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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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tarien des Cäsars, den Sallust, Tacitus, und die Ar-
tem poeticam
des Horaz; von den Franzosen aber die
Pensees de Rochefoucault, die Lettres Persanes, den
Esprit des Loix empfehlen. Die Schriften, welche
ich hier vorschlage, sind in einem kurzen, sententiösen
Styl geschrieben, werden also ihre Uebersetzer zwin-
gen, müssige Phrasen und unnütze Worte zu meiden.
Unsre Schriftsteller werden allen ihren Scharfsinn an-
wenden müssen, um ihre Ideen gedrängt und kurz zu-
sammen zu ziehn, und dadurch ihrer Uebersetzung eben
die Stärke zu geben, die man in den Originalen be-
wundert. Doch müssen sie bey ihrer Bemühung, mit
Energie zu schreiben, sich auch wohl hüten, daß sie nicht
dunkel werden. Immer müssen sie sich erinnern, daß
Deutlichkeit die erste Pflicht jedes Schriftstellers sey;
sich daher nie von den Vorschriften der Grammatik ent-
fernen, sondern die Worte, welche die Phrasen regie-
ren, so stellen, daß niemals eine Zweydeutigkeit dar-
aus entstehn könne. Uebersetzungen dieser Art würden
dann die Muster seyn, nach welchen unsre Schriftstel-
ler bey ihren eignen Arbeiten sich bilden könnten. Als-
dann dürften wir uns schmeicheln, die Vorschrift be-
folgt zu haben, welche Horatz in seiner Arte poetica
den Schriftstellern giebt: Tot verba, tot pondera.

Eine noch weit schwerere Bemühung aber würde
es seyn, die harten Töne sanfter zu machen, die wir
noch so häufig in unsrer Sprache antreffen. Die Vo-

kale

tarien des Caͤſars, den Salluſt, Tacitus, und die Ar-
tem poeticam
des Horaz; von den Franzoſen aber die
Penſées de Rochefoucault, die Lettres Perſanes, den
Eſprit des Loix empfehlen. Die Schriften, welche
ich hier vorſchlage, ſind in einem kurzen, ſententioͤſen
Styl geſchrieben, werden alſo ihre Ueberſetzer zwin-
gen, muͤſſige Phraſen und unnuͤtze Worte zu meiden.
Unſre Schriftſteller werden allen ihren Scharfſinn an-
wenden muͤſſen, um ihre Ideen gedraͤngt und kurz zu-
ſammen zu ziehn, und dadurch ihrer Ueberſetzung eben
die Staͤrke zu geben, die man in den Originalen be-
wundert. Doch muͤſſen ſie bey ihrer Bemuͤhung, mit
Energie zu ſchreiben, ſich auch wohl huͤten, daß ſie nicht
dunkel werden. Immer muͤſſen ſie ſich erinnern, daß
Deutlichkeit die erſte Pflicht jedes Schriftſtellers ſey;
ſich daher nie von den Vorſchriften der Grammatik ent-
fernen, ſondern die Worte, welche die Phraſen regie-
ren, ſo ſtellen, daß niemals eine Zweydeutigkeit dar-
aus entſtehn koͤnne. Ueberſetzungen dieſer Art wuͤrden
dann die Muſter ſeyn, nach welchen unſre Schriftſtel-
ler bey ihren eignen Arbeiten ſich bilden koͤnnten. Als-
dann duͤrften wir uns ſchmeicheln, die Vorſchrift be-
folgt zu haben, welche Horatz in ſeiner Arte poetica
den Schriftſtellern giebt: Tot verba, tot pondera.

Eine noch weit ſchwerere Bemuͤhung aber wuͤrde
es ſeyn, die harten Toͤne ſanfter zu machen, die wir
noch ſo haͤufig in unſrer Sprache antreffen. Die Vo-

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[28/0034] tarien des Caͤſars, den Salluſt, Tacitus, und die Ar- tem poeticam des Horaz; von den Franzoſen aber die Penſées de Rochefoucault, die Lettres Perſanes, den Eſprit des Loix empfehlen. Die Schriften, welche ich hier vorſchlage, ſind in einem kurzen, ſententioͤſen Styl geſchrieben, werden alſo ihre Ueberſetzer zwin- gen, muͤſſige Phraſen und unnuͤtze Worte zu meiden. Unſre Schriftſteller werden allen ihren Scharfſinn an- wenden muͤſſen, um ihre Ideen gedraͤngt und kurz zu- ſammen zu ziehn, und dadurch ihrer Ueberſetzung eben die Staͤrke zu geben, die man in den Originalen be- wundert. Doch muͤſſen ſie bey ihrer Bemuͤhung, mit Energie zu ſchreiben, ſich auch wohl huͤten, daß ſie nicht dunkel werden. Immer muͤſſen ſie ſich erinnern, daß Deutlichkeit die erſte Pflicht jedes Schriftſtellers ſey; ſich daher nie von den Vorſchriften der Grammatik ent- fernen, ſondern die Worte, welche die Phraſen regie- ren, ſo ſtellen, daß niemals eine Zweydeutigkeit dar- aus entſtehn koͤnne. Ueberſetzungen dieſer Art wuͤrden dann die Muſter ſeyn, nach welchen unſre Schriftſtel- ler bey ihren eignen Arbeiten ſich bilden koͤnnten. Als- dann duͤrften wir uns ſchmeicheln, die Vorſchrift be- folgt zu haben, welche Horatz in ſeiner Arte poetica den Schriftſtellern giebt: Tot verba, tot pondera. Eine noch weit ſchwerere Bemuͤhung aber wuͤrde es ſeyn, die harten Toͤne ſanfter zu machen, die wir noch ſo haͤufig in unſrer Sprache antreffen. Die Vo- kale

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/34>, abgerufen am 28.03.2024.