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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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gerungen zu ziehen. Die Rhetorik wird dann ihren
Geist methodisch machen, sie werden die Kunst lernen,
ihre Ideen zu ordnen, sie zu verbinden, eine an die an-
dre zu knüpfen, auch glückliche, unmerkliche und na-
türliche Uebergänge von einer zur andern zu finden.
Sie werden ihren Styl allemal dem Gegenstande an-
gemessen einrichten, nur an schicklichen Orten Figuren
gebrauchen, sowohl um die Monotonie des Styls zu
unterbrechen, als auch Blumen über die Stellen auszu-
streuen, die derselben fähig sind. Sie werden sich be-
sonders vor dem Fehler hüten, zwey Metaphern mitein-
ander zu verwirren, welches den Sinn nothwendig
dunkel und zweydeutig machen muß. Noch wird die
Rhetorik sie lehren, eine Auswahl von Worten zu ma-
chen, wie sie sich für das Auditorium schickt, an das sie
gerichtet sind. Sie werden lernen, wie sie die Gemü-
ther einnehmen, wie sie gefallen, rühren, Unwillen oder
Mitleiden erregen, überreden, und alle Stimmen ge-
winnen können. Sie werden dann empfinden, wie
göttlich die Kunst sey, mit der man blos durch den ge-
schickten Gebrauch der Worte, ohne Gewalt und Zwang,
die Seelen und Herzen beherrschen, und in einer zahl-
reichen Versammlung die Leidenschaften erregen kann,
von denen man sie eingenommen wissen will.

Wären die guten Schriftsteller der Alten und
Nachbarn einmal übersetzt, so würde ich ihre Lektüre
als eine nothwendige und höchst wichtige Sache em-

pfehlen.

gerungen zu ziehen. Die Rhetorik wird dann ihren
Geiſt methodiſch machen, ſie werden die Kunſt lernen,
ihre Ideen zu ordnen, ſie zu verbinden, eine an die an-
dre zu knuͤpfen, auch gluͤckliche, unmerkliche und na-
tuͤrliche Uebergaͤnge von einer zur andern zu finden.
Sie werden ihren Styl allemal dem Gegenſtande an-
gemeſſen einrichten, nur an ſchicklichen Orten Figuren
gebrauchen, ſowohl um die Monotonie des Styls zu
unterbrechen, als auch Blumen uͤber die Stellen auszu-
ſtreuen, die derſelben faͤhig ſind. Sie werden ſich be-
ſonders vor dem Fehler huͤten, zwey Metaphern mitein-
ander zu verwirren, welches den Sinn nothwendig
dunkel und zweydeutig machen muß. Noch wird die
Rhetorik ſie lehren, eine Auswahl von Worten zu ma-
chen, wie ſie ſich fuͤr das Auditorium ſchickt, an das ſie
gerichtet ſind. Sie werden lernen, wie ſie die Gemuͤ-
ther einnehmen, wie ſie gefallen, ruͤhren, Unwillen oder
Mitleiden erregen, uͤberreden, und alle Stimmen ge-
winnen koͤnnen. Sie werden dann empfinden, wie
goͤttlich die Kunſt ſey, mit der man blos durch den ge-
ſchickten Gebrauch der Worte, ohne Gewalt und Zwang,
die Seelen und Herzen beherrſchen, und in einer zahl-
reichen Verſammlung die Leidenſchaften erregen kann,
von denen man ſie eingenommen wiſſen will.

Waͤren die guten Schriftſteller der Alten und
Nachbarn einmal uͤberſetzt, ſo wuͤrde ich ihre Lektuͤre
als eine nothwendige und hoͤchſt wichtige Sache em-

pfehlen.
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[32/0038] gerungen zu ziehen. Die Rhetorik wird dann ihren Geiſt methodiſch machen, ſie werden die Kunſt lernen, ihre Ideen zu ordnen, ſie zu verbinden, eine an die an- dre zu knuͤpfen, auch gluͤckliche, unmerkliche und na- tuͤrliche Uebergaͤnge von einer zur andern zu finden. Sie werden ihren Styl allemal dem Gegenſtande an- gemeſſen einrichten, nur an ſchicklichen Orten Figuren gebrauchen, ſowohl um die Monotonie des Styls zu unterbrechen, als auch Blumen uͤber die Stellen auszu- ſtreuen, die derſelben faͤhig ſind. Sie werden ſich be- ſonders vor dem Fehler huͤten, zwey Metaphern mitein- ander zu verwirren, welches den Sinn nothwendig dunkel und zweydeutig machen muß. Noch wird die Rhetorik ſie lehren, eine Auswahl von Worten zu ma- chen, wie ſie ſich fuͤr das Auditorium ſchickt, an das ſie gerichtet ſind. Sie werden lernen, wie ſie die Gemuͤ- ther einnehmen, wie ſie gefallen, ruͤhren, Unwillen oder Mitleiden erregen, uͤberreden, und alle Stimmen ge- winnen koͤnnen. Sie werden dann empfinden, wie goͤttlich die Kunſt ſey, mit der man blos durch den ge- ſchickten Gebrauch der Worte, ohne Gewalt und Zwang, die Seelen und Herzen beherrſchen, und in einer zahl- reichen Verſammlung die Leidenſchaften erregen kann, von denen man ſie eingenommen wiſſen will. Waͤren die guten Schriftſteller der Alten und Nachbarn einmal uͤberſetzt, ſo wuͤrde ich ihre Lektuͤre als eine nothwendige und hoͤchſt wichtige Sache em- pfehlen.

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/38>, abgerufen am 29.03.2024.