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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Herrenhaus auf, ein gelbgetünchter Bau mit hohem
Dach und zwei Blitzableitern.

Auch dieses Herrenhaus heißt Stechlin, Schloß
Stechlin.


Etliche hundert Jahre zurück stand hier ein wirk¬
liches Schloß, ein Backsteinbau mit dicken Rundtürmen,
aus welcher Zeit her auch noch der Graben stammt,
der die von ihm durchschnittene, sich in den See hinein¬
erstreckende Landzunge zu einer kleinen Insel machte.
Das ging so bis in die Tage der Reformation.
Während der Schwedenzeit aber wurde das alte Schloß
niedergelegt, und man schien es seinem gänzlichen Ver¬
fall überlassen, auch nichts an seine Stelle setzen zu
wollen, bis kurz nach dem Regierungsantritt Friedrich
Wilhelms I. die ganze Trümmermasse beiseite geschafft
und ein Neubau beliebt wurde. Dieser Neubau war
das Haus, das jetzt noch stand. Es hatte denselben
nüchternen Charakter wie fast alles, was unter dem
Soldatenkönig entstand, und war nichts weiter als ein
einfaches Corps de logis, dessen zwei vorspringende, bis
dicht an den Graben reichende Seitenflügel ein Hufeisen
und innerhalb desselben einen kahlen Vorhof bildeten,
auf dem, als einziges Schmuckstück, eine große blanke
Glaskugel sich präsentierte. Sonst sah man nichts als
eine vor dem Hause sich hinziehende Rampe, von deren
dem Hofe zugekehrter Vorderwand der Kalk schon wieder
abfiel. Gleichzeitig war aber doch ein Bestreben unver¬
kennbar, gerade diese Rampe zu was Besonderem zu
machen, und zwar mit Hilfe mehrerer Kübel mit
exotischen Blattpflanzen, darunter zwei Aloes, von denen
die eine noch gut im Stande, die andre dagegen krank
war. Aber gerade diese kranke war der Liebling des
Schloßherrn, weil sie jeden Sommer in einer ihr

Herrenhaus auf, ein gelbgetünchter Bau mit hohem
Dach und zwei Blitzableitern.

Auch dieſes Herrenhaus heißt Stechlin, Schloß
Stechlin.


Etliche hundert Jahre zurück ſtand hier ein wirk¬
liches Schloß, ein Backſteinbau mit dicken Rundtürmen,
aus welcher Zeit her auch noch der Graben ſtammt,
der die von ihm durchſchnittene, ſich in den See hinein¬
erſtreckende Landzunge zu einer kleinen Inſel machte.
Das ging ſo bis in die Tage der Reformation.
Während der Schwedenzeit aber wurde das alte Schloß
niedergelegt, und man ſchien es ſeinem gänzlichen Ver¬
fall überlaſſen, auch nichts an ſeine Stelle ſetzen zu
wollen, bis kurz nach dem Regierungsantritt Friedrich
Wilhelms I. die ganze Trümmermaſſe beiſeite geſchafft
und ein Neubau beliebt wurde. Dieſer Neubau war
das Haus, das jetzt noch ſtand. Es hatte denſelben
nüchternen Charakter wie faſt alles, was unter dem
Soldatenkönig entſtand, und war nichts weiter als ein
einfaches Corps de logis, deſſen zwei vorſpringende, bis
dicht an den Graben reichende Seitenflügel ein Hufeiſen
und innerhalb desſelben einen kahlen Vorhof bildeten,
auf dem, als einziges Schmuckſtück, eine große blanke
Glaskugel ſich präſentierte. Sonſt ſah man nichts als
eine vor dem Hauſe ſich hinziehende Rampe, von deren
dem Hofe zugekehrter Vorderwand der Kalk ſchon wieder
abfiel. Gleichzeitig war aber doch ein Beſtreben unver¬
kennbar, gerade dieſe Rampe zu was Beſonderem zu
machen, und zwar mit Hilfe mehrerer Kübel mit
exotiſchen Blattpflanzen, darunter zwei Aloes, von denen
die eine noch gut im Stande, die andre dagegen krank
war. Aber gerade dieſe kranke war der Liebling des
Schloßherrn, weil ſie jeden Sommer in einer ihr

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[5/0012] Herrenhaus auf, ein gelbgetünchter Bau mit hohem Dach und zwei Blitzableitern. Auch dieſes Herrenhaus heißt Stechlin, Schloß Stechlin. Etliche hundert Jahre zurück ſtand hier ein wirk¬ liches Schloß, ein Backſteinbau mit dicken Rundtürmen, aus welcher Zeit her auch noch der Graben ſtammt, der die von ihm durchſchnittene, ſich in den See hinein¬ erſtreckende Landzunge zu einer kleinen Inſel machte. Das ging ſo bis in die Tage der Reformation. Während der Schwedenzeit aber wurde das alte Schloß niedergelegt, und man ſchien es ſeinem gänzlichen Ver¬ fall überlaſſen, auch nichts an ſeine Stelle ſetzen zu wollen, bis kurz nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. die ganze Trümmermaſſe beiſeite geſchafft und ein Neubau beliebt wurde. Dieſer Neubau war das Haus, das jetzt noch ſtand. Es hatte denſelben nüchternen Charakter wie faſt alles, was unter dem Soldatenkönig entſtand, und war nichts weiter als ein einfaches Corps de logis, deſſen zwei vorſpringende, bis dicht an den Graben reichende Seitenflügel ein Hufeiſen und innerhalb desſelben einen kahlen Vorhof bildeten, auf dem, als einziges Schmuckſtück, eine große blanke Glaskugel ſich präſentierte. Sonſt ſah man nichts als eine vor dem Hauſe ſich hinziehende Rampe, von deren dem Hofe zugekehrter Vorderwand der Kalk ſchon wieder abfiel. Gleichzeitig war aber doch ein Beſtreben unver¬ kennbar, gerade dieſe Rampe zu was Beſonderem zu machen, und zwar mit Hilfe mehrerer Kübel mit exotiſchen Blattpflanzen, darunter zwei Aloes, von denen die eine noch gut im Stande, die andre dagegen krank war. Aber gerade dieſe kranke war der Liebling des Schloßherrn, weil ſie jeden Sommer in einer ihr

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/12>, abgerufen am 28.03.2024.