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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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tochter zu einer sicheren Bewegung in diesem Zusam¬
menhange die materielle Ausstattung nicht gemangelt
haben würde. Einen reichen Mann, oder einen ar¬
men, einen alten Namen, oder einen neuen, einen beschau¬
lichen Charakter, oder einen thätigen: das Herz hatte
freie Wahl, das Erbe der Reckenburg war unabhän¬
gig von derselben.

Es soll indessen nicht verhehlt sein, daß ein Zu¬
sammentreffen der beiden Abschlußakte meines Lebens,
daß namentlich eine Verbindung mit dem gräflichen
Hause, mir als Wunsch vor der Seele stand, und
bleibe es dahingestellt, ob der alte Namensklang nicht
einen heimlichen Zauber übte. Es hält gar schwer,
mit eingelebten, geistigen Gewöhnungen, Vorurtheile
genannt, tabula rasa zu machen, und es ist auch gar
nicht nöthig so mit Schaufel und Harke sein Stück¬
chen Lebensboden zu planiren; wenn nur in der ent¬
scheidenden Stunde das Urtheil stirnhoch über dem
Vorurtheil und das Herz auf dem rechten Flecke steht.

Heimlich also, es ist möglich, lockte der alte
Namensklang, unter dem der neue verschwinden sollte;
laut aber, das ist gewiß, sprach das Verlangen,
eine getäuschte Erwartung nachträglich in Erfüllung
zu bringen. Ich schätzte den Grafen mehr als jemals

tochter zu einer ſicheren Bewegung in dieſem Zuſam¬
menhange die materielle Ausſtattung nicht gemangelt
haben würde. Einen reichen Mann, oder einen ar¬
men, einen alten Namen, oder einen neuen, einen beſchau¬
lichen Charakter, oder einen thätigen: das Herz hatte
freie Wahl, das Erbe der Reckenburg war unabhän¬
gig von derſelben.

Es ſoll indeſſen nicht verhehlt ſein, daß ein Zu¬
ſammentreffen der beiden Abſchlußakte meines Lebens,
daß namentlich eine Verbindung mit dem gräflichen
Hauſe, mir als Wunſch vor der Seele ſtand, und
bleibe es dahingeſtellt, ob der alte Namensklang nicht
einen heimlichen Zauber übte. Es hält gar ſchwer,
mit eingelebten, geiſtigen Gewöhnungen, Vorurtheile
genannt, tabula rasa zu machen, und es iſt auch gar
nicht nöthig ſo mit Schaufel und Harke ſein Stück¬
chen Lebensboden zu planiren; wenn nur in der ent¬
ſcheidenden Stunde das Urtheil ſtirnhoch über dem
Vorurtheil und das Herz auf dem rechten Flecke ſteht.

Heimlich alſo, es iſt möglich, lockte der alte
Namensklang, unter dem der neue verſchwinden ſollte;
laut aber, das iſt gewiß, ſprach das Verlangen,
eine getäuſchte Erwartung nachträglich in Erfüllung
zu bringen. Ich ſchätzte den Grafen mehr als jemals

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[258/0262] tochter zu einer ſicheren Bewegung in dieſem Zuſam¬ menhange die materielle Ausſtattung nicht gemangelt haben würde. Einen reichen Mann, oder einen ar¬ men, einen alten Namen, oder einen neuen, einen beſchau¬ lichen Charakter, oder einen thätigen: das Herz hatte freie Wahl, das Erbe der Reckenburg war unabhän¬ gig von derſelben. Es ſoll indeſſen nicht verhehlt ſein, daß ein Zu¬ ſammentreffen der beiden Abſchlußakte meines Lebens, daß namentlich eine Verbindung mit dem gräflichen Hauſe, mir als Wunſch vor der Seele ſtand, und bleibe es dahingeſtellt, ob der alte Namensklang nicht einen heimlichen Zauber übte. Es hält gar ſchwer, mit eingelebten, geiſtigen Gewöhnungen, Vorurtheile genannt, tabula rasa zu machen, und es iſt auch gar nicht nöthig ſo mit Schaufel und Harke ſein Stück¬ chen Lebensboden zu planiren; wenn nur in der ent¬ ſcheidenden Stunde das Urtheil ſtirnhoch über dem Vorurtheil und das Herz auf dem rechten Flecke ſteht. Heimlich alſo, es iſt möglich, lockte der alte Namensklang, unter dem der neue verſchwinden ſollte; laut aber, das iſt gewiß, ſprach das Verlangen, eine getäuſchte Erwartung nachträglich in Erfüllung zu bringen. Ich ſchätzte den Grafen mehr als jemals

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/262>, abgerufen am 29.03.2024.