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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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"Um abgeschlossen zu haben?"

"Es ist ein sonderbarer Zeitpunkt, den ich wähle," fuhr er fort, ohne der halb scherzhaften Unterbrechung, in der doch ein gefühlvoller Ton mitklang, weiter zu achten. "Ein sonderbarer Zeitpunkt: ein Friedhof und dies Grab. Aber der Tod begleitet uns auf Schritt und Tritt und läßt uns in den Augenblicken, wo das Leben uns lacht, die Süße des Lebens nur um so tiefer empfinden. Ja, je gewisser das Ende, desto reizvoller die Minute und desto dringender die Mahnung: nutze den Tag."




Als die Ceremonie drinnen vorüber war, folgten beide dem Zuge durch die Stadt und eine Woche später wechselten sie die Ringe. Verwandte, Freunde waren erschienen. Bei dem kleinen Festmahl aber, das die Verlobung begleitete, trat eine heitere Schwägerin an Braut und Bräutigam heran und sagte: "Man spricht von einem Motto, das Eure Verlobungsringe haben sollen. Oder doch der Deine, Marie."

"Kannst Du schweigen?"

"Ich denke."

"Nun denn, so lies."

Und sie las: ,Eine Frau in meinen Jahren'.



„Um abgeschlossen zu haben?“

„Es ist ein sonderbarer Zeitpunkt, den ich wähle,“ fuhr er fort, ohne der halb scherzhaften Unterbrechung, in der doch ein gefühlvoller Ton mitklang, weiter zu achten. „Ein sonderbarer Zeitpunkt: ein Friedhof und dies Grab. Aber der Tod begleitet uns auf Schritt und Tritt und läßt uns in den Augenblicken, wo das Leben uns lacht, die Süße des Lebens nur um so tiefer empfinden. Ja, je gewisser das Ende, desto reizvoller die Minute und desto dringender die Mahnung: nutze den Tag.“




Als die Ceremonie drinnen vorüber war, folgten beide dem Zuge durch die Stadt und eine Woche später wechselten sie die Ringe. Verwandte, Freunde waren erschienen. Bei dem kleinen Festmahl aber, das die Verlobung begleitete, trat eine heitere Schwägerin an Braut und Bräutigam heran und sagte: „Man spricht von einem Motto, das Eure Verlobungsringe haben sollen. Oder doch der Deine, Marie.“

„Kannst Du schweigen?“

„Ich denke.“

„Nun denn, so lies.“

Und sie las: ‚Eine Frau in meinen Jahren‘.



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[79/0081] „Um abgeschlossen zu haben?“ „Es ist ein sonderbarer Zeitpunkt, den ich wähle,“ fuhr er fort, ohne der halb scherzhaften Unterbrechung, in der doch ein gefühlvoller Ton mitklang, weiter zu achten. „Ein sonderbarer Zeitpunkt: ein Friedhof und dies Grab. Aber der Tod begleitet uns auf Schritt und Tritt und läßt uns in den Augenblicken, wo das Leben uns lacht, die Süße des Lebens nur um so tiefer empfinden. Ja, je gewisser das Ende, desto reizvoller die Minute und desto dringender die Mahnung: nutze den Tag.“ Als die Ceremonie drinnen vorüber war, folgten beide dem Zuge durch die Stadt und eine Woche später wechselten sie die Ringe. Verwandte, Freunde waren erschienen. Bei dem kleinen Festmahl aber, das die Verlobung begleitete, trat eine heitere Schwägerin an Braut und Bräutigam heran und sagte: „Man spricht von einem Motto, das Eure Verlobungsringe haben sollen. Oder doch der Deine, Marie.“ „Kannst Du schweigen?“ „Ich denke.“ „Nun denn, so lies.“ Und sie las: ‚Eine Frau in meinen Jahren‘.

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/81>, abgerufen am 29.03.2024.