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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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hinauf zu lenken, wo ich hoffen durfte, gute Gesellschaft zu finden. Das war denn auch der Fall. Ich blieb da bei Skat und Bier, bis elf Uhr heran war, und als ich, unter glitzerndem Sternenhimmel, in meine Behausung zurückkehrte, schlief schon alles.

Wie der Letzte zu Bett, so war ich natürlich auch der Letzte wieder auf und durfte mich, als ich endlich auf dem von Birken überschatteten Vorplatz erschien, nicht sonderlich wundern, von seiten der Wirtin zu hören, es sei schon alles ausgeflogen, nach Agnetendorf hinunter, in die Kirche - die gnäd'gen Fräuleins schon gleich nach sieben. Ich nickte nur wie bestätigend dazu, weil ich von andern Sonntagen her wußte, wie die Fräuleins zu dieser Frage standen. In die Kirche gehen, war korrekt und standesgemäß und schickte sich für Adlige; Nicht-Adlige mochten faul sein und schlafen. Und die Fräuleins hatten darin ganz recht.

Es war ein wunderschöner Morgen, warm und frisch zugleich, denn es wehte leise vom Gebirge her. Der Kaffee wurde mir gebracht; dann ging auch die Wirtin, und ich machte mich schon auf eine mehrstündige Vormittagseinsamkeit gefaßt, als ich plötzlich aus dem blos angelehnten Scheunenthore denselben Alten heraustreten sah, der gestern, mit den zwei Bündeln auf seiner Karre, seinen Einzug

hinauf zu lenken, wo ich hoffen durfte, gute Gesellschaft zu finden. Das war denn auch der Fall. Ich blieb da bei Skat und Bier, bis elf Uhr heran war, und als ich, unter glitzerndem Sternenhimmel, in meine Behausung zurückkehrte, schlief schon alles.

Wie der Letzte zu Bett, so war ich natürlich auch der Letzte wieder auf und durfte mich, als ich endlich auf dem von Birken überschatteten Vorplatz erschien, nicht sonderlich wundern, von seiten der Wirtin zu hören, es sei schon alles ausgeflogen, nach Agnetendorf hinunter, in die Kirche – die gnäd’gen Fräuleins schon gleich nach sieben. Ich nickte nur wie bestätigend dazu, weil ich von andern Sonntagen her wußte, wie die Fräuleins zu dieser Frage standen. In die Kirche gehen, war korrekt und standesgemäß und schickte sich für Adlige; Nicht-Adlige mochten faul sein und schlafen. Und die Fräuleins hatten darin ganz recht.

Es war ein wunderschöner Morgen, warm und frisch zugleich, denn es wehte leise vom Gebirge her. Der Kaffee wurde mir gebracht; dann ging auch die Wirtin, und ich machte mich schon auf eine mehrstündige Vormittagseinsamkeit gefaßt, als ich plötzlich aus dem blos angelehnten Scheunenthore denselben Alten heraustreten sah, der gestern, mit den zwei Bündeln auf seiner Karre, seinen Einzug

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[214/0216] hinauf zu lenken, wo ich hoffen durfte, gute Gesellschaft zu finden. Das war denn auch der Fall. Ich blieb da bei Skat und Bier, bis elf Uhr heran war, und als ich, unter glitzerndem Sternenhimmel, in meine Behausung zurückkehrte, schlief schon alles. Wie der Letzte zu Bett, so war ich natürlich auch der Letzte wieder auf und durfte mich, als ich endlich auf dem von Birken überschatteten Vorplatz erschien, nicht sonderlich wundern, von seiten der Wirtin zu hören, es sei schon alles ausgeflogen, nach Agnetendorf hinunter, in die Kirche – die gnäd’gen Fräuleins schon gleich nach sieben. Ich nickte nur wie bestätigend dazu, weil ich von andern Sonntagen her wußte, wie die Fräuleins zu dieser Frage standen. In die Kirche gehen, war korrekt und standesgemäß und schickte sich für Adlige; Nicht-Adlige mochten faul sein und schlafen. Und die Fräuleins hatten darin ganz recht. Es war ein wunderschöner Morgen, warm und frisch zugleich, denn es wehte leise vom Gebirge her. Der Kaffee wurde mir gebracht; dann ging auch die Wirtin, und ich machte mich schon auf eine mehrstündige Vormittagseinsamkeit gefaßt, als ich plötzlich aus dem blos angelehnten Scheunenthore denselben Alten heraustreten sah, der gestern, mit den zwei Bündeln auf seiner Karre, seinen Einzug

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
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  • Silbentrennung: aufgelöst;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/216>, abgerufen am 25.04.2024.