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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Sechstes Capitel.
Mutter und Sohn.

Das war ein saures Mahl meine Freunde! Bei
dem Toast, den ich auf Seine Majestät den König
ausbrachte, blieb ich stecken; jede Redensart, die ich
Anstands halber wechselte, verfing sich in meiner Kehle
mit dem Ja, das ich nicht aussprechen konnte und
doch nicht unausgesprochen lassen wollte. Ein Glück,
daß man an die Feste auf der Reckenburg keinen An¬
spruch als den der vornehmen Langeweile zu stellen
gewohnt war.

Nach der Tafel zerstreute sich die Gesellschaft im
Garten. Ich war allein mit dem Grafen auf der
Terrasse geblieben. Er hatte mir schon vor dem Essen
gesagt, daß seine Ernennung eingetroffen, eine Ent¬
scheidung demnach nicht länger zu verzögern sei. Ich
hatte den letzten Kampf bestanden, ein einleitendes

Sechſtes Capitel.
Mutter und Sohn.

Das war ein ſaures Mahl meine Freunde! Bei
dem Toaſt, den ich auf Seine Majeſtät den König
ausbrachte, blieb ich ſtecken; jede Redensart, die ich
Anſtands halber wechſelte, verfing ſich in meiner Kehle
mit dem Ja, das ich nicht ausſprechen konnte und
doch nicht unausgeſprochen laſſen wollte. Ein Glück,
daß man an die Feſte auf der Reckenburg keinen An¬
ſpruch als den der vornehmen Langeweile zu ſtellen
gewohnt war.

Nach der Tafel zerſtreute ſich die Geſellſchaft im
Garten. Ich war allein mit dem Grafen auf der
Terraſſe geblieben. Er hatte mir ſchon vor dem Eſſen
geſagt, daß ſeine Ernennung eingetroffen, eine Ent¬
ſcheidung demnach nicht länger zu verzögern ſei. Ich
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[[181]/0185] Sechſtes Capitel. Mutter und Sohn. Das war ein ſaures Mahl meine Freunde! Bei dem Toaſt, den ich auf Seine Majeſtät den König ausbrachte, blieb ich ſtecken; jede Redensart, die ich Anſtands halber wechſelte, verfing ſich in meiner Kehle mit dem Ja, das ich nicht ausſprechen konnte und doch nicht unausgeſprochen laſſen wollte. Ein Glück, daß man an die Feſte auf der Reckenburg keinen An¬ ſpruch als den der vornehmen Langeweile zu ſtellen gewohnt war. Nach der Tafel zerſtreute ſich die Geſellſchaft im Garten. Ich war allein mit dem Grafen auf der Terraſſe geblieben. Er hatte mir ſchon vor dem Eſſen geſagt, daß ſeine Ernennung eingetroffen, eine Ent¬ ſcheidung demnach nicht länger zu verzögern ſei. Ich hatte den letzten Kampf beſtanden, ein einleitendes

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. [181]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/185>, abgerufen am 28.03.2024.