Anbau eines einzigen, noch dazu so unge¬ wissen Produktes, wie der Wein, einschränkt. Aber auch in ergiebigeren Gegenden bleibt der Weinbauer ein ärgerliches Beispiel von Indolenz und daraus entspringender Verderbt¬ heit des moralischen Charakters. Der Wein¬ hau beschäftigt ihn nur wenige Tage im Jahr auf eine anstrengende Art; bei dem Jäten, dem Beschneiden der Reben u. s. w. gewöhnt er sich an den Müßiggang, und innerhalb seiner Wände treibt er selten ein Gewerbe, welches ihm ein sicheres Brodt gewähren könnte. Sechs Jahrs behilft er sich kümmer¬ lich, oder anticipirt den Kaufpreis der end¬ lich zu hoffenden glücklichen Weinlese, die gewöhnlich doch alle sieben oder acht Jahre einmal zu gerathen pflegt; und ist nun der Wein endlich trinkbar und in Menge vorhan¬ den, so schwelgt er eine Zeitlang von dem Gewinne, der ihm nach Abzug der erhaltenen
Anbau eines einzigen, noch dazu so unge¬ wissen Produktes, wie der Wein, einschränkt. Aber auch in ergiebigeren Gegenden bleibt der Weinbauer ein ärgerliches Beispiel von Indolenz und daraus entspringender Verderbt¬ heit des moralischen Charakters. Der Wein¬ hau beschäftigt ihn nur wenige Tage im Jahr auf eine anstrengende Art; bei dem Jäten, dem Beschneiden der Reben u. s. w. gewöhnt er sich an den Müßiggang, und innerhalb seiner Wände treibt er selten ein Gewerbe, welches ihm ein sicheres Brodt gewähren könnte. Sechs Jahrs behilft er sich kümmer¬ lich, oder anticipirt den Kaufpreis der end¬ lich zu hoffenden glücklichen Weinlese, die gewöhnlich doch alle sieben oder acht Jahre einmal zu gerathen pflegt; und ist nun der Wein endlich trinkbar und in Menge vorhan¬ den, so schwelgt er eine Zeitlang von dem Gewinne, der ihm nach Abzug der erhaltenen
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[14/0026]
Anbau eines einzigen, noch dazu so unge¬
wissen Produktes, wie der Wein, einschränkt.
Aber auch in ergiebigeren Gegenden bleibt
der Weinbauer ein ärgerliches Beispiel von
Indolenz und daraus entspringender Verderbt¬
heit des moralischen Charakters. Der Wein¬
hau beschäftigt ihn nur wenige Tage im Jahr
auf eine anstrengende Art; bei dem Jäten,
dem Beschneiden der Reben u. s. w. gewöhnt
er sich an den Müßiggang, und innerhalb
seiner Wände treibt er selten ein Gewerbe,
welches ihm ein sicheres Brodt gewähren
könnte. Sechs Jahrs behilft er sich kümmer¬
lich, oder anticipirt den Kaufpreis der end¬
lich zu hoffenden glücklichen Weinlese, die
gewöhnlich doch alle sieben oder acht Jahre
einmal zu gerathen pflegt; und ist nun der
Wein endlich trinkbar und in Menge vorhan¬
den, so schwelgt er eine Zeitlang von dem
Gewinne, der ihm nach Abzug der erhaltenen
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/26>, abgerufen am 29.03.2024.
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