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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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Pardon, Ihr eignes Haus ist liberal und ich bin es auch - es ist damit, wie mit dem Liberalismus: er ist immer gut, schon um seiner selbst willen, ob er nun passen mag oder nicht. Und wer da widerspricht oder auch nur leise zweifelt, ist ein schlechter Mensch. Es giebt nichts Schrecklicheres als die Menschheitsbeglücker par force, die gewaltsam heilen, helfen oder gar selig machen wollen. Ich habe nichts gegen das Seligwerden, aber, um den ewig alten Satz zu citieren, wenn's sein kann auf meine Facon. Und so möcht' ich auch geheilt werden auf meine Facon. Deshalb kam ich hierher, deshalb zu Ihnen, teure Freundin, die Sie gelernt haben, die Freiheit des Individuums zu respektieren. Oder auch nicht gelernt haben, denn dergleichen lernt man nicht; das Beste hat man immer von Natur. Und deshalb war ich so glücklich hier. Es ist mir hier immer, als fiele ein leiser sommerlicher Sprühregen vom Himmel und nehme mich unter seinen weichen und wohligen Mantel. Ja, teure Freundin, so war es auch diesmal wieder. Da, mit einem Male bricht Onkel Dodo herein und alles ist hin. Er hat nicht den weichen und wohligen Mantel, der Ruh und Frieden oder doch äußere Stille bedeutet, er hat nur Dr. Fausts Sturmmantel, der überall hinfegt und segelt, und je schneller es geht und je

Pardon, Ihr eignes Haus ist liberal und ich bin es auch – es ist damit, wie mit dem Liberalismus: er ist immer gut, schon um seiner selbst willen, ob er nun passen mag oder nicht. Und wer da widerspricht oder auch nur leise zweifelt, ist ein schlechter Mensch. Es giebt nichts Schrecklicheres als die Menschheitsbeglücker par force, die gewaltsam heilen, helfen oder gar selig machen wollen. Ich habe nichts gegen das Seligwerden, aber, um den ewig alten Satz zu citieren, wenn’s sein kann auf meine Façon. Und so möcht’ ich auch geheilt werden auf meine Façon. Deshalb kam ich hierher, deshalb zu Ihnen, teure Freundin, die Sie gelernt haben, die Freiheit des Individuums zu respektieren. Oder auch nicht gelernt haben, denn dergleichen lernt man nicht; das Beste hat man immer von Natur. Und deshalb war ich so glücklich hier. Es ist mir hier immer, als fiele ein leiser sommerlicher Sprühregen vom Himmel und nehme mich unter seinen weichen und wohligen Mantel. Ja, teure Freundin, so war es auch diesmal wieder. Da, mit einem Male bricht Onkel Dodo herein und alles ist hin. Er hat nicht den weichen und wohligen Mantel, der Ruh und Frieden oder doch äußere Stille bedeutet, er hat nur Dr. Fausts Sturmmantel, der überall hinfegt und segelt, und je schneller es geht und je

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[121/0123] Pardon, Ihr eignes Haus ist liberal und ich bin es auch – es ist damit, wie mit dem Liberalismus: er ist immer gut, schon um seiner selbst willen, ob er nun passen mag oder nicht. Und wer da widerspricht oder auch nur leise zweifelt, ist ein schlechter Mensch. Es giebt nichts Schrecklicheres als die Menschheitsbeglücker par force, die gewaltsam heilen, helfen oder gar selig machen wollen. Ich habe nichts gegen das Seligwerden, aber, um den ewig alten Satz zu citieren, wenn’s sein kann auf meine Façon. Und so möcht’ ich auch geheilt werden auf meine Façon. Deshalb kam ich hierher, deshalb zu Ihnen, teure Freundin, die Sie gelernt haben, die Freiheit des Individuums zu respektieren. Oder auch nicht gelernt haben, denn dergleichen lernt man nicht; das Beste hat man immer von Natur. Und deshalb war ich so glücklich hier. Es ist mir hier immer, als fiele ein leiser sommerlicher Sprühregen vom Himmel und nehme mich unter seinen weichen und wohligen Mantel. Ja, teure Freundin, so war es auch diesmal wieder. Da, mit einem Male bricht Onkel Dodo herein und alles ist hin. Er hat nicht den weichen und wohligen Mantel, der Ruh und Frieden oder doch äußere Stille bedeutet, er hat nur Dr. Fausts Sturmmantel, der überall hinfegt und segelt, und je schneller es geht und je

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/123>, abgerufen am 19.04.2024.