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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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teten vergebens. Dorothee kam nicht. Auch hatte die
Frankfurter Post keinen Brief des bisher wenigstens
zweimal im Jahre regelfesten Bräutigams gebracht.
Papa schimpfte recht lästerlich auf seinen rücksichtslo¬
sen Mosjö Per--se.

Es dämmerte bereits, als ein Staffettensignal
sich von Westen vernehmen ließ. Bei jedem Klange
aus dieser Richtung sammelten sich Offiziere wie Bür¬
ger vor dem Posthause, um irgend eine wahre oder
unwahre Nachricht zu erhaschen, welche die Couriere
auf den Stationen ausstreuten. Der Vater eilte hin¬
aus, und auch uns Frauen ließ es keine Ruhe, wir
traten unter die Hausthür, seine Rückkehr erwartend.

Die Staffette sprengte auf der Leipziger Straße
weiter. Der Vater kam zurück. "Ein Zusammen¬
stoß soll stattgefunden haben," rief er uns kopfschüt¬
telnd entgegen; "unfern von St. Menehould ein un¬
erhörtes Kanonenfeuer vernommen worden sein. Wer
aber obtinirte? -- und ob wirklich beim Abgange der
Post am anderen Tage die Armeen sich in unverrück¬
ter Stellung gegenübergestanden? Reime sich's, wer
kann -- ich --"

Er bemerkte bei diesen Worten Dorothee, welche
sich leise von der Gartenseite herbeigeschlichen hatte,

teten vergebens. Dorothee kam nicht. Auch hatte die
Frankfurter Poſt keinen Brief des bisher wenigſtens
zweimal im Jahre regelfeſten Bräutigams gebracht.
Papa ſchimpfte recht läſterlich auf ſeinen rückſichtslo¬
ſen Mosjö Per—ſé.

Es dämmerte bereits, als ein Staffettenſignal
ſich von Weſten vernehmen ließ. Bei jedem Klange
aus dieſer Richtung ſammelten ſich Offiziere wie Bür¬
ger vor dem Poſthauſe, um irgend eine wahre oder
unwahre Nachricht zu erhaſchen, welche die Couriere
auf den Stationen ausſtreuten. Der Vater eilte hin¬
aus, und auch uns Frauen ließ es keine Ruhe, wir
traten unter die Hausthür, ſeine Rückkehr erwartend.

Die Staffette ſprengte auf der Leipziger Straße
weiter. Der Vater kam zurück. „Ein Zuſammen¬
ſtoß ſoll ſtattgefunden haben,“ rief er uns kopfſchüt¬
telnd entgegen; „unfern von St. Menehould ein un¬
erhörtes Kanonenfeuer vernommen worden ſein. Wer
aber obtinirte? — und ob wirklich beim Abgange der
Poſt am anderen Tage die Armeen ſich in unverrück¬
ter Stellung gegenübergeſtanden? Reime ſich's, wer
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[9/0013] teten vergebens. Dorothee kam nicht. Auch hatte die Frankfurter Poſt keinen Brief des bisher wenigſtens zweimal im Jahre regelfeſten Bräutigams gebracht. Papa ſchimpfte recht läſterlich auf ſeinen rückſichtslo¬ ſen Mosjö Per—ſé. Es dämmerte bereits, als ein Staffettenſignal ſich von Weſten vernehmen ließ. Bei jedem Klange aus dieſer Richtung ſammelten ſich Offiziere wie Bür¬ ger vor dem Poſthauſe, um irgend eine wahre oder unwahre Nachricht zu erhaſchen, welche die Couriere auf den Stationen ausſtreuten. Der Vater eilte hin¬ aus, und auch uns Frauen ließ es keine Ruhe, wir traten unter die Hausthür, ſeine Rückkehr erwartend. Die Staffette ſprengte auf der Leipziger Straße weiter. Der Vater kam zurück. „Ein Zuſammen¬ ſtoß ſoll ſtattgefunden haben,“ rief er uns kopfſchüt¬ telnd entgegen; „unfern von St. Menehould ein un¬ erhörtes Kanonenfeuer vernommen worden ſein. Wer aber obtinirte? — und ob wirklich beim Abgange der Poſt am anderen Tage die Armeen ſich in unverrück¬ ter Stellung gegenübergeſtanden? Reime ſich's, wer kann — ich —“ Er bemerkte bei dieſen Worten Dorothee, welche ſich leiſe von der Gartenſeite herbeigeſchlichen hatte,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/13>, abgerufen am 29.03.2024.