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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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müßte, damit an ihm die gesunkne Nation sich
aufrichte zu einem neuen Leben.

Man wird in Erforschung jenes Grundes
finden, daß in allen bisherigen Verfassungen
die Theilnahme am Ganzen geknüpft war an
die Theilnahme des Einzelnen an sich selbst,
vermittelst solcher Bande, die irgendwo so
gänzlich zerrissen, daß es gar keine Theilnahme
für das Ganze mehr gab, -- durch die Bande
der Furcht und Hoffnung für die Angelegenheit
des Einzelnen aus dem Schiksale des Ganzen,
in einem künftigen, und in dem gegenwärtigen
Leben. Aufklärung des nur sinnlich berech¬
nenden Verstandes war die Kraft, welche die
Verbindung eines künftigen Lebens mit dem
gegenwärtigen durch Religion, aufhob, zugleich
auch andere Ergänzungs- und stellvertretende
Mittel der sittlichen Denkart, als da sind Liebe
zum Ruhm, und National-Ehre, als täuschende
Trugbilder begriff; die Schwäche der Regie¬
gierungen war es, welche die Furcht für die
Angelegenheiten des Einzelnen aus seinem Be¬
tragen gegen das Ganze, selbst für das gegen¬
wärtige Leben, durch häufige Straflosigkeit der

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muͤßte, damit an ihm die geſunkne Nation ſich
aufrichte zu einem neuen Leben.

Man wird in Erforſchung jenes Grundes
finden, daß in allen bisherigen Verfaſſungen
die Theilnahme am Ganzen geknuͤpft war an
die Theilnahme des Einzelnen an ſich ſelbſt,
vermittelſt ſolcher Bande, die irgendwo ſo
gaͤnzlich zerriſſen, daß es gar keine Theilnahme
fuͤr das Ganze mehr gab, — durch die Bande
der Furcht und Hoffnung fuͤr die Angelegenheit
des Einzelnen aus dem Schikſale des Ganzen,
in einem kuͤnftigen, und in dem gegenwaͤrtigen
Leben. Aufklaͤrung des nur ſinnlich berech¬
nenden Verſtandes war die Kraft, welche die
Verbindung eines kuͤnftigen Lebens mit dem
gegenwaͤrtigen durch Religion, aufhob, zugleich
auch andere Ergaͤnzungs- und ſtellvertretende
Mittel der ſittlichen Denkart, als da ſind Liebe
zum Ruhm, und National-Ehre, als taͤuſchende
Trugbilder begriff; die Schwaͤche der Regie¬
gierungen war es, welche die Furcht fuͤr die
Angelegenheiten des Einzelnen aus ſeinem Be¬
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waͤrtige Leben, durch haͤufige Strafloſigkeit der

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[33/0039] muͤßte, damit an ihm die geſunkne Nation ſich aufrichte zu einem neuen Leben. Man wird in Erforſchung jenes Grundes finden, daß in allen bisherigen Verfaſſungen die Theilnahme am Ganzen geknuͤpft war an die Theilnahme des Einzelnen an ſich ſelbſt, vermittelſt ſolcher Bande, die irgendwo ſo gaͤnzlich zerriſſen, daß es gar keine Theilnahme fuͤr das Ganze mehr gab, — durch die Bande der Furcht und Hoffnung fuͤr die Angelegenheit des Einzelnen aus dem Schikſale des Ganzen, in einem kuͤnftigen, und in dem gegenwaͤrtigen Leben. Aufklaͤrung des nur ſinnlich berech¬ nenden Verſtandes war die Kraft, welche die Verbindung eines kuͤnftigen Lebens mit dem gegenwaͤrtigen durch Religion, aufhob, zugleich auch andere Ergaͤnzungs- und ſtellvertretende Mittel der ſittlichen Denkart, als da ſind Liebe zum Ruhm, und National-Ehre, als taͤuſchende Trugbilder begriff; die Schwaͤche der Regie¬ gierungen war es, welche die Furcht fuͤr die Angelegenheiten des Einzelnen aus ſeinem Be¬ tragen gegen das Ganze, ſelbſt fuͤr das gegen¬ waͤrtige Leben, durch haͤufige Strafloſigkeit der C

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/39>, abgerufen am 28.03.2024.