will sie also un-
verändert hier einrücken. Es ist immer, als
wenn man mehr Antheil an einer Begebenheit
nähme, wenn sie der selbst erzählet, dem sie
zugestoßen ist. Sie werden über dieses den
edlen Charakter des Grafen und seine bestän-
dige Liebe gegen mich in ein grösser Licht setzen.

Wie


Jch bin gegen das Elend, das der Graf
in Rußland ausgeſtanden, zu em-
pfindlich, als daß ichs nach ſeiner
Laͤnge erzaͤhlen und in eine gewiſſe
Ordnung bringen ſollte. Allein ich brauche
auch dieſe betruͤbte Muͤhe nicht. Jch habe
ein halb Jahr nach ſeiner Zuruͤckkunft noch
zween von denen Briefen erhalten, die er in
ſeiner Gefangenſchaft an mich geſchrieben.
Den einen hatte er an einen Geiſtlichen, auf
ſeinen Guͤtern in Liefland, addreßiret, der aber
nichts von meinem Auffenthalte erfahren koͤn-
nen. Den andern brachte mir ein Jude, wie
man in dem Verfolge der Erzaͤhlung ſehen
wird. Dieſe Briefe enthalten den groͤßten
Theil von dem, was ihm in Moskau und
Siberien begegnet iſt. Jch will ſie alſo un-
veraͤndert hier einruͤcken. Es iſt immer, als
wenn man mehr Antheil an einer Begebenheit
naͤhme, wenn ſie der ſelbſt erzaͤhlet, dem ſie
zugeſtoßen iſt. Sie werden uͤber dieſes den
edlen Charakter des Grafen und ſeine beſtaͤn-
dige Liebe gegen mich in ein groͤſſer Licht ſetzen.

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[[3]/0003] Jch bin gegen das Elend, das der Graf in Rußland ausgeſtanden, zu em- pfindlich, als daß ichs nach ſeiner Laͤnge erzaͤhlen und in eine gewiſſe Ordnung bringen ſollte. Allein ich brauche auch dieſe betruͤbte Muͤhe nicht. Jch habe ein halb Jahr nach ſeiner Zuruͤckkunft noch zween von denen Briefen erhalten, die er in ſeiner Gefangenſchaft an mich geſchrieben. Den einen hatte er an einen Geiſtlichen, auf ſeinen Guͤtern in Liefland, addreßiret, der aber nichts von meinem Auffenthalte erfahren koͤn- nen. Den andern brachte mir ein Jude, wie man in dem Verfolge der Erzaͤhlung ſehen wird. Dieſe Briefe enthalten den groͤßten Theil von dem, was ihm in Moskau und Siberien begegnet iſt. Jch will ſie alſo un- veraͤndert hier einruͤcken. Es iſt immer, als wenn man mehr Antheil an einer Begebenheit naͤhme, wenn ſie der ſelbſt erzaͤhlet, dem ſie zugeſtoßen iſt. Sie werden uͤber dieſes den edlen Charakter des Grafen und ſeine beſtaͤn- dige Liebe gegen mich in ein groͤſſer Licht ſetzen. Wie

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/3>, abgerufen am 25.04.2024.