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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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lich Gegenstand der Anbetung gewesen waren, wurden nunmehr
Gestalten angebetet, die Stein, Quelle, Sonne etc. bildlich
darstellten.

Die Wenden hatten in ihrer Religion einen Dualismus
schwarzer
und weißer Götter, einer lichten Welt auf der
Erde und eines unterirdischen Reiches der Finsterniß. Die
Einheit lag im Jenseits, im Himmel.

An und in sich selbst unterschied der Wende Leib und
Seele, doch scheint ihm die Menschenseele der Thierseele ver-
wandt erschienen zu sein; wenigstens glaubte er nicht an per-
sönliche Unsterblichkeit. Die Seele saß im Blut, aber war doch
wieder getrennt davon. Strömte das Blut des Sterbenden zu
Boden, so flog die Seele aus dem Munde und flatterte zum
Schrecken aller Vögel, nur nicht der Eule, so lange von Baum
zu Baum, bis die Leiche verbrannt oder begraben war.

Die alten Chronisten haben uns die Namen von vier-
zehn
wendischen Göttern überliefert. Unter diesen waren die
folgenden fünf wohl die berühmtesten: Siwa (das Leben);
Gerowit (der Frühlingssieger); Swatowit (der heilige oder
helle Sieger); Radigast (die Vernunft, die geistige Kraft);
Triglaff (der Dreiköpfige. Ohne bestimmte Bedeutung).

Vom Siwa haben wir keine Beschreibung. Gerowit,
der Frühlingssieger, war mit kriegerischen Attributen geschmückt,
mit Lanzen und Fahnen, auch mit einem großen kunstvollen,
mit Goldblech beschlagenen Schild. Radigast war reich ver-
goldet und hatte ein mit Purpur verziertes Bett. Noch im
15. Jahrhundert hing in einem Fenster der Kirche zu Gadebusch
eine aus Erz gegossene Krone, die angeblich von einem Bilde
dieses Gottes herstammte. Swatowit hatte vier Köpfe,
zwei nach vorne, zwei nach rückwärts gewandt, die wieder
abwechselnd nach rechts und links blickten. Bart und Haupt-
haar war nach Landessitte geschoren. In der rechten Hand
hielt der Götze ein Horn, das mit verschiedenen Arten Metall
verziert war und jährlich einmal mit Getränk angefüllt wurde;
der linke Arm war bogenförmig in die Seite gesetzt, die

lich Gegenſtand der Anbetung geweſen waren, wurden nunmehr
Geſtalten angebetet, die Stein, Quelle, Sonne ꝛc. bildlich
darſtellten.

Die Wenden hatten in ihrer Religion einen Dualismus
ſchwarzer
und weißer Götter, einer lichten Welt auf der
Erde und eines unterirdiſchen Reiches der Finſterniß. Die
Einheit lag im Jenſeits, im Himmel.

An und in ſich ſelbſt unterſchied der Wende Leib und
Seele, doch ſcheint ihm die Menſchenſeele der Thierſeele ver-
wandt erſchienen zu ſein; wenigſtens glaubte er nicht an per-
ſönliche Unſterblichkeit. Die Seele ſaß im Blut, aber war doch
wieder getrennt davon. Strömte das Blut des Sterbenden zu
Boden, ſo flog die Seele aus dem Munde und flatterte zum
Schrecken aller Vögel, nur nicht der Eule, ſo lange von Baum
zu Baum, bis die Leiche verbrannt oder begraben war.

Die alten Chroniſten haben uns die Namen von vier-
zehn
wendiſchen Göttern überliefert. Unter dieſen waren die
folgenden fünf wohl die berühmteſten: Siwa (das Leben);
Gerowit (der Frühlingsſieger); Swatowit (der heilige oder
helle Sieger); Radigaſt (die Vernunft, die geiſtige Kraft);
Triglaff (der Dreiköpfige. Ohne beſtimmte Bedeutung).

Vom Siwa haben wir keine Beſchreibung. Gerowit,
der Frühlingsſieger, war mit kriegeriſchen Attributen geſchmückt,
mit Lanzen und Fahnen, auch mit einem großen kunſtvollen,
mit Goldblech beſchlagenen Schild. Radigaſt war reich ver-
goldet und hatte ein mit Purpur verziertes Bett. Noch im
15. Jahrhundert hing in einem Fenſter der Kirche zu Gadebuſch
eine aus Erz gegoſſene Krone, die angeblich von einem Bilde
dieſes Gottes herſtammte. Swatowit hatte vier Köpfe,
zwei nach vorne, zwei nach rückwärts gewandt, die wieder
abwechſelnd nach rechts und links blickten. Bart und Haupt-
haar war nach Landesſitte geſchoren. In der rechten Hand
hielt der Götze ein Horn, das mit verſchiedenen Arten Metall
verziert war und jährlich einmal mit Getränk angefüllt wurde;
der linke Arm war bogenförmig in die Seite geſetzt, die

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[23/0041] lich Gegenſtand der Anbetung geweſen waren, wurden nunmehr Geſtalten angebetet, die Stein, Quelle, Sonne ꝛc. bildlich darſtellten. Die Wenden hatten in ihrer Religion einen Dualismus ſchwarzer und weißer Götter, einer lichten Welt auf der Erde und eines unterirdiſchen Reiches der Finſterniß. Die Einheit lag im Jenſeits, im Himmel. An und in ſich ſelbſt unterſchied der Wende Leib und Seele, doch ſcheint ihm die Menſchenſeele der Thierſeele ver- wandt erſchienen zu ſein; wenigſtens glaubte er nicht an per- ſönliche Unſterblichkeit. Die Seele ſaß im Blut, aber war doch wieder getrennt davon. Strömte das Blut des Sterbenden zu Boden, ſo flog die Seele aus dem Munde und flatterte zum Schrecken aller Vögel, nur nicht der Eule, ſo lange von Baum zu Baum, bis die Leiche verbrannt oder begraben war. Die alten Chroniſten haben uns die Namen von vier- zehn wendiſchen Göttern überliefert. Unter dieſen waren die folgenden fünf wohl die berühmteſten: Siwa (das Leben); Gerowit (der Frühlingsſieger); Swatowit (der heilige oder helle Sieger); Radigaſt (die Vernunft, die geiſtige Kraft); Triglaff (der Dreiköpfige. Ohne beſtimmte Bedeutung). Vom Siwa haben wir keine Beſchreibung. Gerowit, der Frühlingsſieger, war mit kriegeriſchen Attributen geſchmückt, mit Lanzen und Fahnen, auch mit einem großen kunſtvollen, mit Goldblech beſchlagenen Schild. Radigaſt war reich ver- goldet und hatte ein mit Purpur verziertes Bett. Noch im 15. Jahrhundert hing in einem Fenſter der Kirche zu Gadebuſch eine aus Erz gegoſſene Krone, die angeblich von einem Bilde dieſes Gottes herſtammte. Swatowit hatte vier Köpfe, zwei nach vorne, zwei nach rückwärts gewandt, die wieder abwechſelnd nach rechts und links blickten. Bart und Haupt- haar war nach Landesſitte geſchoren. In der rechten Hand hielt der Götze ein Horn, das mit verſchiedenen Arten Metall verziert war und jährlich einmal mit Getränk angefüllt wurde; der linke Arm war bogenförmig in die Seite geſetzt, die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/41>, abgerufen am 20.04.2024.