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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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deihen wollen. Deutschland hat Philosophen gehabt,
welche die Vergleichung mit den Alten aushalten, und
sie sogar in mehr als einer Gattung übertreffen. Ich
werde auch hierauf nachher noch zurückkommen. Aber
in Absicht der schönen Wissenschaften müssen wir unsre
Dürftigkeit nur gestehen. Alles was ich Ihnen, ohne
mich zum Schmeichler meiner Landsleute zu erniedri-
gen, zugestehn kann, ist, daß wir in der kleinen Gat-
tung der Fabel einen Gellert gehabt haben, der sich ne-
ben Aesop und Phädrus gesetzt. Die Gedichte des
Canitz sind erträglich, aber nicht von Seiten der
Sprache, sondern mehr, weil er, jedoch nur schwach,
den Horatz nachahmt. Ich will auch die Idyllen des
Gesner nicht ganz übergehen, die einige Vertheidiger
haben; aber ich muß mir doch die Erlaubniß ausbe-
dingen, ihnen die Werke des Tibull, Catull, und
Propertz vorzuziehn. Wenn ich die Geschichtschrei-
ber durchgehe, finde ich nur die deutsche Geschich-
te von Mascow, welche am wenigsten fehlerhaft ist.
Und erwarten Sie wohl im Ernst, daß ich Ihnen vom
Verdienst unsrer Redner etwas sagen soll? Ich wüßte
Ihnen wenigstens keinen zu nennen, als den berühmten
Quandt zu Königsberg, der die seltene und in seiner
Art einzige Gabe besaß, seine Sprache harmonisch zu
machen, und ich muß leider! zu unsrer Schande hin-
zusetzen, daß dieses Verdienst gar nicht erkannt wor-
den, und seinen Namen nicht berühmt gemacht habe.

Und

deihen wollen. Deutſchland hat Philoſophen gehabt,
welche die Vergleichung mit den Alten aushalten, und
ſie ſogar in mehr als einer Gattung uͤbertreffen. Ich
werde auch hierauf nachher noch zuruͤckkommen. Aber
in Abſicht der ſchoͤnen Wiſſenſchaften muͤſſen wir unſre
Duͤrftigkeit nur geſtehen. Alles was ich Ihnen, ohne
mich zum Schmeichler meiner Landsleute zu erniedri-
gen, zugeſtehn kann, iſt, daß wir in der kleinen Gat-
tung der Fabel einen Gellert gehabt haben, der ſich ne-
ben Aeſop und Phaͤdrus geſetzt. Die Gedichte des
Canitz ſind ertraͤglich, aber nicht von Seiten der
Sprache, ſondern mehr, weil er, jedoch nur ſchwach,
den Horatz nachahmt. Ich will auch die Idyllen des
Gesner nicht ganz uͤbergehen, die einige Vertheidiger
haben; aber ich muß mir doch die Erlaubniß ausbe-
dingen, ihnen die Werke des Tibull, Catull, und
Propertz vorzuziehn. Wenn ich die Geſchichtſchrei-
ber durchgehe, finde ich nur die deutſche Geſchich-
te von Maſcow, welche am wenigſten fehlerhaft iſt.
Und erwarten Sie wohl im Ernſt, daß ich Ihnen vom
Verdienſt unſrer Redner etwas ſagen ſoll? Ich wuͤßte
Ihnen wenigſtens keinen zu nennen, als den beruͤhmten
Quandt zu Koͤnigsberg, der die ſeltene und in ſeiner
Art einzige Gabe beſaß, ſeine Sprache harmoniſch zu
machen, und ich muß leider! zu unſrer Schande hin-
zuſetzen, daß dieſes Verdienſt gar nicht erkannt wor-
den, und ſeinen Namen nicht beruͤhmt gemacht habe.

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[8/0014] deihen wollen. Deutſchland hat Philoſophen gehabt, welche die Vergleichung mit den Alten aushalten, und ſie ſogar in mehr als einer Gattung uͤbertreffen. Ich werde auch hierauf nachher noch zuruͤckkommen. Aber in Abſicht der ſchoͤnen Wiſſenſchaften muͤſſen wir unſre Duͤrftigkeit nur geſtehen. Alles was ich Ihnen, ohne mich zum Schmeichler meiner Landsleute zu erniedri- gen, zugeſtehn kann, iſt, daß wir in der kleinen Gat- tung der Fabel einen Gellert gehabt haben, der ſich ne- ben Aeſop und Phaͤdrus geſetzt. Die Gedichte des Canitz ſind ertraͤglich, aber nicht von Seiten der Sprache, ſondern mehr, weil er, jedoch nur ſchwach, den Horatz nachahmt. Ich will auch die Idyllen des Gesner nicht ganz uͤbergehen, die einige Vertheidiger haben; aber ich muß mir doch die Erlaubniß ausbe- dingen, ihnen die Werke des Tibull, Catull, und Propertz vorzuziehn. Wenn ich die Geſchichtſchrei- ber durchgehe, finde ich nur die deutſche Geſchich- te von Maſcow, welche am wenigſten fehlerhaft iſt. Und erwarten Sie wohl im Ernſt, daß ich Ihnen vom Verdienſt unſrer Redner etwas ſagen ſoll? Ich wuͤßte Ihnen wenigſtens keinen zu nennen, als den beruͤhmten Quandt zu Koͤnigsberg, der die ſeltene und in ſeiner Art einzige Gabe beſaß, ſeine Sprache harmoniſch zu machen, und ich muß leider! zu unſrer Schande hin- zuſetzen, daß dieſes Verdienſt gar nicht erkannt wor- den, und ſeinen Namen nicht beruͤhmt gemacht habe. Und

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/14>, abgerufen am 19.04.2024.