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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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Tod gesucht, brauchte jetzt Liebe das Leben
zu tragen; und fand nur übelversteckten
Neid und hinterlistige Schmeicheley. Da
erwachte die Sehnsucht nach dem glückli-
chen Eilande und mit ihr die erste unzer-
störbare Liebe.

"Fort! hin zu Jhr! Wie war es mög-
lich! wie konnte er sie verlassen! -- Aber
sie liebte ihn nicht mehr -- Ach eine kurze
Verirrung! gewiß nur eine Verirrung! --
O Gott! wäre etwas mehr daraus gewor-
den; er allein trüge die Schuld" --

"Darum -- rief er -- keinen Augenblick
gesäumt! Wer sie auch hält, ich entreisse
sie ihm! -- Es liebt sie Niemand wie ich!
Sie ist mein Eigenthum, und ich wage
mein Leben daran!"

Dies Selbstgespräch war noch nicht ge-
endigt; als er sich schon in einem dicken
Walde, weit von den Thoren der Stadt be-

Tod geſucht, brauchte jetzt Liebe das Leben
zu tragen; und fand nur uͤbelverſteckten
Neid und hinterliſtige Schmeicheley. Da
erwachte die Sehnſucht nach dem gluͤckli-
chen Eilande und mit ihr die erſte unzer-
ſtoͤrbare Liebe.

»Fort! hin zu Jhr! Wie war es moͤg-
lich! wie konnte er ſie verlaſſen! — Aber
ſie liebte ihn nicht mehr — Ach eine kurze
Verirrung! gewiß nur eine Verirrung! —
O Gott! waͤre etwas mehr daraus gewor-
den; er allein truͤge die Schuld« —

»Darum — rief er — keinen Augenblick
geſaͤumt! Wer ſie auch haͤlt, ich entreiſſe
ſie ihm! — Es liebt ſie Niemand wie ich!
Sie iſt mein Eigenthum, und ich wage
mein Leben daran!«

Dies Selbſtgeſpraͤch war noch nicht ge-
endigt; als er ſich ſchon in einem dicken
Walde, weit von den Thoren der Stadt be-

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[91/0095] Tod geſucht, brauchte jetzt Liebe das Leben zu tragen; und fand nur uͤbelverſteckten Neid und hinterliſtige Schmeicheley. Da erwachte die Sehnſucht nach dem gluͤckli- chen Eilande und mit ihr die erſte unzer- ſtoͤrbare Liebe. »Fort! hin zu Jhr! Wie war es moͤg- lich! wie konnte er ſie verlaſſen! — Aber ſie liebte ihn nicht mehr — Ach eine kurze Verirrung! gewiß nur eine Verirrung! — O Gott! waͤre etwas mehr daraus gewor- den; er allein truͤge die Schuld« — »Darum — rief er — keinen Augenblick geſaͤumt! Wer ſie auch haͤlt, ich entreiſſe ſie ihm! — Es liebt ſie Niemand wie ich! Sie iſt mein Eigenthum, und ich wage mein Leben daran!« Dies Selbſtgeſpraͤch war noch nicht ge- endigt; als er ſich ſchon in einem dicken Walde, weit von den Thoren der Stadt be-

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/95>, abgerufen am 23.04.2024.