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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Gliedern und gebrochenem Blick, einer Leiche gleich.
Zu ihren Füßen lag händeringend die Magd, und
vor ihr, noch athemlos keuchend, laut schluchzend,
mit Blut und Koth bespritzt, den Arm in der Schlinge,
stand der Schreckensbote, der mir zuvorgekommen war.

Der ehrliche Purzel hatte Wort gehalten. Als
von allen Seiten die Feinde immer dichter und dich¬
ter schwollen, als ringsum die Freunde zu wanken
begannen, jetzt auch, nach einem letzten muthigen An¬
griff, die Schwadronen seines eigenen Regiments aus¬
einanderstoben; als er den Prinzen, der sie vorgeführt
hatte, sein Pferd wenden, und im nämlichen Augen¬
blicke auch seinen Herrn zu Boden stürzen sah: da
hatte er keinen Gedanken mehr, als ihn zu retten und
da er ihn todt fand, rettungslos todt, ihn seitab in
einem Busche zu bergen, dann aber Kehrt zu machen,
der arme Wicht, von dannen zu jagen, als sein Pferd
zusammenbricht, zu laufen, athemlos fast Tag und
Nacht, bis er "sein Haus" erreicht, und seine Frau,
der er Post versprochen hat, der erste Flüchtling,
welcher die Kunde des ahnungsschweren Vorspiels von
Saalfeld in die Heimath trug.

Das mörderische Wort war nicht über seine Lip¬
pen gekommen; ein erster, einziger Blick auf die ein¬

Gliedern und gebrochenem Blick, einer Leiche gleich.
Zu ihren Füßen lag händeringend die Magd, und
vor ihr, noch athemlos keuchend, laut ſchluchzend,
mit Blut und Koth beſpritzt, den Arm in der Schlinge,
ſtand der Schreckensbote, der mir zuvorgekommen war.

Der ehrliche Purzel hatte Wort gehalten. Als
von allen Seiten die Feinde immer dichter und dich¬
ter ſchwollen, als ringsum die Freunde zu wanken
begannen, jetzt auch, nach einem letzten muthigen An¬
griff, die Schwadronen ſeines eigenen Regiments aus¬
einanderſtoben; als er den Prinzen, der ſie vorgeführt
hatte, ſein Pferd wenden, und im nämlichen Augen¬
blicke auch ſeinen Herrn zu Boden ſtürzen ſah: da
hatte er keinen Gedanken mehr, als ihn zu retten und
da er ihn todt fand, rettungslos todt, ihn ſeitab in
einem Buſche zu bergen, dann aber Kehrt zu machen,
der arme Wicht, von dannen zu jagen, als ſein Pferd
zuſammenbricht, zu laufen, athemlos faſt Tag und
Nacht, bis er „ſein Haus“ erreicht, und ſeine Frau,
der er Poſt verſprochen hat, der erſte Flüchtling,
welcher die Kunde des ahnungsſchweren Vorſpiels von
Saalfeld in die Heimath trug.

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[122/0126] Gliedern und gebrochenem Blick, einer Leiche gleich. Zu ihren Füßen lag händeringend die Magd, und vor ihr, noch athemlos keuchend, laut ſchluchzend, mit Blut und Koth beſpritzt, den Arm in der Schlinge, ſtand der Schreckensbote, der mir zuvorgekommen war. Der ehrliche Purzel hatte Wort gehalten. Als von allen Seiten die Feinde immer dichter und dich¬ ter ſchwollen, als ringsum die Freunde zu wanken begannen, jetzt auch, nach einem letzten muthigen An¬ griff, die Schwadronen ſeines eigenen Regiments aus¬ einanderſtoben; als er den Prinzen, der ſie vorgeführt hatte, ſein Pferd wenden, und im nämlichen Augen¬ blicke auch ſeinen Herrn zu Boden ſtürzen ſah: da hatte er keinen Gedanken mehr, als ihn zu retten und da er ihn todt fand, rettungslos todt, ihn ſeitab in einem Buſche zu bergen, dann aber Kehrt zu machen, der arme Wicht, von dannen zu jagen, als ſein Pferd zuſammenbricht, zu laufen, athemlos faſt Tag und Nacht, bis er „ſein Haus“ erreicht, und ſeine Frau, der er Poſt verſprochen hat, der erſte Flüchtling, welcher die Kunde des ahnungsſchweren Vorſpiels von Saalfeld in die Heimath trug. Das mörderiſche Wort war nicht über ſeine Lip¬ pen gekommen; ein erſter, einziger Blick auf die ein¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/126>, abgerufen am 18.04.2024.