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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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ersten Male, daß sie seit seiner Heimkehr das Haus
verläßt. Sie wollen den Gräbern der Eltern Lebe¬
wohl sagen. Eine noble, delicate Natur, dieser Faber;
Sie hätten ihn kennen lernen sollen, Herr Probst.
Auch meiner Tochter hätte ich sein Wiedersehen ge¬
wünscht. Doch mag ich der morgenden Trauung nicht
länger widersprechen. Dorothee kommt ohne Abschied
leichter zur Ruhe, und käme Hardine morgen Abend,
was könnte ihr an der bloßen Brautführerrolle ge¬
legen sein?"" --

Der Probst schwieg; seine Erzählung schien zu
Ende. "Und warteten Sie," fragte ich hastig, "Do¬
rotheens Rückkunft und ihren Entschluß nicht ab?"

"Nein," antwortete er mit Ruhe. "Ich bat Ihre
Frau Mutter, ihr meine Heimkehr von der Reise mit¬
zutheilen und ging in meine Anstalt zurück. Als nach
dem Morgengottesdienste, wie ich es kaum anders er¬
wartet hatte, eine Botschaft an mich nicht ergangen
war, benutzte ich die Post nach Leipzig, um meinen
Schützling in Empfang zu nehmen."

Die Postchaise fuhr in diesem Augenblicke vor.
Ich hatte meine Reisekleider gar nicht abgelegt und
das Gepäck bereits wieder hinunter schaffen lassen.
Als ich jetzt den Knaben wecken und mit ihm voran¬

erſten Male, daß ſie ſeit ſeiner Heimkehr das Haus
verläßt. Sie wollen den Gräbern der Eltern Lebe¬
wohl ſagen. Eine noble, delicate Natur, dieſer Faber;
Sie hätten ihn kennen lernen ſollen, Herr Probſt.
Auch meiner Tochter hätte ich ſein Wiederſehen ge¬
wünſcht. Doch mag ich der morgenden Trauung nicht
länger widerſprechen. Dorothee kommt ohne Abſchied
leichter zur Ruhe, und käme Hardine morgen Abend,
was könnte ihr an der bloßen Brautführerrolle ge¬
legen ſein?““ —

Der Probſt ſchwieg; ſeine Erzählung ſchien zu
Ende. „Und warteten Sie,“ fragte ich haſtig, „Do¬
rotheens Rückkunft und ihren Entſchluß nicht ab?“

„Nein,“ antwortete er mit Ruhe. „Ich bat Ihre
Frau Mutter, ihr meine Heimkehr von der Reiſe mit¬
zutheilen und ging in meine Anſtalt zurück. Als nach
dem Morgengottesdienſte, wie ich es kaum anders er¬
wartet hatte, eine Botſchaft an mich nicht ergangen
war, benutzte ich die Poſt nach Leipzig, um meinen
Schützling in Empfang zu nehmen.“

Die Poſtchaiſe fuhr in dieſem Augenblicke vor.
Ich hatte meine Reiſekleider gar nicht abgelegt und
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[93/0097] erſten Male, daß ſie ſeit ſeiner Heimkehr das Haus verläßt. Sie wollen den Gräbern der Eltern Lebe¬ wohl ſagen. Eine noble, delicate Natur, dieſer Faber; Sie hätten ihn kennen lernen ſollen, Herr Probſt. Auch meiner Tochter hätte ich ſein Wiederſehen ge¬ wünſcht. Doch mag ich der morgenden Trauung nicht länger widerſprechen. Dorothee kommt ohne Abſchied leichter zur Ruhe, und käme Hardine morgen Abend, was könnte ihr an der bloßen Brautführerrolle ge¬ legen ſein?““ — Der Probſt ſchwieg; ſeine Erzählung ſchien zu Ende. „Und warteten Sie,“ fragte ich haſtig, „Do¬ rotheens Rückkunft und ihren Entſchluß nicht ab?“ „Nein,“ antwortete er mit Ruhe. „Ich bat Ihre Frau Mutter, ihr meine Heimkehr von der Reiſe mit¬ zutheilen und ging in meine Anſtalt zurück. Als nach dem Morgengottesdienſte, wie ich es kaum anders er¬ wartet hatte, eine Botſchaft an mich nicht ergangen war, benutzte ich die Poſt nach Leipzig, um meinen Schützling in Empfang zu nehmen.“ Die Poſtchaiſe fuhr in dieſem Augenblicke vor. Ich hatte meine Reiſekleider gar nicht abgelegt und das Gepäck bereits wieder hinunter ſchaffen laſſen. Als ich jetzt den Knaben wecken und mit ihm voran¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/97>, abgerufen am 29.03.2024.