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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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deren Umgang mir nicht beschwerlich fiel. Denn ich
hatte auch darin einen männlichen Geschmack, daß nur
die frauenhaftesten Eigenschaften der Frauen mir zu
Herzen gingen. Einer Amtsverwalterin wie Jungfer
Ehrenhardine würde ich auf einer wüsten Insel, glaub'
ich, zehn Schritte fern geblieben sein; das Kind Do¬
rothee hatte selber als Sünderin den Reiz für mich
nicht eingebüßt. Die Gräfin aber war eine schmieg¬
same, zärtliche Seele, das Weib "in Gottes Namen,"
wie es im Buche steht, und sicherlich würde ich die
Sprößlinge dieses anziehenden Paares, drei noch un¬
bärtige Junkerchen, für das Erbe der Reckenburg in
nächsten Betracht gezogen haben, hätte ich sie etwas
weniger flott und übermüthig heranwachsen sehen.
Wohl sagte ich mir entschuldigend, daß bei der zer¬
streuenden Thätigkeit des Vaters und der gelassenen
Umfriedung der Mutter dem jungschäumenden Blute
der Zügel gefehlt habe; unter allen Umständen aber
mußte die Zeit einer reiferen Entwickelung abgewartet
werden.

Vor Jahr und Tag nun war der Graf Witt¬
wer geworden. Er hatte die Frau sehr geliebt, sich
sehr beglückt durch sie gefühlt, und nach ihrem Tode
allen geselligen Verkehr, auch den mit mir abgebrochen.

deren Umgang mir nicht beſchwerlich fiel. Denn ich
hatte auch darin einen männlichen Geſchmack, daß nur
die frauenhafteſten Eigenſchaften der Frauen mir zu
Herzen gingen. Einer Amtsverwalterin wie Jungfer
Ehrenhardine würde ich auf einer wüſten Inſel, glaub’
ich, zehn Schritte fern geblieben ſein; das Kind Do¬
rothee hatte ſelber als Sünderin den Reiz für mich
nicht eingebüßt. Die Gräfin aber war eine ſchmieg¬
ſame, zärtliche Seele, das Weib „in Gottes Namen,“
wie es im Buche ſteht, und ſicherlich würde ich die
Sprößlinge dieſes anziehenden Paares, drei noch un¬
bärtige Junkerchen, für das Erbe der Reckenburg in
nächſten Betracht gezogen haben, hätte ich ſie etwas
weniger flott und übermüthig heranwachſen ſehen.
Wohl ſagte ich mir entſchuldigend, daß bei der zer¬
ſtreuenden Thätigkeit des Vaters und der gelaſſenen
Umfriedung der Mutter dem jungſchäumenden Blute
der Zügel gefehlt habe; unter allen Umſtänden aber
mußte die Zeit einer reiferen Entwickelung abgewartet
werden.

Vor Jahr und Tag nun war der Graf Witt¬
wer geworden. Er hatte die Frau ſehr geliebt, ſich
ſehr beglückt durch ſie gefühlt, und nach ihrem Tode
allen geſelligen Verkehr, auch den mit mir abgebrochen.

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[173/0177] deren Umgang mir nicht beſchwerlich fiel. Denn ich hatte auch darin einen männlichen Geſchmack, daß nur die frauenhafteſten Eigenſchaften der Frauen mir zu Herzen gingen. Einer Amtsverwalterin wie Jungfer Ehrenhardine würde ich auf einer wüſten Inſel, glaub’ ich, zehn Schritte fern geblieben ſein; das Kind Do¬ rothee hatte ſelber als Sünderin den Reiz für mich nicht eingebüßt. Die Gräfin aber war eine ſchmieg¬ ſame, zärtliche Seele, das Weib „in Gottes Namen,“ wie es im Buche ſteht, und ſicherlich würde ich die Sprößlinge dieſes anziehenden Paares, drei noch un¬ bärtige Junkerchen, für das Erbe der Reckenburg in nächſten Betracht gezogen haben, hätte ich ſie etwas weniger flott und übermüthig heranwachſen ſehen. Wohl ſagte ich mir entſchuldigend, daß bei der zer¬ ſtreuenden Thätigkeit des Vaters und der gelaſſenen Umfriedung der Mutter dem jungſchäumenden Blute der Zügel gefehlt habe; unter allen Umſtänden aber mußte die Zeit einer reiferen Entwickelung abgewartet werden. Vor Jahr und Tag nun war der Graf Witt¬ wer geworden. Er hatte die Frau ſehr geliebt, ſich ſehr beglückt durch ſie gefühlt, und nach ihrem Tode allen geſelligen Verkehr, auch den mit mir abgebrochen.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/177>, abgerufen am 28.03.2024.