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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Es war eine Zauberin, dieses Kind Dorothee,
wie es im rechten Augenblicke immer das Wirksame
zu treffen wußte! Nein, das Geheimniß war zur
Hälfte nicht zu wahren, und die Anklage gegen den
Verführer durfte sich nicht in die Todtenklage um un¬
sern Helden mischen. Vor meinen Eltern, die ihn
geliebt hatten, vor den Kameraden, die ihn bewunder¬
ten, ja selber vor den gering geachteten Heimathsbür¬
gern Dorotheens, mußte der Letzte seines Stammes
ohne Makel in der Gruft seiner Ahnen ruhen.

"So sei es denn, Dorothee, ich will Dein Ge¬
heimniß wahren und schützen, bis Siegmund Faber
über Dein zukünftiges Loos entschieden haben wird."

Mit diesem Gelöbniß endete die erschütternde
Unterredung.

So schwer der Entschluß, so rasch und leicht war
der Plan. Dorothee begleitete mich nach Reckenburg;
alles Weitere enthüllte sich in dem stillen Waldhause
Muhme Justinens. Und wie der Plan, so rasch und
leicht war auch die Ausführung. Vater Kellermeister
hatte keine Stimme; meine Eltern aber gönnten den
beiden bekümmerten Gespielinnen ein tröstendes Bei¬
einandersein. Kaum eine Woche später waren sie,

Es war eine Zauberin, dieſes Kind Dorothee,
wie es im rechten Augenblicke immer das Wirkſame
zu treffen wußte! Nein, das Geheimniß war zur
Hälfte nicht zu wahren, und die Anklage gegen den
Verführer durfte ſich nicht in die Todtenklage um un¬
ſern Helden miſchen. Vor meinen Eltern, die ihn
geliebt hatten, vor den Kameraden, die ihn bewunder¬
ten, ja ſelber vor den gering geachteten Heimathsbür¬
gern Dorotheens, mußte der Letzte ſeines Stammes
ohne Makel in der Gruft ſeiner Ahnen ruhen.

„So ſei es denn, Dorothee, ich will Dein Ge¬
heimniß wahren und ſchützen, bis Siegmund Faber
über Dein zukünftiges Loos entſchieden haben wird.“

Mit dieſem Gelöbniß endete die erſchütternde
Unterredung.

So ſchwer der Entſchluß, ſo raſch und leicht war
der Plan. Dorothee begleitete mich nach Reckenburg;
alles Weitere enthüllte ſich in dem ſtillen Waldhauſe
Muhme Juſtinens. Und wie der Plan, ſo raſch und
leicht war auch die Ausführung. Vater Kellermeiſter
hatte keine Stimme; meine Eltern aber gönnten den
beiden bekümmerten Geſpielinnen ein tröſtendes Bei¬
einanderſein. Kaum eine Woche ſpäter waren ſie,

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[23/0027] Es war eine Zauberin, dieſes Kind Dorothee, wie es im rechten Augenblicke immer das Wirkſame zu treffen wußte! Nein, das Geheimniß war zur Hälfte nicht zu wahren, und die Anklage gegen den Verführer durfte ſich nicht in die Todtenklage um un¬ ſern Helden miſchen. Vor meinen Eltern, die ihn geliebt hatten, vor den Kameraden, die ihn bewunder¬ ten, ja ſelber vor den gering geachteten Heimathsbür¬ gern Dorotheens, mußte der Letzte ſeines Stammes ohne Makel in der Gruft ſeiner Ahnen ruhen. „So ſei es denn, Dorothee, ich will Dein Ge¬ heimniß wahren und ſchützen, bis Siegmund Faber über Dein zukünftiges Loos entſchieden haben wird.“ Mit dieſem Gelöbniß endete die erſchütternde Unterredung. So ſchwer der Entſchluß, ſo raſch und leicht war der Plan. Dorothee begleitete mich nach Reckenburg; alles Weitere enthüllte ſich in dem ſtillen Waldhauſe Muhme Juſtinens. Und wie der Plan, ſo raſch und leicht war auch die Ausführung. Vater Kellermeiſter hatte keine Stimme; meine Eltern aber gönnten den beiden bekümmerten Geſpielinnen ein tröſtendes Bei¬ einanderſein. Kaum eine Woche ſpäter waren ſie,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/27>, abgerufen am 29.03.2024.