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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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an einem langen, ganz in Nähe dreier Harfenistinnen aufgestellten Tische saßen Schüler aus Breslau mit allerhand Verbindungszeichen angethan und in ihrem ganzen Thun sichtlich beflissen, sich auf den Studenten hin auszuspielen; ihre Deckel klappten in einem fort, immer neue Seidel wurden herangetragen, und während einer, eine Art "Senior", ziemlich weltmüde dreinschaute, schob sich ein Ganzjugendlicher immer näher an eine der Harfenistinnen, die seine Mutter sein konnte, heran und hatte dabei den Mut, ihr seine Huldigungen zuzuflüstern. Sie verstand ihn auch, was sich darin zeigte, daß sie die gewagtesten Stellen immer mit einem Fortissimo begleitete, worin dann, ungehört von den Andern, die jugendlichen Kühnheiten verklangen. Einige der diesem Schülertreiben zusehenden Gäste tuschelten darüber, was die "Herren Studiosi", die sich dadurch geniert fühlen mochten, schließlich veranlaßte, den Tisch, an dem sie saßen, ins Freie zu schaffen. Es war eine von ihnen gutgewählte Stelle, denn nicht nur, daß die vom Dach herabhängende Fahne lustig über ihnen flatterte, neben ihnen stand auch ein großes, für das wissensdurstigere Reisepublikum aufgestelltes Fernrohr, dessen Besitzer, zu besserer Orientierung der unablässig Neuherantretenden, ebenso unablässig den landschaftlichen Erklärer machte. "Die helle Linie, die Sie da sehen, das ist

an einem langen, ganz in Nähe dreier Harfenistinnen aufgestellten Tische saßen Schüler aus Breslau mit allerhand Verbindungszeichen angethan und in ihrem ganzen Thun sichtlich beflissen, sich auf den Studenten hin auszuspielen; ihre Deckel klappten in einem fort, immer neue Seidel wurden herangetragen, und während einer, eine Art „Senior“, ziemlich weltmüde dreinschaute, schob sich ein Ganzjugendlicher immer näher an eine der Harfenistinnen, die seine Mutter sein konnte, heran und hatte dabei den Mut, ihr seine Huldigungen zuzuflüstern. Sie verstand ihn auch, was sich darin zeigte, daß sie die gewagtesten Stellen immer mit einem Fortissimo begleitete, worin dann, ungehört von den Andern, die jugendlichen Kühnheiten verklangen. Einige der diesem Schülertreiben zusehenden Gäste tuschelten darüber, was die „Herren Studiosi“, die sich dadurch geniert fühlen mochten, schließlich veranlaßte, den Tisch, an dem sie saßen, ins Freie zu schaffen. Es war eine von ihnen gutgewählte Stelle, denn nicht nur, daß die vom Dach herabhängende Fahne lustig über ihnen flatterte, neben ihnen stand auch ein großes, für das wissensdurstigere Reisepublikum aufgestelltes Fernrohr, dessen Besitzer, zu besserer Orientierung der unablässig Neuherantretenden, ebenso unablässig den landschaftlichen Erklärer machte. „Die helle Linie, die Sie da sehen, das ist

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[170/0172] an einem langen, ganz in Nähe dreier Harfenistinnen aufgestellten Tische saßen Schüler aus Breslau mit allerhand Verbindungszeichen angethan und in ihrem ganzen Thun sichtlich beflissen, sich auf den Studenten hin auszuspielen; ihre Deckel klappten in einem fort, immer neue Seidel wurden herangetragen, und während einer, eine Art „Senior“, ziemlich weltmüde dreinschaute, schob sich ein Ganzjugendlicher immer näher an eine der Harfenistinnen, die seine Mutter sein konnte, heran und hatte dabei den Mut, ihr seine Huldigungen zuzuflüstern. Sie verstand ihn auch, was sich darin zeigte, daß sie die gewagtesten Stellen immer mit einem Fortissimo begleitete, worin dann, ungehört von den Andern, die jugendlichen Kühnheiten verklangen. Einige der diesem Schülertreiben zusehenden Gäste tuschelten darüber, was die „Herren Studiosi“, die sich dadurch geniert fühlen mochten, schließlich veranlaßte, den Tisch, an dem sie saßen, ins Freie zu schaffen. Es war eine von ihnen gutgewählte Stelle, denn nicht nur, daß die vom Dach herabhängende Fahne lustig über ihnen flatterte, neben ihnen stand auch ein großes, für das wissensdurstigere Reisepublikum aufgestelltes Fernrohr, dessen Besitzer, zu besserer Orientierung der unablässig Neuherantretenden, ebenso unablässig den landschaftlichen Erklärer machte. „Die helle Linie, die Sie da sehen, das ist

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/172>, abgerufen am 19.04.2024.