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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Gegend überfluthete? So folgte dem ersten ewigen
Abschied nun eine Trennung nach der anderen und
keine wohl ohne das Vorgefühl des Nimmerwiedersehens.

Der ehemalige Lehrer und Bewerber ahnte nicht,
daß er mit der Gattin Siegmund Fabers unter einem
Dache geweilt hatte. "Das treue Herz ist schwer zur
Ruhe gekommen, beirren wir es nicht von Neuem",
hatte der gemeinsame alte Freund gemahnt und Dorothee
sich verborgen gehalten, bis das Wägelchen von dannen
rollte. Ich aber sollte Zeuge sein, daß das treue
Herz noch keineswegs zur Ruhe gekommen war. Ich
traf den guten Menschen, nachdem er uns Lebewohl
gesagt hatte, seine Thränen trocknend, auf der Schwelle
von Dorotheens Mädchenstube. "Die vergißt keiner,
der ihr einmal angehangen hat", sagte er mit gebrochener
Stimme. Ein elegisches kleines Zwischenspiel inmitten
so vieler Schreckensbilder!

Dorothee hatte ihre Reisekleider angelegt und ich
hielt ihre Hand zum letzten Lebewohl. Es war für
uns beide ein Tag des Schweigens, gewesen; jetzt be¬
drückte etwas ihr Herz, für das sie sichtlich um den
Ausdruck kämpfte. "Darf ich reden?" fragte sie end¬
lich mit niedergeschlagenen Augen und als ich die
Frage herzlich bejahte, sagte sie hastig:

Gegend überfluthete? So folgte dem erſten ewigen
Abſchied nun eine Trennung nach der anderen und
keine wohl ohne das Vorgefühl des Nimmerwiederſehens.

Der ehemalige Lehrer und Bewerber ahnte nicht,
daß er mit der Gattin Siegmund Fabers unter einem
Dache geweilt hatte. „Das treue Herz iſt ſchwer zur
Ruhe gekommen, beirren wir es nicht von Neuem“,
hatte der gemeinſame alte Freund gemahnt und Dorothee
ſich verborgen gehalten, bis das Wägelchen von dannen
rollte. Ich aber ſollte Zeuge ſein, daß das treue
Herz noch keineswegs zur Ruhe gekommen war. Ich
traf den guten Menſchen, nachdem er uns Lebewohl
geſagt hatte, ſeine Thränen trocknend, auf der Schwelle
von Dorotheens Mädchenſtube. „Die vergißt keiner,
der ihr einmal angehangen hat“, ſagte er mit gebrochener
Stimme. Ein elegiſches kleines Zwiſchenſpiel inmitten
ſo vieler Schreckensbilder!

Dorothee hatte ihre Reiſekleider angelegt und ich
hielt ihre Hand zum letzten Lebewohl. Es war für
uns beide ein Tag des Schweigens, geweſen; jetzt be¬
drückte etwas ihr Herz, für das ſie ſichtlich um den
Ausdruck kämpfte. „Darf ich reden?“ fragte ſie end¬
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[146/0150] Gegend überfluthete? So folgte dem erſten ewigen Abſchied nun eine Trennung nach der anderen und keine wohl ohne das Vorgefühl des Nimmerwiederſehens. Der ehemalige Lehrer und Bewerber ahnte nicht, daß er mit der Gattin Siegmund Fabers unter einem Dache geweilt hatte. „Das treue Herz iſt ſchwer zur Ruhe gekommen, beirren wir es nicht von Neuem“, hatte der gemeinſame alte Freund gemahnt und Dorothee ſich verborgen gehalten, bis das Wägelchen von dannen rollte. Ich aber ſollte Zeuge ſein, daß das treue Herz noch keineswegs zur Ruhe gekommen war. Ich traf den guten Menſchen, nachdem er uns Lebewohl geſagt hatte, ſeine Thränen trocknend, auf der Schwelle von Dorotheens Mädchenſtube. „Die vergißt keiner, der ihr einmal angehangen hat“, ſagte er mit gebrochener Stimme. Ein elegiſches kleines Zwiſchenſpiel inmitten ſo vieler Schreckensbilder! Dorothee hatte ihre Reiſekleider angelegt und ich hielt ihre Hand zum letzten Lebewohl. Es war für uns beide ein Tag des Schweigens, geweſen; jetzt be¬ drückte etwas ihr Herz, für das ſie ſichtlich um den Ausdruck kämpfte. „Darf ich reden?“ fragte ſie end¬ lich mit niedergeſchlagenen Augen und als ich die Frage herzlich bejahte, ſagte ſie haſtig:

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/150>, abgerufen am 19.04.2024.