Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] ters die Natur eine wündersame
Transmutationem Animalium vornimmt,
wie mir bekant, daß einmahls bey har-
tem Winter im Meißner-Lande, im Amt
Pirne, von einem grossen schwartzen
Hunde eben dergleichen Wölffe erzeuget
und beym Lilien-Steine gefangen wor-
den sind, davon einer zu Alt Dreßden
im Jäger-Hoff abgemahlet, wo auch e-
benfalls ein rother zu sehen. Daß sich
zu Mastzeiten gar offters die zahmen
mit denen wilden Sauen leichtlich ver-
mischen, so auch gar die Hirten nicht ver-
wehren können, habe bereits oben ge-
dacht, und ist wohl Jederman bekant,
daher die weissen und bunden wilden
Sauen und vice versa die schwartzen
zahmen Sauen kommen; Wiewohl ich
von solcher Transmutation von alten er-
fahrnen Jägern discursive judiciren ge-
höret, daß auf dergleichen ungewöhnliche
Veränderung derer Thiere als ein Prae-
sagium meist etwas merckwürdiges im
Lande sich begeben habe, so ich aber in
seinem Werth und Unwerth beruhen las-
sen will. Es hat ferner Gott der All-
mächtige die unvernünfftigen Thiere
auch mit äuserlichen Sinnen begabet,
daß sie 1. Hören, wenn die Hunde bellen,
Menschen schreyen, oder geschossen wird,
2. Sehen, was auf sie langsam oder sach-
te geschlichen oder gelauffen kommt; 3.
Fühlen, wann sie verletzet werden, so sie
durch Schreyen oder Blöcken anzeigen;
4. Schmecken, den Unterscheid gesunder
Kräuter, oder madigter Eicheln; 5. Rie-
chen, oder im Wind vernehmen, und
mehr als zu weit ihre Feinde vermer-
cken. So haben sie auch von innerlichen
Sinnen etwas wundersames, als Me-
moriam, vel Recordationem Animi, ei-
ne Erinnerung der Sache, so an dem
Orte geschehen, z. E. wenn nach einem
Thier geschossen oder geschlagen worden,
solches aber entkommen, behält es dieses
in frischem Andencken; Ferner auch Sen-
sum communem, das Dichten und Trach-
ten, da es sein Kalb zu verbergen, dem
Hunde zu entkommen, und sich zu ret-
ten sorget; Und Phantasiam aut Impressio-
nem, vel Imaginationem oder die Ein-
bildung, da die Thiere sich auf der Erde
[Spaltenumbruch] in eine Grube drücken, in Meynung, es
könne sie daselbsten Niemand sehen, oder
aber vor einem ungefehr ersehenen
schwartzen oder weissen Stamm, Schat-
ten, Stroh, oder Federn sich entsetzen
und hierdurch eine Furcht einbilden. Fer-
ner hat der liebe Gott die wilden Thiere
mit Häuten, und Haaren zur Kleidung
versorget, dieselben vor grosser Winters-
Kälte, Frost, Schnee und Eiß zu beschir-
men; Auch denen Thieren der Erden
schnelle Füsse, denen Vögeln in der Lufft
Federn und Flügel, und denen Fischen
das Schwimmen unterm Wasser umb
ihren Feinden zu entfliehen, weißlich ge-
ordnet. Dahero z. E. die Hirsche, wann
sie Hoffnung haben, über den Zeug zu
springen und ihre Freyheit zu erlangen,
aus Liebe und Begierde zur Freyheit,
darauff alle Müh anwenden, und, so sie
entkommen, sich darüber freuen und ver-
gnügt sind. Hierüber haben die Thiere
vor denen Menschen, Raub-Thieren und
Hunden einen Zorn und Abscheu, füh-
len Schmertzen in der Geburth, sind
mitleidig, so sie ihr Kalb schreyen hören,
wissen die Gelegenheit des Orts, ob es
da sicher sey oder nicht, verdächtig oder
ohne Gefahr, sich daselbst auffzuhalten.
Was nun ein wildes Thier, jegliches nach
seiner Art, vor eine Nahrung zu sich ge-
nommen, und im Magen verdauet hat,
dergleichen Nahrungs-Safft wird durch
die Putrefaction generiret, solcher wird
per Spiritus dissipiret und endlich der
Saame, als ein Extract hieraus coagu-
liret, das andere wird durch die Leber in
Blut verwandelt und durch die Adern
ausgetheilet. Der Rest aber, als die
Excrementa, Koth und Wasser behalten
ihren natürlichen Ablauff gewöhnlich
durch ihre erschaffene Röhren. Und die-
ses wäre nun ungefehr die Natur und
Eigenschafft derer wilden Thiere in ge-
nere, soviel man bißhero ergründen kön-
nen und mir bekant ist. Es würde auch
sonder Zweiffel alles und jedes specialis-
sime ad minutissima deutlich zu beschrei-
ben, menschlicher Vernunfft allzuschwer
und zu weitläufftig fallen. Welches der
Schöpffer aller Creaturen sich nicht un-
billig allein reserviret hat.

Vom Unterscheid wilder Thiere.
[Spaltenumbruch]

Die von dem grossen Gott lebendig er-
schaffene Creaturen sind zweyerley, als
die Vernünfftigen und Unvernünfftigen.
[Spaltenumbruch] Die Vernünfftigen sind wir Menschen,
die wir durch Göttliche sonderbahre Gna-
de nach dem Göttlichen Ebenbilde erschaf-

fen

Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] ters die Natur eine wuͤnderſame
Transmutationem Animalium vornim̃t,
wie mir bekant, daß einmahls bey har-
tem Winter im Meißner-Lande, im Amt
Pirne, von einem groſſen ſchwartzen
Hunde eben dergleichen Woͤlffe erzeuget
und beym Lilien-Steine gefangen wor-
den ſind, davon einer zu Alt Dreßden
im Jaͤger-Hoff abgemahlet, wo auch e-
benfalls ein rother zu ſehen. Daß ſich
zu Maſtzeiten gar offters die zahmen
mit denen wilden Sauen leichtlich ver-
miſchen, ſo auch gar die Hirten nicht ver-
wehren koͤnnen, habe bereits oben ge-
dacht, und iſt wohl Jederman bekant,
daher die weiſſen und bunden wilden
Sauen und vice verſa die ſchwartzen
zahmen Sauen kommen; Wiewohl ich
von ſolcher Transmutation von alten er-
fahrnen Jaͤgern diſcurſive judiciren ge-
hoͤret, daß auf dergleichen ungewoͤhnliche
Veraͤnderung derer Thiere als ein Præ-
ſagium meiſt etwas merckwuͤrdiges im
Lande ſich begeben habe, ſo ich aber in
ſeinem Werth und Unwerth beruhen laſ-
ſen will. Es hat ferner Gott der All-
maͤchtige die unvernuͤnfftigen Thiere
auch mit aͤuſerlichen Sinnen begabet,
daß ſie 1. Hoͤren, wenn die Hunde bellen,
Menſchen ſchreyen, oder geſchoſſen wird,
2. Sehen, was auf ſie langſam oder ſach-
te geſchlichen oder gelauffen kommt; 3.
Fuͤhlen, wann ſie verletzet werden, ſo ſie
durch Schreyen oder Bloͤcken anzeigen;
4. Schmecken, den Unterſcheid geſunder
Kraͤuter, oder madigter Eicheln; 5. Rie-
chen, oder im Wind vernehmen, und
mehr als zu weit ihre Feinde vermer-
cken. So haben ſie auch von innerlichen
Sinnen etwas wunderſames, als Me-
moriam, vel Recordationem Animi, ei-
ne Erinnerung der Sache, ſo an dem
Orte geſchehen, z. E. wenn nach einem
Thier geſchoſſen oder geſchlagen worden,
ſolches aber entkommen, behaͤlt es dieſes
in friſchem Andencken; Ferner auch Sen-
ſum communem, das Dichten und Trach-
ten, da es ſein Kalb zu verbergen, dem
Hunde zu entkommen, und ſich zu ret-
ten ſorget; Und Phantaſiam aut Impresſio-
nem, vel Imaginationem oder die Ein-
bildung, da die Thiere ſich auf der Erde
[Spaltenumbruch] in eine Grube druͤcken, in Meynung, es
koͤnne ſie daſelbſten Niemand ſehen, oder
aber vor einem ungefehr erſehenen
ſchwartzen oder weiſſen Stamm, Schat-
ten, Stroh, oder Federn ſich entſetzen
und hierdurch eine Furcht einbilden. Fer-
ner hat der liebe Gott die wilden Thiere
mit Haͤuten, und Haaren zur Kleidung
verſorget, dieſelben vor groſſer Winters-
Kaͤlte, Froſt, Schnee und Eiß zu beſchir-
men; Auch denen Thieren der Erden
ſchnelle Fuͤſſe, denen Voͤgeln in der Lufft
Federn und Fluͤgel, und denen Fiſchen
das Schwimmen unterm Waſſer umb
ihren Feinden zu entfliehen, weißlich ge-
ordnet. Dahero z. E. die Hirſche, wann
ſie Hoffnung haben, uͤber den Zeug zu
ſpringen und ihre Freyheit zu erlangen,
aus Liebe und Begierde zur Freyheit,
darauff alle Muͤh anwenden, und, ſo ſie
entkommen, ſich daruͤber freuen und ver-
gnuͤgt ſind. Hieruͤber haben die Thiere
vor denen Menſchen, Raub-Thieren und
Hunden einen Zorn und Abſcheu, fuͤh-
len Schmertzen in der Geburth, ſind
mitleidig, ſo ſie ihr Kalb ſchreyen hoͤren,
wiſſen die Gelegenheit des Orts, ob es
da ſicher ſey oder nicht, verdaͤchtig oder
ohne Gefahr, ſich daſelbſt auffzuhalten.
Was nun ein wildes Thier, jegliches nach
ſeiner Art, vor eine Nahrung zu ſich ge-
nommen, und im Magen verdauet hat,
dergleichen Nahrungs-Safft wird durch
die Putrefaction generiret, ſolcher wird
per Spiritus disſipiret und endlich der
Saame, als ein Extract hieraus coagu-
liret, das andere wird durch die Leber in
Blut verwandelt und durch die Adern
ausgetheilet. Der Reſt aber, als die
Excrementa, Koth und Waſſer behalten
ihren natuͤrlichen Ablauff gewoͤhnlich
durch ihre erſchaffene Roͤhren. Und die-
ſes waͤre nun ungefehr die Natur und
Eigenſchafft derer wilden Thiere in ge-
nere, ſoviel man bißhero ergruͤnden koͤn-
nen und mir bekant iſt. Es wuͤrde auch
ſonder Zweiffel alles und jedes ſpecialis-
ſime ad minutisſima deutlich zu beſchrei-
ben, menſchlicher Vernunfft allzuſchwer
und zu weitlaͤufftig fallen. Welches der
Schoͤpffer aller Creaturen ſich nicht un-
billig allein reſerviret hat.

Vom Unterſcheid wilder Thiere.
[Spaltenumbruch]

Die von dem groſſen Gott lebendig er-
ſchaffene Creaturen ſind zweyerley, als
die Vernuͤnfftigen und Unvernuͤnfftigen.
[Spaltenumbruch] Die Vernuͤnfftigen ſind wir Menſchen,
die wir durch Goͤttliche ſonderbahre Gna-
de nach dem Goͤttlichen Ebenbilde erſchaf-

fen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0168" n="82"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderer Theil/</hi></fw><lb/><cb/>
ters die Natur eine wu&#x0364;nder&#x017F;ame<lb/><hi rendition="#aq">Transmutationem Animalium</hi> vornim&#x0303;t,<lb/>
wie mir bekant, daß einmahls bey har-<lb/>
tem Winter im Meißner-Lande, im Amt<lb/>
Pirne, von einem gro&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chwartzen<lb/>
Hunde eben dergleichen Wo&#x0364;lffe erzeuget<lb/>
und beym Lilien-Steine gefangen wor-<lb/>
den &#x017F;ind, davon einer zu Alt Dreßden<lb/>
im Ja&#x0364;ger-Hoff abgemahlet, wo auch e-<lb/>
benfalls ein rother zu &#x017F;ehen. Daß &#x017F;ich<lb/>
zu Ma&#x017F;tzeiten gar offters die zahmen<lb/>
mit denen wilden Sauen leichtlich ver-<lb/>
mi&#x017F;chen, &#x017F;o auch gar die Hirten nicht ver-<lb/>
wehren ko&#x0364;nnen, habe bereits oben ge-<lb/>
dacht, und i&#x017F;t wohl Jederman bekant,<lb/>
daher die wei&#x017F;&#x017F;en und bunden wilden<lb/>
Sauen und <hi rendition="#aq">vice ver&#x017F;a</hi> die &#x017F;chwartzen<lb/>
zahmen Sauen kommen; Wiewohl ich<lb/>
von &#x017F;olcher <hi rendition="#aq">Transmutation</hi> von alten er-<lb/>
fahrnen Ja&#x0364;gern <hi rendition="#aq">di&#x017F;cur&#x017F;ive judicir</hi>en ge-<lb/>
ho&#x0364;ret, daß auf dergleichen ungewo&#x0364;hnliche<lb/>
Vera&#x0364;nderung derer Thiere als ein <hi rendition="#aq">Præ-<lb/>
&#x017F;agium</hi> mei&#x017F;t etwas merckwu&#x0364;rdiges im<lb/>
Lande &#x017F;ich begeben habe, &#x017F;o ich aber in<lb/>
&#x017F;einem Werth und Unwerth beruhen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en will. Es hat ferner Gott der All-<lb/>
ma&#x0364;chtige die unvernu&#x0364;nfftigen Thiere<lb/>
auch mit a&#x0364;u&#x017F;erlichen Sinnen begabet,<lb/>
daß &#x017F;ie 1. Ho&#x0364;ren, wenn die Hunde bellen,<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;chreyen, oder ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en wird,<lb/>
2. Sehen, was auf &#x017F;ie lang&#x017F;am oder &#x017F;ach-<lb/>
te ge&#x017F;chlichen oder gelauffen kommt; 3.<lb/>
Fu&#x0364;hlen, wann &#x017F;ie verletzet werden, &#x017F;o &#x017F;ie<lb/>
durch Schreyen oder Blo&#x0364;cken anzeigen;<lb/>
4. Schmecken, den Unter&#x017F;cheid ge&#x017F;under<lb/>
Kra&#x0364;uter, oder madigter Eicheln; 5. Rie-<lb/>
chen, oder im Wind vernehmen, und<lb/>
mehr als zu weit ihre Feinde vermer-<lb/>
cken. So haben &#x017F;ie auch von innerlichen<lb/>
Sinnen etwas wunder&#x017F;ames, als <hi rendition="#aq">Me-<lb/>
moriam, vel Recordationem Animi,</hi> ei-<lb/>
ne Erinnerung der Sache, &#x017F;o an dem<lb/>
Orte ge&#x017F;chehen, z. E. wenn nach einem<lb/>
Thier ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en oder ge&#x017F;chlagen worden,<lb/>
&#x017F;olches aber entkommen, beha&#x0364;lt es die&#x017F;es<lb/>
in fri&#x017F;chem Andencken; Ferner auch <hi rendition="#aq">Sen-<lb/>
&#x017F;um communem,</hi> das Dichten und Trach-<lb/>
ten, da es &#x017F;ein Kalb zu verbergen, dem<lb/>
Hunde zu entkommen, und &#x017F;ich zu ret-<lb/>
ten &#x017F;orget; Und <hi rendition="#aq">Phanta&#x017F;iam aut Impres&#x017F;io-<lb/>
nem, vel Imaginationem</hi> oder die Ein-<lb/>
bildung, da die Thiere &#x017F;ich auf der Erde<lb/><cb/>
in eine Grube dru&#x0364;cken, in Meynung, es<lb/>
ko&#x0364;nne &#x017F;ie da&#x017F;elb&#x017F;ten Niemand &#x017F;ehen, oder<lb/>
aber vor einem ungefehr er&#x017F;ehenen<lb/>
&#x017F;chwartzen oder wei&#x017F;&#x017F;en Stamm, Schat-<lb/>
ten, Stroh, oder Federn &#x017F;ich ent&#x017F;etzen<lb/>
und hierdurch eine Furcht einbilden. Fer-<lb/>
ner hat der liebe Gott die wilden Thiere<lb/>
mit Ha&#x0364;uten, und Haaren zur Kleidung<lb/>
ver&#x017F;orget, die&#x017F;elben vor gro&#x017F;&#x017F;er Winters-<lb/>
Ka&#x0364;lte, Fro&#x017F;t, Schnee und Eiß zu be&#x017F;chir-<lb/>
men; Auch denen Thieren der Erden<lb/>
&#x017F;chnelle Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, denen Vo&#x0364;geln in der Lufft<lb/>
Federn und Flu&#x0364;gel, und denen Fi&#x017F;chen<lb/>
das Schwimmen unterm Wa&#x017F;&#x017F;er umb<lb/>
ihren Feinden zu entfliehen, weißlich ge-<lb/>
ordnet. Dahero z. E. die Hir&#x017F;che, wann<lb/>
&#x017F;ie Hoffnung haben, u&#x0364;ber den Zeug zu<lb/>
&#x017F;pringen und ihre Freyheit zu erlangen,<lb/>
aus Liebe und Begierde zur Freyheit,<lb/>
darauff alle Mu&#x0364;h anwenden, und, &#x017F;o &#x017F;ie<lb/>
entkommen, &#x017F;ich daru&#x0364;ber freuen und ver-<lb/>
gnu&#x0364;gt &#x017F;ind. Hieru&#x0364;ber haben die Thiere<lb/>
vor denen Men&#x017F;chen, Raub-Thieren und<lb/>
Hunden einen Zorn und Ab&#x017F;cheu, fu&#x0364;h-<lb/>
len Schmertzen in der Geburth, &#x017F;ind<lb/>
mitleidig, &#x017F;o &#x017F;ie ihr Kalb &#x017F;chreyen ho&#x0364;ren,<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en die Gelegenheit des Orts, ob es<lb/>
da &#x017F;icher &#x017F;ey oder nicht, verda&#x0364;chtig oder<lb/>
ohne Gefahr, &#x017F;ich da&#x017F;elb&#x017F;t auffzuhalten.<lb/>
Was nun ein wildes Thier, jegliches nach<lb/>
&#x017F;einer Art, vor eine Nahrung zu &#x017F;ich ge-<lb/>
nommen, und im Magen verdauet hat,<lb/>
dergleichen Nahrungs-Safft wird durch<lb/>
die <hi rendition="#aq">Putrefaction generir</hi>et, &#x017F;olcher wird<lb/><hi rendition="#aq">per Spiritus dis&#x017F;ipir</hi>et und endlich der<lb/>
Saame, als ein <hi rendition="#aq">Extract</hi> hieraus <hi rendition="#aq">coagu-<lb/>
lir</hi>et, das andere wird durch die Leber in<lb/>
Blut verwandelt und durch die Adern<lb/>
ausgetheilet. Der Re&#x017F;t aber, als die<lb/><hi rendition="#aq">Excrementa,</hi> Koth und Wa&#x017F;&#x017F;er behalten<lb/>
ihren natu&#x0364;rlichen Ablauff gewo&#x0364;hnlich<lb/>
durch ihre er&#x017F;chaffene Ro&#x0364;hren. Und die-<lb/>
&#x017F;es wa&#x0364;re nun ungefehr die Natur und<lb/>
Eigen&#x017F;chafft derer wilden Thiere <hi rendition="#aq">in ge-<lb/>
nere,</hi> &#x017F;oviel man bißhero ergru&#x0364;nden ko&#x0364;n-<lb/>
nen und mir bekant i&#x017F;t. Es wu&#x0364;rde auch<lb/>
&#x017F;onder Zweiffel alles und jedes <hi rendition="#aq">&#x017F;pecialis-<lb/>
&#x017F;ime ad minutis&#x017F;ima</hi> deutlich zu be&#x017F;chrei-<lb/>
ben, men&#x017F;chlicher Vernunfft allzu&#x017F;chwer<lb/>
und zu weitla&#x0364;ufftig fallen. Welches der<lb/>
Scho&#x0364;pffer aller Creaturen &#x017F;ich nicht un-<lb/>
billig allein <hi rendition="#aq">re&#x017F;ervir</hi>et hat.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Vom Unter&#x017F;cheid wilder Thiere.</hi> </head><lb/>
          <cb/>
          <p>Die von dem gro&#x017F;&#x017F;en Gott lebendig er-<lb/>
&#x017F;chaffene Creaturen &#x017F;ind zweyerley, als<lb/>
die Vernu&#x0364;nfftigen und Unvernu&#x0364;nfftigen.<lb/><cb/>
Die Vernu&#x0364;nfftigen &#x017F;ind wir Men&#x017F;chen,<lb/>
die wir durch Go&#x0364;ttliche &#x017F;onderbahre Gna-<lb/>
de nach dem Go&#x0364;ttlichen Ebenbilde er&#x017F;chaf-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0168] Anderer Theil/ ters die Natur eine wuͤnderſame Transmutationem Animalium vornim̃t, wie mir bekant, daß einmahls bey har- tem Winter im Meißner-Lande, im Amt Pirne, von einem groſſen ſchwartzen Hunde eben dergleichen Woͤlffe erzeuget und beym Lilien-Steine gefangen wor- den ſind, davon einer zu Alt Dreßden im Jaͤger-Hoff abgemahlet, wo auch e- benfalls ein rother zu ſehen. Daß ſich zu Maſtzeiten gar offters die zahmen mit denen wilden Sauen leichtlich ver- miſchen, ſo auch gar die Hirten nicht ver- wehren koͤnnen, habe bereits oben ge- dacht, und iſt wohl Jederman bekant, daher die weiſſen und bunden wilden Sauen und vice verſa die ſchwartzen zahmen Sauen kommen; Wiewohl ich von ſolcher Transmutation von alten er- fahrnen Jaͤgern diſcurſive judiciren ge- hoͤret, daß auf dergleichen ungewoͤhnliche Veraͤnderung derer Thiere als ein Præ- ſagium meiſt etwas merckwuͤrdiges im Lande ſich begeben habe, ſo ich aber in ſeinem Werth und Unwerth beruhen laſ- ſen will. Es hat ferner Gott der All- maͤchtige die unvernuͤnfftigen Thiere auch mit aͤuſerlichen Sinnen begabet, daß ſie 1. Hoͤren, wenn die Hunde bellen, Menſchen ſchreyen, oder geſchoſſen wird, 2. Sehen, was auf ſie langſam oder ſach- te geſchlichen oder gelauffen kommt; 3. Fuͤhlen, wann ſie verletzet werden, ſo ſie durch Schreyen oder Bloͤcken anzeigen; 4. Schmecken, den Unterſcheid geſunder Kraͤuter, oder madigter Eicheln; 5. Rie- chen, oder im Wind vernehmen, und mehr als zu weit ihre Feinde vermer- cken. So haben ſie auch von innerlichen Sinnen etwas wunderſames, als Me- moriam, vel Recordationem Animi, ei- ne Erinnerung der Sache, ſo an dem Orte geſchehen, z. E. wenn nach einem Thier geſchoſſen oder geſchlagen worden, ſolches aber entkommen, behaͤlt es dieſes in friſchem Andencken; Ferner auch Sen- ſum communem, das Dichten und Trach- ten, da es ſein Kalb zu verbergen, dem Hunde zu entkommen, und ſich zu ret- ten ſorget; Und Phantaſiam aut Impresſio- nem, vel Imaginationem oder die Ein- bildung, da die Thiere ſich auf der Erde in eine Grube druͤcken, in Meynung, es koͤnne ſie daſelbſten Niemand ſehen, oder aber vor einem ungefehr erſehenen ſchwartzen oder weiſſen Stamm, Schat- ten, Stroh, oder Federn ſich entſetzen und hierdurch eine Furcht einbilden. Fer- ner hat der liebe Gott die wilden Thiere mit Haͤuten, und Haaren zur Kleidung verſorget, dieſelben vor groſſer Winters- Kaͤlte, Froſt, Schnee und Eiß zu beſchir- men; Auch denen Thieren der Erden ſchnelle Fuͤſſe, denen Voͤgeln in der Lufft Federn und Fluͤgel, und denen Fiſchen das Schwimmen unterm Waſſer umb ihren Feinden zu entfliehen, weißlich ge- ordnet. Dahero z. E. die Hirſche, wann ſie Hoffnung haben, uͤber den Zeug zu ſpringen und ihre Freyheit zu erlangen, aus Liebe und Begierde zur Freyheit, darauff alle Muͤh anwenden, und, ſo ſie entkommen, ſich daruͤber freuen und ver- gnuͤgt ſind. Hieruͤber haben die Thiere vor denen Menſchen, Raub-Thieren und Hunden einen Zorn und Abſcheu, fuͤh- len Schmertzen in der Geburth, ſind mitleidig, ſo ſie ihr Kalb ſchreyen hoͤren, wiſſen die Gelegenheit des Orts, ob es da ſicher ſey oder nicht, verdaͤchtig oder ohne Gefahr, ſich daſelbſt auffzuhalten. Was nun ein wildes Thier, jegliches nach ſeiner Art, vor eine Nahrung zu ſich ge- nommen, und im Magen verdauet hat, dergleichen Nahrungs-Safft wird durch die Putrefaction generiret, ſolcher wird per Spiritus disſipiret und endlich der Saame, als ein Extract hieraus coagu- liret, das andere wird durch die Leber in Blut verwandelt und durch die Adern ausgetheilet. Der Reſt aber, als die Excrementa, Koth und Waſſer behalten ihren natuͤrlichen Ablauff gewoͤhnlich durch ihre erſchaffene Roͤhren. Und die- ſes waͤre nun ungefehr die Natur und Eigenſchafft derer wilden Thiere in ge- nere, ſoviel man bißhero ergruͤnden koͤn- nen und mir bekant iſt. Es wuͤrde auch ſonder Zweiffel alles und jedes ſpecialis- ſime ad minutisſima deutlich zu beſchrei- ben, menſchlicher Vernunfft allzuſchwer und zu weitlaͤufftig fallen. Welches der Schoͤpffer aller Creaturen ſich nicht un- billig allein reſerviret hat. Vom Unterſcheid wilder Thiere. Die von dem groſſen Gott lebendig er- ſchaffene Creaturen ſind zweyerley, als die Vernuͤnfftigen und Unvernuͤnfftigen. Die Vernuͤnfftigen ſind wir Menſchen, die wir durch Goͤttliche ſonderbahre Gna- de nach dem Goͤttlichen Ebenbilde erſchaf- fen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/168
Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/168>, abgerufen am 25.04.2024.