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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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den Einfluß Amerikas auf uns. Unsere Daseinslust hat es auf der einen Seite gesteigert und das Elend, das aller Menschen Erbteil ist, hat es auf der anderen Seite, wenn nicht zum Schweigen gebracht, so doch eingelullt. Es bedeutet etwas und ist mindestens ein sinnreicher Zufall, daß wir der neuen Welt alle Mittel verdanken (oder doch die besten und wirkungsvollsten unter ihnen), unseren physischen Schmerz zu stillen. Und in der Geisteswelt ist es kaum anders. Amerika, wie viel es uns schulden mag, hat ein Recht, uns zuzurufen: ,Unser Schuldbuch ist zerrissen'."

"Und fürchten Sie nicht, sich durch Erlebnisse vielleicht widerlegt und umgestimmt zu sehn?"

"Nein. Das ist ausgeschlossen. Meine persönlichen Erwartungen können scheitern, aber ich kann in der großen Frage selbst ganz unmöglich anderen Sinnes werden. Es ist damit wie mit den zehn Geboten oder der Erscheinung Christi. Die zehn Gebote, zu denen ich mich freudig bekenne, mögen mir unbequem werden und die Heilslehre kann mir, sei's durch meine Schuld oder mein Schicksal, ihren Dienst und ihren Segen versagen, aber ich kann nicht erschüttert werden in meinem Glauben an ihr Recht und ihre Größe."

"Sie so sprechen zu hören, beglückt mich, und

den Einfluß Amerikas auf uns. Unsere Daseinslust hat es auf der einen Seite gesteigert und das Elend, das aller Menschen Erbteil ist, hat es auf der anderen Seite, wenn nicht zum Schweigen gebracht, so doch eingelullt. Es bedeutet etwas und ist mindestens ein sinnreicher Zufall, daß wir der neuen Welt alle Mittel verdanken (oder doch die besten und wirkungsvollsten unter ihnen), unseren physischen Schmerz zu stillen. Und in der Geisteswelt ist es kaum anders. Amerika, wie viel es uns schulden mag, hat ein Recht, uns zuzurufen: ‚Unser Schuldbuch ist zerrissen‘.“

„Und fürchten Sie nicht, sich durch Erlebnisse vielleicht widerlegt und umgestimmt zu sehn?“

„Nein. Das ist ausgeschlossen. Meine persönlichen Erwartungen können scheitern, aber ich kann in der großen Frage selbst ganz unmöglich anderen Sinnes werden. Es ist damit wie mit den zehn Geboten oder der Erscheinung Christi. Die zehn Gebote, zu denen ich mich freudig bekenne, mögen mir unbequem werden und die Heilslehre kann mir, sei’s durch meine Schuld oder mein Schicksal, ihren Dienst und ihren Segen versagen, aber ich kann nicht erschüttert werden in meinem Glauben an ihr Recht und ihre Größe.“

„Sie so sprechen zu hören, beglückt mich, und

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[52/0054] den Einfluß Amerikas auf uns. Unsere Daseinslust hat es auf der einen Seite gesteigert und das Elend, das aller Menschen Erbteil ist, hat es auf der anderen Seite, wenn nicht zum Schweigen gebracht, so doch eingelullt. Es bedeutet etwas und ist mindestens ein sinnreicher Zufall, daß wir der neuen Welt alle Mittel verdanken (oder doch die besten und wirkungsvollsten unter ihnen), unseren physischen Schmerz zu stillen. Und in der Geisteswelt ist es kaum anders. Amerika, wie viel es uns schulden mag, hat ein Recht, uns zuzurufen: ‚Unser Schuldbuch ist zerrissen‘.“ „Und fürchten Sie nicht, sich durch Erlebnisse vielleicht widerlegt und umgestimmt zu sehn?“ „Nein. Das ist ausgeschlossen. Meine persönlichen Erwartungen können scheitern, aber ich kann in der großen Frage selbst ganz unmöglich anderen Sinnes werden. Es ist damit wie mit den zehn Geboten oder der Erscheinung Christi. Die zehn Gebote, zu denen ich mich freudig bekenne, mögen mir unbequem werden und die Heilslehre kann mir, sei’s durch meine Schuld oder mein Schicksal, ihren Dienst und ihren Segen versagen, aber ich kann nicht erschüttert werden in meinem Glauben an ihr Recht und ihre Größe.“ „Sie so sprechen zu hören, beglückt mich, und

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

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  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/54>, abgerufen am 29.03.2024.