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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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"Nicht doch. Ich liebe sie, weil sie ritterlich und
unglücklich sind."

"Auch das. Es läßt sich dergleichen sagen. Und
um dies ihr Unglück könnte man sie beinah beneiden,
denn es trägt ihnen die Sympathien aller Damen¬
herzen ein. In Fraueneroberungen haben sie, von
alter Zeit her, die glänzendste Kriegsgeschichte."

"Und wer rettete . ."

"Sie kennen meine ketzerischen Ansichten über
Rettungen. Und nun gar Wien! Es wurde gerettet.
Allerdings. Aber wozu? Meine Phantasie schwelgt
ordentlich in der Vorstellung, eine Favoritsultanin in
der Krypta der Kapuziner stehen zu sehen. Vielleicht
da, wo jetzt Maria Theresia steht. Etwas vom
Islam ist bei diesen Hahndel- und Fasahndelmännern
immer zu Hause gewesen, und Europa hätt' ein
bischen mehr von Serail- oder Haremwirtschaft ohne
großen Schaden ertragen . ."

Ein eintretender Diener meldete den Rittmeister
v. Schach, und ein Schimmer freudiger Über¬
raschung überflog beide Damen, als der Ange¬
meldete gleich darnach eintrat. Er küßte der Frau
v. Carayon die Hand, verneigte sich gegen Victoire,
und begrüßte dann Alvensleben mit Herzlichkeit, Bülow
und Sander aber mit Zurückhaltung.

"Ich fürchte, Herrn v. Bülow unterbrochen zu
haben . . ."

„Nicht doch. Ich liebe ſie, weil ſie ritterlich und
unglücklich ſind.“

„Auch das. Es läßt ſich dergleichen ſagen. Und
um dies ihr Unglück könnte man ſie beinah beneiden,
denn es trägt ihnen die Sympathien aller Damen¬
herzen ein. In Fraueneroberungen haben ſie, von
alter Zeit her, die glänzendſte Kriegsgeſchichte.“

„Und wer rettete . .“

„Sie kennen meine ketzeriſchen Anſichten über
Rettungen. Und nun gar Wien! Es wurde gerettet.
Allerdings. Aber wozu? Meine Phantaſie ſchwelgt
ordentlich in der Vorſtellung, eine Favoritſultanin in
der Krypta der Kapuziner ſtehen zu ſehen. Vielleicht
da, wo jetzt Maria Thereſia ſteht. Etwas vom
Islam iſt bei dieſen Hahndel- und Faſahndelmännern
immer zu Hauſe geweſen, und Europa hätt' ein
bischen mehr von Serail- oder Haremwirtſchaft ohne
großen Schaden ertragen . .“

Ein eintretender Diener meldete den Rittmeiſter
v. Schach, und ein Schimmer freudiger Über¬
raſchung überflog beide Damen, als der Ange¬
meldete gleich darnach eintrat. Er küßte der Frau
v. Carayon die Hand, verneigte ſich gegen Victoire,
und begrüßte dann Alvensleben mit Herzlichkeit, Bülow
und Sander aber mit Zurückhaltung.

„Ich fürchte, Herrn v. Bülow unterbrochen zu
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[6/0018] „Nicht doch. Ich liebe ſie, weil ſie ritterlich und unglücklich ſind.“ „Auch das. Es läßt ſich dergleichen ſagen. Und um dies ihr Unglück könnte man ſie beinah beneiden, denn es trägt ihnen die Sympathien aller Damen¬ herzen ein. In Fraueneroberungen haben ſie, von alter Zeit her, die glänzendſte Kriegsgeſchichte.“ „Und wer rettete . .“ „Sie kennen meine ketzeriſchen Anſichten über Rettungen. Und nun gar Wien! Es wurde gerettet. Allerdings. Aber wozu? Meine Phantaſie ſchwelgt ordentlich in der Vorſtellung, eine Favoritſultanin in der Krypta der Kapuziner ſtehen zu ſehen. Vielleicht da, wo jetzt Maria Thereſia ſteht. Etwas vom Islam iſt bei dieſen Hahndel- und Faſahndelmännern immer zu Hauſe geweſen, und Europa hätt' ein bischen mehr von Serail- oder Haremwirtſchaft ohne großen Schaden ertragen . .“ Ein eintretender Diener meldete den Rittmeiſter v. Schach, und ein Schimmer freudiger Über¬ raſchung überflog beide Damen, als der Ange¬ meldete gleich darnach eintrat. Er küßte der Frau v. Carayon die Hand, verneigte ſich gegen Victoire, und begrüßte dann Alvensleben mit Herzlichkeit, Bülow und Sander aber mit Zurückhaltung. „Ich fürchte, Herrn v. Bülow unterbrochen zu haben . . .“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/18>, abgerufen am 24.04.2024.