wo dem Lustwandler die Wahl schwer wird, welche der duftenden Blumen er brechen soll.
Die Jungfrau neigte ihr schönes Haupt wieder, und indem sie ihre liebliche Gestalt in der Spiegelfläche des Wasserbeckens mit Wohlgefallen zu betrachten schien, wurden alle ihre Reize den gierigen Blicken des entzückten Jünglings zum leichten Raube. Sein Herz pochte ungestüm; sein rasches fliegendes Blut glühte auf seinen Wangen, und oft war er im Begriff hervorzubre- chen, um zu den Füßen dieser himmlischen Schönheit die Macht ihrer Reize zu beken- nen, wenn ihn nicht die Betrachtung zu- rückgehalten hätte, daß er sich dadurch am gewissesten diesen Genuß entwenden würde. Bald lauschte er stehend, in den lieblichen Anblick verloren; bald kniete er nieder, um einen neuen Reiz zu entdecken, den ihm ein
wo dem Luſtwandler die Wahl ſchwer wird, welche der duftenden Blumen er brechen ſoll.
Die Jungfrau neigte ihr ſchoͤnes Haupt wieder, und indem ſie ihre liebliche Geſtalt in der Spiegelflaͤche des Waſſerbeckens mit Wohlgefallen zu betrachten ſchien, wurden alle ihre Reize den gierigen Blicken des entzuͤckten Juͤnglings zum leichten Raube. Sein Herz pochte ungeſtuͤm; ſein raſches fliegendes Blut gluͤhte auf ſeinen Wangen, und oft war er im Begriff hervorzubre- chen, um zu den Fuͤßen dieſer himmliſchen Schoͤnheit die Macht ihrer Reize zu beken- nen, wenn ihn nicht die Betrachtung zu- ruͤckgehalten haͤtte, daß er ſich dadurch am gewiſſeſten dieſen Genuß entwenden wuͤrde. Bald lauſchte er ſtehend, in den lieblichen Anblick verloren; bald kniete er nieder, um einen neuen Reiz zu entdecken, den ihm ein
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wo dem Luſtwandler die Wahl ſchwer wird,
welche der duftenden Blumen er brechen
ſoll.
Die Jungfrau neigte ihr ſchoͤnes Haupt
wieder, und indem ſie ihre liebliche Geſtalt
in der Spiegelflaͤche des Waſſerbeckens mit
Wohlgefallen zu betrachten ſchien, wurden
alle ihre Reize den gierigen Blicken des
entzuͤckten Juͤnglings zum leichten Raube.
Sein Herz pochte ungeſtuͤm; ſein raſches
fliegendes Blut gluͤhte auf ſeinen Wangen,
und oft war er im Begriff hervorzubre-
chen, um zu den Fuͤßen dieſer himmliſchen
Schoͤnheit die Macht ihrer Reize zu beken-
nen, wenn ihn nicht die Betrachtung zu-
ruͤckgehalten haͤtte, daß er ſich dadurch am
gewiſſeſten dieſen Genuß entwenden wuͤrde.
Bald lauſchte er ſtehend, in den lieblichen
Anblick verloren; bald kniete er nieder, um
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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/176>, abgerufen am 20.04.2024.
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