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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Blutes. Liegt die Zukunft verhüllt, die Vergangenheit
wollen wir klar überblicken, wollen die Ahnen kennen,
denen wir die Wohlthat des Daseins zu danken haben.
Und darum --?"

"Darum!" hauchte die junge Frau.

"Darum," fuhr Jener fort mit einer stolzen Zu¬
versicht, als gälte es einen Zweifel an der eigenen
Ehre zurückzuweisen, "darum sage ich Dir, was auch
die nächste Zukunft enthüllen mag, nun und nimmer
einen Makel auf dem hehren Bilde dieser Frau, die
uns beiden eine Mutter geworden ist."

Die Gattin beugte sich und küßte des Mannes
Hand, zum Dank, daß er ihr ein frohes Bewußtsein
bekräftigt habe. Dennoch flossen ihre Thränen noch
immer. "Und mein Vater, Ludwig," schluchzte sie,
"mein armer Vater --"

"Dein Vater," versetzte Ludwig, "klammerte sich
in dem Schiffbruche des Lebens an den Strohhalm
einer Erinnerung, eines Wahns, um sich selber und
sein hülfloses Kind vor dem Versinken zu erretten."

Die junge Frau schluchzte krampfhaft. Ihr Mann
küßte sie auf die Stirn und zog sie neben sich auf
eine Bank, über welche ein Ebereschenbaum seine
schweren Traubenzweige hangen ließ.

Blutes. Liegt die Zukunft verhüllt, die Vergangenheit
wollen wir klar überblicken, wollen die Ahnen kennen,
denen wir die Wohlthat des Daſeins zu danken haben.
Und darum —?“

„Darum!“ hauchte die junge Frau.

Darum,“ fuhr Jener fort mit einer ſtolzen Zu¬
verſicht, als gälte es einen Zweifel an der eigenen
Ehre zurückzuweiſen, „darum ſage ich Dir, was auch
die nächſte Zukunft enthüllen mag, nun und nimmer
einen Makel auf dem hehren Bilde dieſer Frau, die
uns beiden eine Mutter geworden iſt.“

Die Gattin beugte ſich und küßte des Mannes
Hand, zum Dank, daß er ihr ein frohes Bewußtſein
bekräftigt habe. Dennoch floſſen ihre Thränen noch
immer. „Und mein Vater, Ludwig,“ ſchluchzte ſie,
„mein armer Vater —“

„Dein Vater,“ verſetzte Ludwig, „klammerte ſich
in dem Schiffbruche des Lebens an den Strohhalm
einer Erinnerung, eines Wahns, um ſich ſelber und
ſein hülfloſes Kind vor dem Verſinken zu erretten.“

Die junge Frau ſchluchzte krampfhaft. Ihr Mann
küßte ſie auf die Stirn und zog ſie neben ſich auf
eine Bank, über welche ein Ebereſchenbaum ſeine
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[234/0238] Blutes. Liegt die Zukunft verhüllt, die Vergangenheit wollen wir klar überblicken, wollen die Ahnen kennen, denen wir die Wohlthat des Daſeins zu danken haben. Und darum —?“ „Darum!“ hauchte die junge Frau. „Darum,“ fuhr Jener fort mit einer ſtolzen Zu¬ verſicht, als gälte es einen Zweifel an der eigenen Ehre zurückzuweiſen, „darum ſage ich Dir, was auch die nächſte Zukunft enthüllen mag, nun und nimmer einen Makel auf dem hehren Bilde dieſer Frau, die uns beiden eine Mutter geworden iſt.“ Die Gattin beugte ſich und küßte des Mannes Hand, zum Dank, daß er ihr ein frohes Bewußtſein bekräftigt habe. Dennoch floſſen ihre Thränen noch immer. „Und mein Vater, Ludwig,“ ſchluchzte ſie, „mein armer Vater —“ „Dein Vater,“ verſetzte Ludwig, „klammerte ſich in dem Schiffbruche des Lebens an den Strohhalm einer Erinnerung, eines Wahns, um ſich ſelber und ſein hülfloſes Kind vor dem Verſinken zu erretten.“ Die junge Frau ſchluchzte krampfhaft. Ihr Mann küßte ſie auf die Stirn und zog ſie neben ſich auf eine Bank, über welche ein Ebereſchenbaum ſeine ſchweren Traubenzweige hangen ließ.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/238>, abgerufen am 29.03.2024.