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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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tins, oder der Hildegard, der Gemahlinn oder Mai-
tresse Carl des Großen,
nicht genau auseinander zu setzen
weiß. Der Lehrer der Geschichte muß nur das lehren,
was zu wissen nöthig ist, und das übrige übergehn.
Vielleicht finden Sie meine Kritik zu strenge? "Nichts,
werden Sie sagen, "ist hienieden in unsrer Welt
"ganz vollkommen, und unsre Sprache, unsre Schu-
"len und Universitäten haben also das Recht, es auch
"nicht zu seyn. Die Kritik; könnten Sie hinzusetzen,
"ist eine leichte Sache, aber die Kunst ist schwer; man
"müsse sich nicht begnügen, blos die Fehler anzuzeigen,
"sondern auch die Regeln, die man befolgen sollte, um
"es besser zu machen, angeben." Ich gestehe die Rich-
tigkeit Ihrer Forderung ein, m. H. und bin ganz ge-
neigt Sie zu befriedigen. Eben die Mittel, dünkt
mich, durch welche andre Nationen zur Vollkommen-
heit gelangt sind, haben wir auch, und es käme nur
darauf an, sie anzuwenden. Ich habe schon seit vieler
Zeit in meinen müßigen Stunden diese Materien durch-
gedacht; sie sind mir also gegenwärtig genug, daß ich
sie hier auseinandersetzen und Ihrem erleuchtetem Ur-
theil vorlegen kann; es versteht sich von selbst, daß ich
keinen Anspruch darauf mache, in meinen Grundsätzen
unfehlbar zu seyn.

Lassen Sie uns wieder bey der deutschen Sprache
anfangen, die nach meiner Beschuldigung, verwirrt
und schwer zu bearbeiten ist, wenig Wohllaut hat, und

auch

tins, oder der Hildegard, der Gemahlinn oder Mai-
treſſe Carl des Großen,
nicht genau auseinander zu ſetzen
weiß. Der Lehrer der Geſchichte muß nur das lehren,
was zu wiſſen noͤthig iſt, und das uͤbrige uͤbergehn.
Vielleicht finden Sie meine Kritik zu ſtrenge? „Nichts,
werden Sie ſagen, „iſt hienieden in unſrer Welt
„ganz vollkommen, und unſre Sprache, unſre Schu-
„len und Univerſitaͤten haben alſo das Recht, es auch
„nicht zu ſeyn. Die Kritik; koͤnnten Sie hinzuſetzen,
„iſt eine leichte Sache, aber die Kunſt iſt ſchwer; man
„muͤſſe ſich nicht begnuͤgen, blos die Fehler anzuzeigen,
„ſondern auch die Regeln, die man befolgen ſollte, um
„es beſſer zu machen, angeben.“ Ich geſtehe die Rich-
tigkeit Ihrer Forderung ein, m. H. und bin ganz ge-
neigt Sie zu befriedigen. Eben die Mittel, duͤnkt
mich, durch welche andre Nationen zur Vollkommen-
heit gelangt ſind, haben wir auch, und es kaͤme nur
darauf an, ſie anzuwenden. Ich habe ſchon ſeit vieler
Zeit in meinen muͤßigen Stunden dieſe Materien durch-
gedacht; ſie ſind mir alſo gegenwaͤrtig genug, daß ich
ſie hier auseinanderſetzen und Ihrem erleuchtetem Ur-
theil vorlegen kann; es verſteht ſich von ſelbſt, daß ich
keinen Anſpruch darauf mache, in meinen Grundſaͤtzen
unfehlbar zu ſeyn.

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anfangen, die nach meiner Beſchuldigung, verwirrt
und ſchwer zu bearbeiten iſt, wenig Wohllaut hat, und

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[22/0028] tins, oder der Hildegard, der Gemahlinn oder Mai- treſſe Carl des Großen, nicht genau auseinander zu ſetzen weiß. Der Lehrer der Geſchichte muß nur das lehren, was zu wiſſen noͤthig iſt, und das uͤbrige uͤbergehn. Vielleicht finden Sie meine Kritik zu ſtrenge? „Nichts, werden Sie ſagen, „iſt hienieden in unſrer Welt „ganz vollkommen, und unſre Sprache, unſre Schu- „len und Univerſitaͤten haben alſo das Recht, es auch „nicht zu ſeyn. Die Kritik; koͤnnten Sie hinzuſetzen, „iſt eine leichte Sache, aber die Kunſt iſt ſchwer; man „muͤſſe ſich nicht begnuͤgen, blos die Fehler anzuzeigen, „ſondern auch die Regeln, die man befolgen ſollte, um „es beſſer zu machen, angeben.“ Ich geſtehe die Rich- tigkeit Ihrer Forderung ein, m. H. und bin ganz ge- neigt Sie zu befriedigen. Eben die Mittel, duͤnkt mich, durch welche andre Nationen zur Vollkommen- heit gelangt ſind, haben wir auch, und es kaͤme nur darauf an, ſie anzuwenden. Ich habe ſchon ſeit vieler Zeit in meinen muͤßigen Stunden dieſe Materien durch- gedacht; ſie ſind mir alſo gegenwaͤrtig genug, daß ich ſie hier auseinanderſetzen und Ihrem erleuchtetem Ur- theil vorlegen kann; es verſteht ſich von ſelbſt, daß ich keinen Anſpruch darauf mache, in meinen Grundſaͤtzen unfehlbar zu ſeyn. Laſſen Sie uns wieder bey der deutſchen Sprache anfangen, die nach meiner Beſchuldigung, verwirrt und ſchwer zu bearbeiten iſt, wenig Wohllaut hat, und auch

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/28>, abgerufen am 29.03.2024.