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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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funden hatte, war bei eben diesem von Paris her ein Brief eingetroffen, in dem der berühmte Leverrier an seinen Kollegen Galle folgende Worte richtete: "Lieber Galle! Suchen Sie doch in der Uranusgegend weiter nach. Ich habe herausgerechnet, daß dort ein Planet fehlt, und er muß sich finden." Und siehe da, keine drei Monate drauf schrieb Galle von Berlin aus an Leverrier zurück: "Cher Leverrier. Ich hab ihn." Und wirklich, die Welt hatte von dem Tag an einen Planeten mehr. Dies Erlebnis, wie schon angedeutet, war für Lezius' Entwicklungsgang als Wissenschaftler entscheidend gewesen. Er suchte seitdem nach einer Brücke von Gentiana pannonica nach Gentiana asclepiadea hinüber, zwischen welchen beiden eine noch unentdeckte Species liegen mußte. Daß er diese finden und sich dadurch ebenbürtig neben seinen Freund Galle stellen würde, stand ihm so gut wie fest. Seine Frau und Tochter freilich, die beiläufig die etwas ungewöhnlichen Namen Judith und Mirjam führten, teilten diese Zuversicht nicht und gaben ihrem Zweifel auch Ausdruck, wodurch sich Lezius übrigens keinen Augenblick abhalten ließ, einerseits im Niederschreiben seines Manuscripts, andrerseits in seinen wissenschaftlichen Wanderungen fortzufahren. Auf diesen abwechselnd in die Karpathen und die Sudeten gehenden

funden hatte, war bei eben diesem von Paris her ein Brief eingetroffen, in dem der berühmte Leverrier an seinen Kollegen Galle folgende Worte richtete: „Lieber Galle! Suchen Sie doch in der Uranusgegend weiter nach. Ich habe herausgerechnet, daß dort ein Planet fehlt, und er muß sich finden.“ Und siehe da, keine drei Monate drauf schrieb Galle von Berlin aus an Leverrier zurück: „Cher Leverrier. Ich hab ihn.“ Und wirklich, die Welt hatte von dem Tag an einen Planeten mehr. Dies Erlebnis, wie schon angedeutet, war für Lezius’ Entwicklungsgang als Wissenschaftler entscheidend gewesen. Er suchte seitdem nach einer Brücke von Gentiana pannonica nach Gentiana asclepiadea hinüber, zwischen welchen beiden eine noch unentdeckte Species liegen mußte. Daß er diese finden und sich dadurch ebenbürtig neben seinen Freund Galle stellen würde, stand ihm so gut wie fest. Seine Frau und Tochter freilich, die beiläufig die etwas ungewöhnlichen Namen Judith und Mirjam führten, teilten diese Zuversicht nicht und gaben ihrem Zweifel auch Ausdruck, wodurch sich Lezius übrigens keinen Augenblick abhalten ließ, einerseits im Niederschreiben seines Manuscripts, andrerseits in seinen wissenschaftlichen Wanderungen fortzufahren. Auf diesen abwechselnd in die Karpathen und die Sudeten gehenden

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[226/0228] funden hatte, war bei eben diesem von Paris her ein Brief eingetroffen, in dem der berühmte Leverrier an seinen Kollegen Galle folgende Worte richtete: „Lieber Galle! Suchen Sie doch in der Uranusgegend weiter nach. Ich habe herausgerechnet, daß dort ein Planet fehlt, und er muß sich finden.“ Und siehe da, keine drei Monate drauf schrieb Galle von Berlin aus an Leverrier zurück: „Cher Leverrier. Ich hab ihn.“ Und wirklich, die Welt hatte von dem Tag an einen Planeten mehr. Dies Erlebnis, wie schon angedeutet, war für Lezius’ Entwicklungsgang als Wissenschaftler entscheidend gewesen. Er suchte seitdem nach einer Brücke von Gentiana pannonica nach Gentiana asclepiadea hinüber, zwischen welchen beiden eine noch unentdeckte Species liegen mußte. Daß er diese finden und sich dadurch ebenbürtig neben seinen Freund Galle stellen würde, stand ihm so gut wie fest. Seine Frau und Tochter freilich, die beiläufig die etwas ungewöhnlichen Namen Judith und Mirjam führten, teilten diese Zuversicht nicht und gaben ihrem Zweifel auch Ausdruck, wodurch sich Lezius übrigens keinen Augenblick abhalten ließ, einerseits im Niederschreiben seines Manuscripts, andrerseits in seinen wissenschaftlichen Wanderungen fortzufahren. Auf diesen abwechselnd in die Karpathen und die Sudeten gehenden

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/228>, abgerufen am 18.04.2024.