Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Hermessäulen, die weder Hände zum Erfassen, noch
Füße zum Vorschreiten hatten.]

Nun dann, beim ewigen Himmel! der ernste,
unverstandene Gott hat seine gewaltigen Glieder ge-
regt, und ich denke, Kind und Kindeskind werden
nicht aufhören, von seinen Thaten zu sprechen. Wie
die Natur, deren tiefsinniger Hieroglyphe wir hier
verglichen werden, in sich zurückgezogen, still und
ficher ihren gesetzlichen Gang fortgeht, so verharrte
Deutschland, Schmach und Tadel nicht achtend, die
rächende Hand verborgen, den ungeduldigen Fuß
in Treue und Gehorsam gebunden, bis die Ord-
nung des Lebens den Tag der Vergeltung herauf-
rief. Die stumme Kraft hat geredet, und voreili-
ges Urtheil muß beschämt bereuen.

Dies im Gesetz bedingte Streben des Deut-
schen ist es denn auch, was Frau von Stael nie-
mals gehörig würdigte, und das ihr gleichwohl,
niemal erkannt, den Schlüssel zu allen Widersprü-
chen von selbst gegeben hätte. Jn Philosophie wie
Politik hat sie den heiligen nie gestillten Drang,

Hermesſaͤulen, die weder Haͤnde zum Erfaſſen, noch
Fuͤße zum Vorſchreiten hatten.]

Nun dann, beim ewigen Himmel! der ernſte,
unverſtandene Gott hat ſeine gewaltigen Glieder ge-
regt, und ich denke, Kind und Kindeskind werden
nicht aufhoͤren, von ſeinen Thaten zu ſprechen. Wie
die Natur, deren tiefſinniger Hieroglyphe wir hier
verglichen werden, in ſich zuruͤckgezogen, ſtill und
ficher ihren geſetzlichen Gang fortgeht, ſo verharrte
Deutſchland, Schmach und Tadel nicht achtend, die
raͤchende Hand verborgen, den ungeduldigen Fuß
in Treue und Gehorſam gebunden, bis die Ord-
nung des Lebens den Tag der Vergeltung herauf-
rief. Die ſtumme Kraft hat geredet, und voreili-
ges Urtheil muß beſchaͤmt bereuen.

Dies im Geſetz bedingte Streben des Deut-
ſchen iſt es denn auch, was Frau von Stael nie-
mals gehoͤrig wuͤrdigte, und das ihr gleichwohl,
niemal erkannt, den Schluͤſſel zu allen Widerſpruͤ-
chen von ſelbſt gegeben haͤtte. Jn Philoſophie wie
Politik hat ſie den heiligen nie geſtillten Drang,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="21"/>
Hermes&#x017F;a&#x0364;ulen, die weder Ha&#x0364;nde zum Erfa&#x017F;&#x017F;en, noch<lb/>
Fu&#x0364;ße zum Vor&#x017F;chreiten hatten.]</p><lb/>
        <p>Nun dann, beim ewigen Himmel! der ern&#x017F;te,<lb/>
unver&#x017F;tandene Gott hat &#x017F;eine gewaltigen Glieder ge-<lb/>
regt, und ich denke, Kind und Kindeskind werden<lb/>
nicht aufho&#x0364;ren, von &#x017F;einen Thaten zu &#x017F;prechen. Wie<lb/>
die Natur, deren tief&#x017F;inniger Hieroglyphe wir hier<lb/>
verglichen werden, in &#x017F;ich zuru&#x0364;ckgezogen, &#x017F;till und<lb/>
ficher ihren ge&#x017F;etzlichen Gang fortgeht, &#x017F;o verharrte<lb/>
Deut&#x017F;chland, Schmach und Tadel nicht achtend, die<lb/>
ra&#x0364;chende Hand verborgen, den ungeduldigen Fuß<lb/>
in Treue und Gehor&#x017F;am gebunden, bis die Ord-<lb/>
nung des Lebens den Tag der Vergeltung herauf-<lb/>
rief. Die &#x017F;tumme Kraft hat geredet, und voreili-<lb/>
ges Urtheil muß be&#x017F;cha&#x0364;mt bereuen.</p><lb/>
        <p>Dies im Ge&#x017F;etz bedingte Streben des Deut-<lb/>
&#x017F;chen i&#x017F;t es denn auch, was Frau von Stael nie-<lb/>
mals geho&#x0364;rig wu&#x0364;rdigte, und das ihr gleichwohl,<lb/>
niemal erkannt, den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zu allen Wider&#x017F;pru&#x0364;-<lb/>
chen von &#x017F;elb&#x017F;t gegeben ha&#x0364;tte. Jn Philo&#x017F;ophie wie<lb/>
Politik hat &#x017F;ie den heiligen nie ge&#x017F;tillten Drang,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0023] Hermesſaͤulen, die weder Haͤnde zum Erfaſſen, noch Fuͤße zum Vorſchreiten hatten.] Nun dann, beim ewigen Himmel! der ernſte, unverſtandene Gott hat ſeine gewaltigen Glieder ge- regt, und ich denke, Kind und Kindeskind werden nicht aufhoͤren, von ſeinen Thaten zu ſprechen. Wie die Natur, deren tiefſinniger Hieroglyphe wir hier verglichen werden, in ſich zuruͤckgezogen, ſtill und ficher ihren geſetzlichen Gang fortgeht, ſo verharrte Deutſchland, Schmach und Tadel nicht achtend, die raͤchende Hand verborgen, den ungeduldigen Fuß in Treue und Gehorſam gebunden, bis die Ord- nung des Lebens den Tag der Vergeltung herauf- rief. Die ſtumme Kraft hat geredet, und voreili- ges Urtheil muß beſchaͤmt bereuen. Dies im Geſetz bedingte Streben des Deut- ſchen iſt es denn auch, was Frau von Stael nie- mals gehoͤrig wuͤrdigte, und das ihr gleichwohl, niemal erkannt, den Schluͤſſel zu allen Widerſpruͤ- chen von ſelbſt gegeben haͤtte. Jn Philoſophie wie Politik hat ſie den heiligen nie geſtillten Drang,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/23
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/23>, abgerufen am 28.03.2024.