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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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oder Hoffnung: aber mir bist du nur die
ewig wiederkehrende Botin meines trauri-
gen Schicksals.

Noch einmal sah die Klagende wehmü-
thig in den Spiegel des Wassers; da flamm-
te der erste Sonnenstrahl am östlichen Him-
mel auf, ein heftiger Donnerschlag erschüt-
terte die Lüfte, und das schöne lockige
Haupt der Jungfrau wurde -- ein großes
Straußenei, welches an der Stelle, wo das
holde Gesicht geblüht hatte, eine schlechtge-
mahlte Larve zeigte. Ein Jammerlaut ent-
fuhr ihren Lippen; sie stieg aus dem Bade
hervor, wurde von den Jungfrauen schnell
angekleidet, und entfernte sich langsam in
der Mitte der trauernden Dienerinnen.

Erst lange nachher konnte sich Takeddin
von seinem Erstaunen erhohlen, und fühlte
nun das schmerzliche dieser lebhaften Über-
raschung. Er drang durch das Gesträuch

oder Hoffnung: aber mir biſt du nur die
ewig wiederkehrende Botin meines trauri-
gen Schickſals.

Noch einmal ſah die Klagende wehmuͤ-
thig in den Spiegel des Waſſers; da flamm-
te der erſte Sonnenſtrahl am oͤſtlichen Him-
mel auf, ein heftiger Donnerſchlag erſchuͤt-
terte die Luͤfte, und das ſchoͤne lockige
Haupt der Jungfrau wurde — ein großes
Straußenei, welches an der Stelle, wo das
holde Geſicht gebluͤht hatte, eine ſchlechtge-
mahlte Larve zeigte. Ein Jammerlaut ent-
fuhr ihren Lippen; ſie ſtieg aus dem Bade
hervor, wurde von den Jungfrauen ſchnell
angekleidet, und entfernte ſich langſam in
der Mitte der trauernden Dienerinnen.

Erſt lange nachher konnte ſich Takeddin
von ſeinem Erſtaunen erhohlen, und fuͤhlte
nun das ſchmerzliche dieſer lebhaften Über-
raſchung. Er drang durch das Geſtraͤuch

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[174/0178] oder Hoffnung: aber mir biſt du nur die ewig wiederkehrende Botin meines trauri- gen Schickſals. Noch einmal ſah die Klagende wehmuͤ- thig in den Spiegel des Waſſers; da flamm- te der erſte Sonnenſtrahl am oͤſtlichen Him- mel auf, ein heftiger Donnerſchlag erſchuͤt- terte die Luͤfte, und das ſchoͤne lockige Haupt der Jungfrau wurde — ein großes Straußenei, welches an der Stelle, wo das holde Geſicht gebluͤht hatte, eine ſchlechtge- mahlte Larve zeigte. Ein Jammerlaut ent- fuhr ihren Lippen; ſie ſtieg aus dem Bade hervor, wurde von den Jungfrauen ſchnell angekleidet, und entfernte ſich langſam in der Mitte der trauernden Dienerinnen. Erſt lange nachher konnte ſich Takeddin von ſeinem Erſtaunen erhohlen, und fuͤhlte nun das ſchmerzliche dieſer lebhaften Über- raſchung. Er drang durch das Geſtraͤuch

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/178>, abgerufen am 29.03.2024.