Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

die Aehnlichkeit nicht verbergen und schwieg be-
schämt und blöde vor der fremdem Erscheinung.
Sie aber erhob ihre Stimme und redete mich laut
in dem Geiste meiner Sprache an, ohne daß ich
sie verstand. Da riß das Traumnetz vollends, der
Klang des lebendigen Daseyns war ein
andrer,
die Physiognomie jener bleichenden Um-
risse blieb unbeweglich, die Seele flüchtete zu der
allgemeinen Weltseele, denn sie gehörte der Mensch-
heit überhaupt, ohne ihr besondres Recht auf die
deutsche Nation behaupten zu können.

Dies rein menschliche Einverständniß,
das innig empfunden und warm vom Herzen zum
Herzen redete, war es, was mich, was viele Andre
noch heut zur Stunde über die individuelle Aehn-
lichkeit täuschte, diese aber ist und bleibt nur der
spielende Wiederschein geheimer innerer Verwand-
schaft, die den willkührlichen Formen eine Art
von Daseyn lieh.

Das Wort also hatte hier das Wort gesagt.
Die Sprache war die gewaltige Scheiderin, die
das Besondere von dem Allgemeinen trennte, und

die Aehnlichkeit nicht verbergen und ſchwieg be-
ſchaͤmt und bloͤde vor der fremdem Erſcheinung.
Sie aber erhob ihre Stimme und redete mich laut
in dem Geiſte meiner Sprache an, ohne daß ich
ſie verſtand. Da riß das Traumnetz vollends, der
Klang des lebendigen Daſeyns war ein
andrer,
die Phyſiognomie jener bleichenden Um-
riſſe blieb unbeweglich, die Seele fluͤchtete zu der
allgemeinen Weltſeele, denn ſie gehoͤrte der Menſch-
heit uͤberhaupt, ohne ihr beſondres Recht auf die
deutſche Nation behaupten zu koͤnnen.

Dies rein menſchliche Einverſtaͤndniß,
das innig empfunden und warm vom Herzen zum
Herzen redete, war es, was mich, was viele Andre
noch heut zur Stunde uͤber die individuelle Aehn-
lichkeit taͤuſchte, dieſe aber iſt und bleibt nur der
ſpielende Wiederſchein geheimer innerer Verwand-
ſchaft, die den willkuͤhrlichen Formen eine Art
von Daſeyn lieh.

Das Wort alſo hatte hier das Wort geſagt.
Die Sprache war die gewaltige Scheiderin, die
das Beſondere von dem Allgemeinen trennte, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009" n="7"/>
die Aehnlichkeit nicht verbergen und &#x017F;chwieg be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mt und blo&#x0364;de vor der fremdem Er&#x017F;cheinung.<lb/>
Sie aber erhob ihre Stimme und redete mich laut<lb/>
in dem Gei&#x017F;te meiner Sprache an, ohne daß ich<lb/>
&#x017F;ie ver&#x017F;tand. Da riß das Traumnetz vollends, <hi rendition="#g">der<lb/>
Klang des lebendigen Da&#x017F;eyns war ein<lb/>
andrer,</hi> die Phy&#x017F;iognomie jener bleichenden Um-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;e blieb unbeweglich, die Seele flu&#x0364;chtete zu der<lb/>
allgemeinen Welt&#x017F;eele, denn &#x017F;ie geho&#x0364;rte der Men&#x017F;ch-<lb/>
heit u&#x0364;berhaupt, ohne ihr be&#x017F;ondres Recht auf die<lb/>
deut&#x017F;che Nation behaupten zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Dies rein men&#x017F;chliche Einver&#x017F;ta&#x0364;ndniß</hi>,<lb/>
das innig empfunden und warm vom Herzen zum<lb/>
Herzen redete, war es, was mich, was viele Andre<lb/>
noch heut zur Stunde u&#x0364;ber die individuelle Aehn-<lb/>
lichkeit ta&#x0364;u&#x017F;chte, die&#x017F;e aber i&#x017F;t und bleibt nur der<lb/>
&#x017F;pielende Wieder&#x017F;chein geheimer innerer Verwand-<lb/>
&#x017F;chaft, die den willku&#x0364;hrlichen Formen eine Art<lb/>
von Da&#x017F;eyn lieh.</p><lb/>
        <p>Das Wort al&#x017F;o hatte hier das Wort ge&#x017F;agt.<lb/>
Die Sprache war die gewaltige Scheiderin, die<lb/>
das Be&#x017F;ondere von dem Allgemeinen trennte, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0009] die Aehnlichkeit nicht verbergen und ſchwieg be- ſchaͤmt und bloͤde vor der fremdem Erſcheinung. Sie aber erhob ihre Stimme und redete mich laut in dem Geiſte meiner Sprache an, ohne daß ich ſie verſtand. Da riß das Traumnetz vollends, der Klang des lebendigen Daſeyns war ein andrer, die Phyſiognomie jener bleichenden Um- riſſe blieb unbeweglich, die Seele fluͤchtete zu der allgemeinen Weltſeele, denn ſie gehoͤrte der Menſch- heit uͤberhaupt, ohne ihr beſondres Recht auf die deutſche Nation behaupten zu koͤnnen. Dies rein menſchliche Einverſtaͤndniß, das innig empfunden und warm vom Herzen zum Herzen redete, war es, was mich, was viele Andre noch heut zur Stunde uͤber die individuelle Aehn- lichkeit taͤuſchte, dieſe aber iſt und bleibt nur der ſpielende Wiederſchein geheimer innerer Verwand- ſchaft, die den willkuͤhrlichen Formen eine Art von Daſeyn lieh. Das Wort alſo hatte hier das Wort geſagt. Die Sprache war die gewaltige Scheiderin, die das Beſondere von dem Allgemeinen trennte, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/9
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/9>, abgerufen am 24.04.2024.