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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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liner Luft zu skandalisieren, und es soll unbestritten bleiben, sie könnte besser sein. Aber was will die durchschnittliche Berliner Hausatmosphäre im Vergleich zu dem Dunstkreise sagen, der in den meisten Hotels und Nicht-Hotels Sachsen-Thüringens heimisch ist. Die Berliner Luft, auch wo sie am schlimmsten auftritt, ist ein Parvenu wie die Stadt selbst, jung, ohne Geschichte, ohne infernale Vertiefung. So schlecht sie sein mag, sie ist einfach, unkompliziert, so zu sagen frisch von der Quelle weg. Wie anders dagegen die Hausatmosphäre in den Früh-Kulturgegenden Mitteldeutschlands! Altehrwürdig tritt sie auf und man kann ohne Uebertreibung sagen: die Jahrhunderte haben an ihr gebraut. Sie ist geworden, vor allem sie ist undefinierbar, und wie man vom Kölnischen Wasser gesagt hat, das Geheimnis seiner Schöne läge in der Lagerung, so daß schließlich die Mannigfaltigkeit in einer höheren Einheit unterginge, so auch hier. Nur haben wir hier den Revers der Medaille.

Was aus Hofestiefen in mein Zimmer einströmte, gewann mehr und mehr an Gehalt, so daß ich als nächstes Rettungsmittel das Fenster schloß. Aber die Geister, die ich gerufen hatte, waren so schnell nicht wieder zu bannen. Sie waren mit mir, um mich und schienen wenig geneigt, sich so

liner Luft zu skandalisieren, und es soll unbestritten bleiben, sie könnte besser sein. Aber was will die durchschnittliche Berliner Hausatmosphäre im Vergleich zu dem Dunstkreise sagen, der in den meisten Hotels und Nicht-Hotels Sachsen-Thüringens heimisch ist. Die Berliner Luft, auch wo sie am schlimmsten auftritt, ist ein Parvenu wie die Stadt selbst, jung, ohne Geschichte, ohne infernale Vertiefung. So schlecht sie sein mag, sie ist einfach, unkompliziert, so zu sagen frisch von der Quelle weg. Wie anders dagegen die Hausatmosphäre in den Früh-Kulturgegenden Mitteldeutschlands! Altehrwürdig tritt sie auf und man kann ohne Uebertreibung sagen: die Jahrhunderte haben an ihr gebraut. Sie ist geworden, vor allem sie ist undefinierbar, und wie man vom Kölnischen Wasser gesagt hat, das Geheimnis seiner Schöne läge in der Lagerung, so daß schließlich die Mannigfaltigkeit in einer höheren Einheit unterginge, so auch hier. Nur haben wir hier den Revers der Medaille.

Was aus Hofestiefen in mein Zimmer einströmte, gewann mehr und mehr an Gehalt, so daß ich als nächstes Rettungsmittel das Fenster schloß. Aber die Geister, die ich gerufen hatte, waren so schnell nicht wieder zu bannen. Sie waren mit mir, um mich und schienen wenig geneigt, sich so

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[13/0015] liner Luft zu skandalisieren, und es soll unbestritten bleiben, sie könnte besser sein. Aber was will die durchschnittliche Berliner Hausatmosphäre im Vergleich zu dem Dunstkreise sagen, der in den meisten Hotels und Nicht-Hotels Sachsen-Thüringens heimisch ist. Die Berliner Luft, auch wo sie am schlimmsten auftritt, ist ein Parvenu wie die Stadt selbst, jung, ohne Geschichte, ohne infernale Vertiefung. So schlecht sie sein mag, sie ist einfach, unkompliziert, so zu sagen frisch von der Quelle weg. Wie anders dagegen die Hausatmosphäre in den Früh-Kulturgegenden Mitteldeutschlands! Altehrwürdig tritt sie auf und man kann ohne Uebertreibung sagen: die Jahrhunderte haben an ihr gebraut. Sie ist geworden, vor allem sie ist undefinierbar, und wie man vom Kölnischen Wasser gesagt hat, das Geheimnis seiner Schöne läge in der Lagerung, so daß schließlich die Mannigfaltigkeit in einer höheren Einheit unterginge, so auch hier. Nur haben wir hier den Revers der Medaille. Was aus Hofestiefen in mein Zimmer einströmte, gewann mehr und mehr an Gehalt, so daß ich als nächstes Rettungsmittel das Fenster schloß. Aber die Geister, die ich gerufen hatte, waren so schnell nicht wieder zu bannen. Sie waren mit mir, um mich und schienen wenig geneigt, sich so

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/15>, abgerufen am 16.04.2024.