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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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Götter neben sich duldete, warf sich in seinen Stuhl
zurück und sagte, während er sein Kinn und seinen
Spitzbart strich: "Es wird Sie nicht überraschen, mich
im Dissens zu finden."

"O, gewiß nicht," lachte Sander.

"Nur dagegen möcht' ich mich verwahren, als ob
ich durch einen solchen Dissens irgendwie den Anwalt
dieses pfäffischen Zacharias Werner zu machen gedächte,
der mir in seinen mystisch-romantischen Tendenzen ein¬
fach zuwider ist. Ich bin Niemandes Anwalt. . . ."

"Auch nicht Luthers?" fragte Schach ironisch.

"Auch nicht Luthers!"

"Ein Glück, daß er dessen entbehren kann....."

"Aber auf wie lange?" fuhr Bülow sich auf¬
richtend fort. "Glauben Sie mir, Herr v. Schach,
auch er ist in der Decadence, wie so viel anderes mit
ihm, und über ein Kleines wird keine Generalanwalt¬
schaft der Welt ihn halten können."

"Ich habe Napoleon von einer ,Episode Preußen'
sprechen hören," erwiderte Schach. "Wollen uns die
Herren Neuerer, und Herr v. Bülow an ihrer Spitze,
vielleicht auch mit einer ,Episode Luther' beglücken?"

"Es ist so. Sie treffen es. Übrigens sind nicht
wir es, die dies Episodentum schaffen wollen. Der¬
gleichen schafft nicht der Einzelne, die Geschichte schafft
es. Und dabei wird sich ein wunderbarer Zusammen¬
hang zwischen der Episode Preußen und der Episode

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Götter neben ſich duldete, warf ſich in ſeinen Stuhl
zurück und ſagte, während er ſein Kinn und ſeinen
Spitzbart ſtrich: „Es wird Sie nicht überraſchen, mich
im Diſſens zu finden.“

„O, gewiß nicht,“ lachte Sander.

„Nur dagegen möcht' ich mich verwahren, als ob
ich durch einen ſolchen Diſſens irgendwie den Anwalt
dieſes pfäffiſchen Zacharias Werner zu machen gedächte,
der mir in ſeinen myſtiſch-romantiſchen Tendenzen ein¬
fach zuwider iſt. Ich bin Niemandes Anwalt. . . .“

„Auch nicht Luthers?“ fragte Schach ironiſch.

„Auch nicht Luthers!“

„Ein Glück, daß er deſſen entbehren kann.....“

„Aber auf wie lange?“ fuhr Bülow ſich auf¬
richtend fort. „Glauben Sie mir, Herr v. Schach,
auch er iſt in der Decadence, wie ſo viel anderes mit
ihm, und über ein Kleines wird keine Generalanwalt¬
ſchaft der Welt ihn halten können.“

„Ich habe Napoleon von einer ,Epiſode Preußen‘
ſprechen hören,“ erwiderte Schach. „Wollen uns die
Herren Neuerer, und Herr v. Bülow an ihrer Spitze,
vielleicht auch mit einer ‚Epiſode Luther‘ beglücken?“

„Es iſt ſo. Sie treffen es. Übrigens ſind nicht
wir es, die dies Epiſodentum ſchaffen wollen. Der¬
gleichen ſchafft nicht der Einzelne, die Geſchichte ſchafft
es. Und dabei wird ſich ein wunderbarer Zuſammen¬
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[17/0029] Götter neben ſich duldete, warf ſich in ſeinen Stuhl zurück und ſagte, während er ſein Kinn und ſeinen Spitzbart ſtrich: „Es wird Sie nicht überraſchen, mich im Diſſens zu finden.“ „O, gewiß nicht,“ lachte Sander. „Nur dagegen möcht' ich mich verwahren, als ob ich durch einen ſolchen Diſſens irgendwie den Anwalt dieſes pfäffiſchen Zacharias Werner zu machen gedächte, der mir in ſeinen myſtiſch-romantiſchen Tendenzen ein¬ fach zuwider iſt. Ich bin Niemandes Anwalt. . . .“ „Auch nicht Luthers?“ fragte Schach ironiſch. „Auch nicht Luthers!“ „Ein Glück, daß er deſſen entbehren kann.....“ „Aber auf wie lange?“ fuhr Bülow ſich auf¬ richtend fort. „Glauben Sie mir, Herr v. Schach, auch er iſt in der Decadence, wie ſo viel anderes mit ihm, und über ein Kleines wird keine Generalanwalt¬ ſchaft der Welt ihn halten können.“ „Ich habe Napoleon von einer ,Epiſode Preußen‘ ſprechen hören,“ erwiderte Schach. „Wollen uns die Herren Neuerer, und Herr v. Bülow an ihrer Spitze, vielleicht auch mit einer ‚Epiſode Luther‘ beglücken?“ „Es iſt ſo. Sie treffen es. Übrigens ſind nicht wir es, die dies Epiſodentum ſchaffen wollen. Der¬ gleichen ſchafft nicht der Einzelne, die Geſchichte ſchafft es. Und dabei wird ſich ein wunderbarer Zuſammen¬ hang zwiſchen der Epiſode Preußen und der Epiſode 2

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/29>, abgerufen am 19.04.2024.