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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sechsten Kürassieren gestanden, und Bismarck bloß bei
den siebenten, und die kleinere Zahl ist in Preußen be¬
kanntlich immer die größere; -- ich bin ihm also einen
über. Und Friedrichsruh, wo alles jetzt hinpilgert, soll
auch bloß 'ne Kate sein. Darin sind wir uns also
gleich. Und solchen See, wie den "Stechlin", nu, den
hat er schon ganz gewiß nicht. So was kommt über¬
haupt bloß selten vor."

Ja, auf seinen See war Dubslav stolz, aber desto¬
weniger stolz war er auf sein Schloß, weshalb es ihn
auch verdroß, wenn es überhaupt so genannt wurde.
Von den armen Leuten ließ er sich's gefallen: "Für die
ist es ein "Schloß", aber sonst ist es ein alter Kasten
und weiter nichts." Und so sprach er denn lieber von
seinem "Haus", und wenn er einen Brief schrieb, so
stand darüber "Haus Stechlin". Er war sich auch be¬
wußt, daß es kein Schloßleben war, das er führte. Vor¬
dem, als der alte Backsteinbau noch stand, mit seinen
dicken Türmen und seinem Luginsland, von dem aus
man, über die Kronen der Bäume weg, weit ins Land
hinaussah, ja, damals war hier ein Schloßleben gewesen,
und die derzeitigen alten Stechline hatten teilgenommen
an allen Festlichkeiten, wie sie die Ruppiner Grafen und
die mecklenburgischen Herzöge gaben, und waren mit
den Boitzenburgern und den Bassewitzens verschwägert
gewesen. Aber heute waren die Stechline Leute von
schwachen Mitteln, die sich nur eben noch hielten und
beständig bemüht waren, durch eine "gute Partie" sich
wieder leidlich in die Höhe zu bringen. Auch Dubslavs
Vater war auf die Weise zu seinen drei Frauen gekommen,
unter denen freilich nur die erste das in sie gesetzte Ver¬
trauen gerechtfertigt hatte. Für den jetzigen Schlo߬
herrn, der von der zweiten Frau stammte, hatte sich
daraus leider kein unmittelbarer Vorteil ergeben, und
Dubslav von Stechlin wäre kleiner und großer Sorgen

ſechſten Küraſſieren geſtanden, und Bismarck bloß bei
den ſiebenten, und die kleinere Zahl iſt in Preußen be¬
kanntlich immer die größere; — ich bin ihm alſo einen
über. Und Friedrichsruh, wo alles jetzt hinpilgert, ſoll
auch bloß 'ne Kate ſein. Darin ſind wir uns alſo
gleich. Und ſolchen See, wie den „Stechlin“, nu, den
hat er ſchon ganz gewiß nicht. So was kommt über¬
haupt bloß ſelten vor.“

Ja, auf ſeinen See war Dubslav ſtolz, aber deſto¬
weniger ſtolz war er auf ſein Schloß, weshalb es ihn
auch verdroß, wenn es überhaupt ſo genannt wurde.
Von den armen Leuten ließ er ſich's gefallen: „Für die
iſt es ein „Schloß“, aber ſonſt iſt es ein alter Kaſten
und weiter nichts.“ Und ſo ſprach er denn lieber von
ſeinem „Haus“, und wenn er einen Brief ſchrieb, ſo
ſtand darüber „Haus Stechlin“. Er war ſich auch be¬
wußt, daß es kein Schloßleben war, das er führte. Vor¬
dem, als der alte Backſteinbau noch ſtand, mit ſeinen
dicken Türmen und ſeinem Luginsland, von dem aus
man, über die Kronen der Bäume weg, weit ins Land
hinausſah, ja, damals war hier ein Schloßleben geweſen,
und die derzeitigen alten Stechline hatten teilgenommen
an allen Feſtlichkeiten, wie ſie die Ruppiner Grafen und
die mecklenburgiſchen Herzöge gaben, und waren mit
den Boitzenburgern und den Baſſewitzens verſchwägert
geweſen. Aber heute waren die Stechline Leute von
ſchwachen Mitteln, die ſich nur eben noch hielten und
beſtändig bemüht waren, durch eine „gute Partie“ ſich
wieder leidlich in die Höhe zu bringen. Auch Dubslavs
Vater war auf die Weiſe zu ſeinen drei Frauen gekommen,
unter denen freilich nur die erſte das in ſie geſetzte Ver¬
trauen gerechtfertigt hatte. Für den jetzigen Schlo߬
herrn, der von der zweiten Frau ſtammte, hatte ſich
daraus leider kein unmittelbarer Vorteil ergeben, und
Dubslav von Stechlin wäre kleiner und großer Sorgen

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[9/0016] ſechſten Küraſſieren geſtanden, und Bismarck bloß bei den ſiebenten, und die kleinere Zahl iſt in Preußen be¬ kanntlich immer die größere; — ich bin ihm alſo einen über. Und Friedrichsruh, wo alles jetzt hinpilgert, ſoll auch bloß 'ne Kate ſein. Darin ſind wir uns alſo gleich. Und ſolchen See, wie den „Stechlin“, nu, den hat er ſchon ganz gewiß nicht. So was kommt über¬ haupt bloß ſelten vor.“ Ja, auf ſeinen See war Dubslav ſtolz, aber deſto¬ weniger ſtolz war er auf ſein Schloß, weshalb es ihn auch verdroß, wenn es überhaupt ſo genannt wurde. Von den armen Leuten ließ er ſich's gefallen: „Für die iſt es ein „Schloß“, aber ſonſt iſt es ein alter Kaſten und weiter nichts.“ Und ſo ſprach er denn lieber von ſeinem „Haus“, und wenn er einen Brief ſchrieb, ſo ſtand darüber „Haus Stechlin“. Er war ſich auch be¬ wußt, daß es kein Schloßleben war, das er führte. Vor¬ dem, als der alte Backſteinbau noch ſtand, mit ſeinen dicken Türmen und ſeinem Luginsland, von dem aus man, über die Kronen der Bäume weg, weit ins Land hinausſah, ja, damals war hier ein Schloßleben geweſen, und die derzeitigen alten Stechline hatten teilgenommen an allen Feſtlichkeiten, wie ſie die Ruppiner Grafen und die mecklenburgiſchen Herzöge gaben, und waren mit den Boitzenburgern und den Baſſewitzens verſchwägert geweſen. Aber heute waren die Stechline Leute von ſchwachen Mitteln, die ſich nur eben noch hielten und beſtändig bemüht waren, durch eine „gute Partie“ ſich wieder leidlich in die Höhe zu bringen. Auch Dubslavs Vater war auf die Weiſe zu ſeinen drei Frauen gekommen, unter denen freilich nur die erſte das in ſie geſetzte Ver¬ trauen gerechtfertigt hatte. Für den jetzigen Schlo߬ herrn, der von der zweiten Frau ſtammte, hatte ſich daraus leider kein unmittelbarer Vorteil ergeben, und Dubslav von Stechlin wäre kleiner und großer Sorgen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/16>, abgerufen am 29.03.2024.