Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

[Abbildung]
Vorbericht
an den
nach seinem Stand und Würden geehrten Leser.

VErdienet die Sonne, nach einiger Philosophen Mei-
nung, das Auge der Natur genennet zu werden, wo-
mit sie die verwunderns-würdige Vortreflichkeit die-
ses grossen Welt-Gebäudes betrachtet; so kan ich
verhoffentlich mit viel grösserem Recht das Auge des
Menschen eine Sonne der kleinen Welt heissen, mit
welcher er den Spiegel der gantzen, ihm sichtbaren
Natur beleuchtet.

Und der müste gewiß sehr verblendete Augen haben, der die unum-
stößlichen Zeugnisse und Merckmahle einer unbegreiflichen Weisheit, und
mehr als väterlichen Vorsorge eines wunderbaren GOttes nicht deutlich
und klar sehen solte. Ja, es wird ein jeder, der nur mit gesunden Sinnen
begabet, wol nicht in Abrede seyn können, daß keines unter allen Geschö-
pfen anzutreffen, in welchem zwar nicht auf eine naturalitische Art seinem
Wesen nach, GOtt selbst, sondern Fußstapfen einer Göttlichen Existenz, uner-
forschlichen und unverdienten Liebe, gegen das menschliche Geschlechte zu
finden. So, daß man sich wundern muß, wie einige bey dem sich selbst an-
klagenden und verdammenden Gewissen, ihre Sinnen zu gewissen Stun-
den so einschläfern können, daß sie sich der grösten, und nur zu ersinnlichsten

Thor-
(a)

[Abbildung]
Vorbericht
an den
nach ſeinem Stand und Wuͤrden geehrten Leſer.

VErdienet die Sonne, nach einiger Philoſophen Mei-
nung, das Auge der Natur genennet zu werden, wo-
mit ſie die verwunderns-wuͤrdige Vortreflichkeit die-
ſes groſſen Welt-Gebaͤudes betrachtet; ſo kan ich
verhoffentlich mit viel groͤſſerem Recht das Auge des
Menſchen eine Sonne der kleinen Welt heiſſen, mit
welcher er den Spiegel der gantzen, ihm ſichtbaren
Natur beleuchtet.

Und der muͤſte gewiß ſehr verblendete Augen haben, der die unum-
ſtoͤßlichen Zeugniſſe und Merckmahle einer unbegreiflichen Weisheit, und
mehr als vaͤterlichen Vorſorge eines wunderbaren GOttes nicht deutlich
und klar ſehen ſolte. Ja, es wird ein jeder, der nur mit geſunden Sinnen
begabet, wol nicht in Abrede ſeyn koͤnnen, daß keines unter allen Geſchoͤ-
pfen anzutreffen, in welchem zwar nicht auf eine naturalitiſche Art ſeinem
Weſen nach, GOtt ſelbſt, ſondern Fußſtapfen einer Goͤttlichen Exiſtenz, uner-
forſchlichen und unverdienten Liebe, gegen das menſchliche Geſchlechte zu
finden. So, daß man ſich wundern muß, wie einige bey dem ſich ſelbſt an-
klagenden und verdammenden Gewiſſen, ihre Sinnen zu gewiſſen Stun-
den ſo einſchlaͤfern koͤnnen, daß ſie ſich der groͤſten, und nur zu erſinnlichſten

Thor-
(a)
<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0019"/>
      <figure/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#in">V</hi>orbericht</hi><lb/>
an den<lb/><hi rendition="#b">nach &#x017F;einem Stand und Wu&#x0364;rden geehrten Le&#x017F;er.</hi></head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">V</hi>Erdienet die Sonne, nach einiger <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;oph</hi>en Mei-<lb/>
nung, das Auge der Natur genennet zu werden, wo-<lb/>
mit &#x017F;ie die verwunderns-wu&#x0364;rdige Vortreflichkeit die-<lb/>
&#x017F;es gro&#x017F;&#x017F;en Welt-Geba&#x0364;udes betrachtet; &#x017F;o kan ich<lb/>
verhoffentlich mit viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erem Recht das Auge des<lb/>
Men&#x017F;chen eine Sonne der kleinen Welt hei&#x017F;&#x017F;en, mit<lb/>
welcher er den Spiegel der gantzen, ihm &#x017F;ichtbaren<lb/>
Natur beleuchtet.</p><lb/>
        <p>Und der mu&#x0364;&#x017F;te gewiß &#x017F;ehr verblendete Augen haben, der die unum-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ßlichen Zeugni&#x017F;&#x017F;e und Merckmahle einer unbegreiflichen Weisheit, und<lb/>
mehr als va&#x0364;terlichen Vor&#x017F;orge eines wunderbaren GOttes nicht deutlich<lb/>
und klar &#x017F;ehen &#x017F;olte. Ja, es wird ein jeder, der nur mit ge&#x017F;unden Sinnen<lb/>
begabet, wol nicht in Abrede &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, daß keines unter allen Ge&#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
pfen anzutreffen, in welchem zwar nicht auf eine naturaliti&#x017F;che Art &#x017F;einem<lb/>
We&#x017F;en nach, GOtt &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern Fuß&#x017F;tapfen einer Go&#x0364;ttlichen <hi rendition="#aq">Exi&#x017F;tenz,</hi> uner-<lb/>
for&#x017F;chlichen und unverdienten Liebe, gegen das men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlechte zu<lb/>
finden. So, daß man &#x017F;ich wundern muß, wie einige bey dem &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t an-<lb/>
klagenden und verdammenden Gewi&#x017F;&#x017F;en, ihre Sinnen zu gewi&#x017F;&#x017F;en Stun-<lb/>
den &#x017F;o ein&#x017F;chla&#x0364;fern ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich der gro&#x0364;&#x017F;ten, und nur zu er&#x017F;innlich&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(a)</fw><fw place="bottom" type="catch">Thor-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0019] [Abbildung] Vorbericht an den nach ſeinem Stand und Wuͤrden geehrten Leſer. VErdienet die Sonne, nach einiger Philoſophen Mei- nung, das Auge der Natur genennet zu werden, wo- mit ſie die verwunderns-wuͤrdige Vortreflichkeit die- ſes groſſen Welt-Gebaͤudes betrachtet; ſo kan ich verhoffentlich mit viel groͤſſerem Recht das Auge des Menſchen eine Sonne der kleinen Welt heiſſen, mit welcher er den Spiegel der gantzen, ihm ſichtbaren Natur beleuchtet. Und der muͤſte gewiß ſehr verblendete Augen haben, der die unum- ſtoͤßlichen Zeugniſſe und Merckmahle einer unbegreiflichen Weisheit, und mehr als vaͤterlichen Vorſorge eines wunderbaren GOttes nicht deutlich und klar ſehen ſolte. Ja, es wird ein jeder, der nur mit geſunden Sinnen begabet, wol nicht in Abrede ſeyn koͤnnen, daß keines unter allen Geſchoͤ- pfen anzutreffen, in welchem zwar nicht auf eine naturalitiſche Art ſeinem Weſen nach, GOtt ſelbſt, ſondern Fußſtapfen einer Goͤttlichen Exiſtenz, uner- forſchlichen und unverdienten Liebe, gegen das menſchliche Geſchlechte zu finden. So, daß man ſich wundern muß, wie einige bey dem ſich ſelbſt an- klagenden und verdammenden Gewiſſen, ihre Sinnen zu gewiſſen Stun- den ſo einſchlaͤfern koͤnnen, daß ſie ſich der groͤſten, und nur zu erſinnlichſten Thor- (a)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/19
Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/19>, abgerufen am 18.04.2024.