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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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wölbten sich die schönen alten Kastanienbäume, was
ihrem Anritt etwas Anheimelndes und zugleich etwas
beinah Feierliches gab.

"Das ist ja wie ein Kirchenschiff," sagte Rex,
der am linken Flügel ritt. "Finden Sie nicht auch,
Czako?"

"Wenn Sie wollen, ja. Aber Pardon, Rex, ich
finde die Wendung etwas trivial für einen Ministerial¬
assessor."

"Nun gut, dann sagen Sie was Besseres."

"Ich werde mich hüten. Wer unter solchen Um¬
ständen was Besseres sagen will, sagt immer was
Schlechteres."

Unter diesem sich noch eine Weile fortsetzenden
Gespräche waren sie bis an einem Punkt gekommen,
von dem aus man das am Ende der Avenue sich auf¬
bauende Bild in aller Klarheit überblicken konnte. Da¬
bei war das Bild nicht bloß klar, sondern auch so
frappierend, daß Rex und Czako unwillkürlich anhielten.

"Alle Wetter, Stechlin, das ist ja reizend," wandte
sich Czako zu dem am andern Flügel reitenden Wolde¬
mar. "Ich find' es geradezu märchenhaft, Fata Mor¬
gana -- das heißt, ich habe noch keine gesehn. Die
gelbe Wand, die da noch das letzte Tageslicht auffängt,
das ist wohl Ihr Zauberschloß? Und das Stückchen
Grau da links, das taxier' ich auf eine Kirchenecke.
Bleibt nur noch der Staketzaun an der andern Seite;
-- da wohnt natürlich der Schulmeister. Ich verbürge
mich, daß ich's damit getroffen. Aber die zwei schwarzen
Riesen, die da grad' in der Mitte stehn und sich von
der gelben Wand abheben ("abheben" ist übrigens auch
trivial; entschuldigen Sie, Rex), die stehen ja da wie
die Cherubim. Allerdings etwas zu schwarz. Was sind
das für Leute?"

"Das sind Findlinge."

Fontane, Der Stechlin. 2

wölbten ſich die ſchönen alten Kaſtanienbäume, was
ihrem Anritt etwas Anheimelndes und zugleich etwas
beinah Feierliches gab.

„Das iſt ja wie ein Kirchenſchiff,“ ſagte Rex,
der am linken Flügel ritt. „Finden Sie nicht auch,
Czako?“

„Wenn Sie wollen, ja. Aber Pardon, Rex, ich
finde die Wendung etwas trivial für einen Miniſterial¬
aſſeſſor.“

„Nun gut, dann ſagen Sie was Beſſeres.“

„Ich werde mich hüten. Wer unter ſolchen Um¬
ſtänden was Beſſeres ſagen will, ſagt immer was
Schlechteres.“

Unter dieſem ſich noch eine Weile fortſetzenden
Geſpräche waren ſie bis an einem Punkt gekommen,
von dem aus man das am Ende der Avenue ſich auf¬
bauende Bild in aller Klarheit überblicken konnte. Da¬
bei war das Bild nicht bloß klar, ſondern auch ſo
frappierend, daß Rex und Czako unwillkürlich anhielten.

„Alle Wetter, Stechlin, das iſt ja reizend,“ wandte
ſich Czako zu dem am andern Flügel reitenden Wolde¬
mar. „Ich find' es geradezu märchenhaft, Fata Mor¬
gana — das heißt, ich habe noch keine geſehn. Die
gelbe Wand, die da noch das letzte Tageslicht auffängt,
das iſt wohl Ihr Zauberſchloß? Und das Stückchen
Grau da links, das taxier' ich auf eine Kirchenecke.
Bleibt nur noch der Staketzaun an der andern Seite;
— da wohnt natürlich der Schulmeiſter. Ich verbürge
mich, daß ich's damit getroffen. Aber die zwei ſchwarzen
Rieſen, die da grad' in der Mitte ſtehn und ſich von
der gelben Wand abheben („abheben“ iſt übrigens auch
trivial; entſchuldigen Sie, Rex), die ſtehen ja da wie
die Cherubim. Allerdings etwas zu ſchwarz. Was ſind
das für Leute?“

„Das ſind Findlinge.“

Fontane, Der Stechlin. 2
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[17/0024] wölbten ſich die ſchönen alten Kaſtanienbäume, was ihrem Anritt etwas Anheimelndes und zugleich etwas beinah Feierliches gab. „Das iſt ja wie ein Kirchenſchiff,“ ſagte Rex, der am linken Flügel ritt. „Finden Sie nicht auch, Czako?“ „Wenn Sie wollen, ja. Aber Pardon, Rex, ich finde die Wendung etwas trivial für einen Miniſterial¬ aſſeſſor.“ „Nun gut, dann ſagen Sie was Beſſeres.“ „Ich werde mich hüten. Wer unter ſolchen Um¬ ſtänden was Beſſeres ſagen will, ſagt immer was Schlechteres.“ Unter dieſem ſich noch eine Weile fortſetzenden Geſpräche waren ſie bis an einem Punkt gekommen, von dem aus man das am Ende der Avenue ſich auf¬ bauende Bild in aller Klarheit überblicken konnte. Da¬ bei war das Bild nicht bloß klar, ſondern auch ſo frappierend, daß Rex und Czako unwillkürlich anhielten. „Alle Wetter, Stechlin, das iſt ja reizend,“ wandte ſich Czako zu dem am andern Flügel reitenden Wolde¬ mar. „Ich find' es geradezu märchenhaft, Fata Mor¬ gana — das heißt, ich habe noch keine geſehn. Die gelbe Wand, die da noch das letzte Tageslicht auffängt, das iſt wohl Ihr Zauberſchloß? Und das Stückchen Grau da links, das taxier' ich auf eine Kirchenecke. Bleibt nur noch der Staketzaun an der andern Seite; — da wohnt natürlich der Schulmeiſter. Ich verbürge mich, daß ich's damit getroffen. Aber die zwei ſchwarzen Rieſen, die da grad' in der Mitte ſtehn und ſich von der gelben Wand abheben („abheben“ iſt übrigens auch trivial; entſchuldigen Sie, Rex), die ſtehen ja da wie die Cherubim. Allerdings etwas zu ſchwarz. Was ſind das für Leute?“ „Das ſind Findlinge.“ Fontane, Der Stechlin. 2

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/24>, abgerufen am 23.04.2024.